22. Der junge Medardus
des 1#ot
„ODSERTER
I. österr. bebördl. konz. Unternehmen für Zeitunge-Ausschnitte
Wien, I., Conoordiaplats 4.
Vertretungen
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Chetstia##.
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minnespolfa.
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petese¬
burg, Toronto.
(sstenengabs eum Gru
Ausschnltt aue:
vom:
251001910 Münehner Zeitung
——
t [Schnitzlers „Medardus“.] Unser Wiener Kor¬
respolldent kelegraphiert uns: Im Burgtheater
fand gestern die Uraufführung von Schnitzlers
„Medardus“ statt. Es war eine gute Vorstellung.
Der ganze Apparat klappte. Von den Darstellern sind
zunächst Frau Bleibtreu und Fräul. Wohlgemut zu
nennen. Den Titelhelden gab Herr Gerasch ganz an¬
ständig, aber nicht interessant. Der Beifall war nach
dem 1. und 3. Akt stark. Der Dichter konnte nach
allen fünf Akten wiederholt erscheinen. Die Vorstel¬
lung dauerte geschlagene fünf Stunden, mit einer
einzigen längeren Pause. Das Stück spielt in der
Franzosenzeit und behandelt den Fall eines jungen
Offiziers, dessen große patriotische Pläne in der Lieb¬
schaft mit einer Prinzessin verfliegen. Das Werk ist,
kurz gesagt, eine dramatische Historie, aber kein histo¬
risches Drama.
box 26/5
Telsphen 12.801.
„ODSERVER
. Beters. bebördl. konz Untersehmen für Zeitungs-Ausectaltte
Wien, I., Conoordiaplatzs 4.
Vertretungen
in Berlin, Basel, Budapest, Chiengo, Cieveland, Chtst.
Kopenhagen, Londen, Madrid, Mailand, Minnespols.
New-Vork, Paris, Rom, San Prancisco, Stockbohn, St. Petars¬
bunrg, Toronto.
Sieneege e
Ausschaftt aus:
25. M0UERBER 1910
##
—:
Schnißler -Premiere in Wien.
„Der junge Medardus“.
Telegraphischer Bericht der
„Berliner Morgenpost“.
Wien, 24. November.
Im Burgtheater gelangte heute abend Arthur
Schnitzlers dramatische Historie „Der junge
Medardus“ zur ersten Aufführung. Ein Stück.
reich an glänzenden Einzelheiten, an dichterischen
Schönheiten, aber auch an dichterischen Schwächen.
Ein fühlbarer Mangel des Dramas ist vor allem, daß
es an einem Helden fehlt.
Der junge Medardus ist ein Feuerkopf, stets bereit,
sein Leben um ein Nichts in die Schanze zu schlagen,
allein er ist kein Held, kein Mann der Tat. Dieser
„seltsame Held“, wie ihn der Dichter von dem
Adjutanten Napoleons, General Rapp, nennen läßt,
kennt nur die Konsequenz der Inkonsequenz. In
keiner Situation des Dramas, das in Wien im Jahre;
1809 zur Zeit der Einnahme Wiens durch die
Franzolen spielt, handelt er so, wie er handeln sollte
oder hätte handeln müssen. Er läßt sich zu den
Freiwilligen werben, um für das Vaterland gegen die
Franzosen ins Feld zu ziehen. Da aber am Tige vor
seinem Ausmarsche seine Schwester mit einem in
Wien im Exil lebenden französischen Prinzen aus dem
Hause Valois in die Donau geht, weil der alte Herzog
von Valois in eine Verbindung nicht willigen will,
bleibt Medardus daheim, um den Tod seiner Schwester
an der adelsstolzen Sippe zu rächen. Er gewinnt die
Liebe der Prinzessin Helene, der Schwester des Prinzen
von Valois, mit der festen Absicht, sie zu kompromittie¬
ren, um der Prinzessin Schande dem alten Herzog ins
Antlitz zu schleudern. Als er aber seine Absicht aus¬
führen könnte, hat er sein Herz an die stolze Prinzessin
verloren. Schließlich beabsichtigt er, Napoleon, den
Unterdrücker Europas, der iym der Geliebte der Prin¬
zessin zu sein scheint, zu ermorden. Als er aber auf
sein Opfer lauert, erscheint die Prinzessin, und sein
Dolch wird von wilder Eifersucht in das Herz der Ge¬
liebten gelenkt, anstatt in die Brust des großen Unter¬
drückers. Nicht ohne dichterische Absicht läßt Schnitzler
seinen seltsamen Helden so inkonsequent handeln.
Er wollte den Typ des Wieners zeichnen, der sich
an Worten berauscht. Schnitzlers Drama ist eine der
blutigsten Satyren, die je auf das Wienertum ge¬
schrieben worden sind. — Die Szenen, in denen sich
der Charakter der Menge spiegelt, fanden den größten
Beisall.
Das Burgtbeater hat auf das szenen= und verwand¬
lungsreiche Stück — es dauert über vier Stunden —
außerordentlichen Fleiß gewendet. Schon nach dem
Vorspiel konnte der Regisseur, Herr Thiemig,
für den Dichter danken. Nach dem zweiten und
Fritlen Akte und nach dem Schlusse, konnte Schnitzlen
mehrmals erscheinen.
2—1.
des 1#ot
„ODSERTER
I. österr. bebördl. konz. Unternehmen für Zeitunge-Ausschnitte
Wien, I., Conoordiaplats 4.
Vertretungen
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Chetstia##.
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minnespolfa.
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petese¬
burg, Toronto.
(sstenengabs eum Gru
Ausschnltt aue:
vom:
251001910 Münehner Zeitung
——
t [Schnitzlers „Medardus“.] Unser Wiener Kor¬
respolldent kelegraphiert uns: Im Burgtheater
fand gestern die Uraufführung von Schnitzlers
„Medardus“ statt. Es war eine gute Vorstellung.
Der ganze Apparat klappte. Von den Darstellern sind
zunächst Frau Bleibtreu und Fräul. Wohlgemut zu
nennen. Den Titelhelden gab Herr Gerasch ganz an¬
ständig, aber nicht interessant. Der Beifall war nach
dem 1. und 3. Akt stark. Der Dichter konnte nach
allen fünf Akten wiederholt erscheinen. Die Vorstel¬
lung dauerte geschlagene fünf Stunden, mit einer
einzigen längeren Pause. Das Stück spielt in der
Franzosenzeit und behandelt den Fall eines jungen
Offiziers, dessen große patriotische Pläne in der Lieb¬
schaft mit einer Prinzessin verfliegen. Das Werk ist,
kurz gesagt, eine dramatische Historie, aber kein histo¬
risches Drama.
box 26/5
Telsphen 12.801.
„ODSERVER
. Beters. bebördl. konz Untersehmen für Zeitungs-Ausectaltte
Wien, I., Conoordiaplatzs 4.
Vertretungen
in Berlin, Basel, Budapest, Chiengo, Cieveland, Chtst.
Kopenhagen, Londen, Madrid, Mailand, Minnespols.
New-Vork, Paris, Rom, San Prancisco, Stockbohn, St. Petars¬
bunrg, Toronto.
Sieneege e
Ausschaftt aus:
25. M0UERBER 1910
##
—:
Schnißler -Premiere in Wien.
„Der junge Medardus“.
Telegraphischer Bericht der
„Berliner Morgenpost“.
Wien, 24. November.
Im Burgtheater gelangte heute abend Arthur
Schnitzlers dramatische Historie „Der junge
Medardus“ zur ersten Aufführung. Ein Stück.
reich an glänzenden Einzelheiten, an dichterischen
Schönheiten, aber auch an dichterischen Schwächen.
Ein fühlbarer Mangel des Dramas ist vor allem, daß
es an einem Helden fehlt.
Der junge Medardus ist ein Feuerkopf, stets bereit,
sein Leben um ein Nichts in die Schanze zu schlagen,
allein er ist kein Held, kein Mann der Tat. Dieser
„seltsame Held“, wie ihn der Dichter von dem
Adjutanten Napoleons, General Rapp, nennen läßt,
kennt nur die Konsequenz der Inkonsequenz. In
keiner Situation des Dramas, das in Wien im Jahre;
1809 zur Zeit der Einnahme Wiens durch die
Franzolen spielt, handelt er so, wie er handeln sollte
oder hätte handeln müssen. Er läßt sich zu den
Freiwilligen werben, um für das Vaterland gegen die
Franzosen ins Feld zu ziehen. Da aber am Tige vor
seinem Ausmarsche seine Schwester mit einem in
Wien im Exil lebenden französischen Prinzen aus dem
Hause Valois in die Donau geht, weil der alte Herzog
von Valois in eine Verbindung nicht willigen will,
bleibt Medardus daheim, um den Tod seiner Schwester
an der adelsstolzen Sippe zu rächen. Er gewinnt die
Liebe der Prinzessin Helene, der Schwester des Prinzen
von Valois, mit der festen Absicht, sie zu kompromittie¬
ren, um der Prinzessin Schande dem alten Herzog ins
Antlitz zu schleudern. Als er aber seine Absicht aus¬
führen könnte, hat er sein Herz an die stolze Prinzessin
verloren. Schließlich beabsichtigt er, Napoleon, den
Unterdrücker Europas, der iym der Geliebte der Prin¬
zessin zu sein scheint, zu ermorden. Als er aber auf
sein Opfer lauert, erscheint die Prinzessin, und sein
Dolch wird von wilder Eifersucht in das Herz der Ge¬
liebten gelenkt, anstatt in die Brust des großen Unter¬
drückers. Nicht ohne dichterische Absicht läßt Schnitzler
seinen seltsamen Helden so inkonsequent handeln.
Er wollte den Typ des Wieners zeichnen, der sich
an Worten berauscht. Schnitzlers Drama ist eine der
blutigsten Satyren, die je auf das Wienertum ge¬
schrieben worden sind. — Die Szenen, in denen sich
der Charakter der Menge spiegelt, fanden den größten
Beisall.
Das Burgtbeater hat auf das szenen= und verwand¬
lungsreiche Stück — es dauert über vier Stunden —
außerordentlichen Fleiß gewendet. Schon nach dem
Vorspiel konnte der Regisseur, Herr Thiemig,
für den Dichter danken. Nach dem zweiten und
Fritlen Akte und nach dem Schlusse, konnte Schnitzlen
mehrmals erscheinen.
2—1.