22. Derjunge Medandus
„OBSERVER‘
l. österr. behördl.
konzessionirtes
Bureau
für Teitungsnachrichten
Konkoren
Vchrbpegr Hausin Nachrieher
25./001910
Theater= und Kunstnachrichten
München, 24. Rovember
2. lnder sunge Medarons“, die gewalte
ehalotersche Historie, Frachte bi der bane
genführung im Wiener Burgtheater
en Bicher einen groben Erfele Gesad
de Vartller der Haustrolleversagte. Erwans
— ——
Dür Zeitungenschrschten. 25. WUVENDER 1910
Wien, 1.
Konkordiaplatz 2
Berhine. Lochi cnzeige
* „Der junge Medardus“, Artur
Schnitzlers neues Stück, wurde gestern im Wiener
B#ryrater zum ersten Male aufgeführt. Wir
erhalten darüber das nachstehende Privat¬
telegramm:
Wien, 24. November, 11 Uhr 40 Min. nachts.
(Von unserem hl. =Korrespondenten.)
Schnitzler nennt sein Stück eine „dramatische
2
Historie". Sie spieli in der Zeit von 1809, also
im Jahre des Aufenthalts Napolcons in Schön¬
brunn. Der junge Medardus ist ein Bürgers¬
sohn, den ein seltsames Geschick in Verbindung
mit der Prinzessin Helene von Valois bringt, der
Tochter eines französischen Thronprätendenten,
der in Wien Asylrecht genießt. Das Burgtheater
mußte seine gesamten männlichen Schauspiel¬
kräfte und eine große Anzahl seiner weiblichen
Mitglieder aufbieten und außerdem noch mit
einem starken Aufgebot von Statisten ar¬
beiten, um die 73 Personen des Personen¬
verzeichnisses und das dazugehörige Volk
sowie Soldaten beider Heere usw. zu stellen.
Dem Publikum gefielen besonders die patrioti¬
schen und kriegerischen Szenen, wobei die eigen:¬
lichen Schönheiten, die Milieuschilderung und
insbesondere die Charakteristik des großmäuligen
und feigen Verhaltens der Wiener in dieser Zeit
weniger zur Geltung kommen. Die größte und
erschütterndste Leistung des Abends boten Frau
Römpler=Bleibtreu als Mutter des jungen Me¬
dardus und Herr Balajthy als jener Jakob
Eschenbacher, der, wie die Historie beglaubigt,
erschossen wurde, weil bei ihm Konterbande ge¬
funden worden war. Die für Kainz geschriebene
Rolle des jungen Medardus spielte Herr Gerasch
mit Feuereifer, aber in allzu gleichmäßiger De¬
klamation. In der Darstellerin der Helene von
Valois zeigte Fräulein Wohlgemut großes und
starkes, tragisches Können, das aber dieser Rolle
nicht ganz gerecht werden konnte. Zum ersten
Male seit langer Zeit war auch die Hofloge bei
einem Schnitzler=Stück besetzt. (Schnitzler hat be¬
kanntlich die Charge eines Oberarztes wegen sei¬
ner Novelle „Leutnant Gust!“ verloren): Erz¬
herzog Franz Ferdinand und seine Gemahlin, die
Herzogin von Hohenberg, wohnten dem letzten
Teil der Vorstellung bei.
box 26/5
Telephen 12.801.
„ODSERVER
1. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
In Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolls
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr).
Ausschnitt aus:
National Zeitung, Barlin
25.HUVLADER 1910
Cm.
7
— Artur Schnitzlers „Der junge Medardus“.
Heute finder in Wiener Burgtheater die Uraufführung von
Artur Schnitzlers historischer Tragödie „Der junge Medardus“
statt.
„Der junge Medardus“, die dramatische Historie von Artur
Schnitzler, hat den Dichter viele Jahre beschäftigt. Er hat sein
Werk in der ursprünglichen Fassung bereits Paul Schlenther
1•1
sehr#rt
überreicht. In dieser Form hätte die Aufführung sieben Stunden
gewährt. Schlenther empfahl dem Autor Kürzungen und Schnitz¬
ler befaßte sich während eines Jahres mit der Umarbeitung des
Stückes, das noch während der Proben manche Veränderung er¬
fahren hat. Das Burgtheater steht vor einer seiner schwierigsten
Aufgaben. Es gibt nur sehr wenige Bühnen, welche das Wagnis
einer Aufführung des „Jungen Medardus“ unternehmen können,
denn nicht so bald wird ein Theater in der Lage sein, die Vor¬
schriften des Stückes bloß hinsichtlich der Personenzahl zu er¬
füllen, ganz abgesehen von dem außerordentlichen szenischen
Apparat, den es verlangt. Den Technikern und Ausstattungs¬
künstlern hat „Der junge Medardus“ arges Kopfzerbrechen ver¬
ursacht.
Der Theaterzettel wird von einer ungewöhnlichen Länge sein.
In der Buchausgabe nimmt das Personenverzeichnis drei Oktav¬
seiten ein. 78 Einzelpersonen kommen vor, außerdem eine Menge
Volk. Mit Ausnahme von Baumeister muß das gesamte männliche
Personal mittun, und auch das genügt nicht, manche Komparsen
werden kurze Sprechrollen erhalten, und schließlich hat man sich
damit geholfen, daß einzelne Schauspieler zwei zeitlich voneinander
getrennte Rollen darstellen, ein Fall, der sich im Burgtheater zum
erstenmal ereignet. Natürlich wird diese Vorstellung der Hof¬
bühne große Kosten verursachen, die Spielhonorare erreichen eine
ungewöhnliche Höhe, die Löhne für die Bediensteten, die eine be¬
trächtlich verlängerte Arbeitszeit haben, erfahren eine Steigerung
und schließlich sind durch die lange Dauer der Vorstellung auch die
Beleuchtungskosten vermehrt.
Dichter, Direktor und Regisseur Thimig leiten seit vielen
Wochen die anstrengenden Proben, die das gesamte Personal von
%
10 Uhr vormittags bis in die späten Nawmittagsstunden bei¬
sammen hielten. Die Premiere mußte zweimal hinausgeschoben
werden. Einige Tage wurde die Bühne nur den Ausstattungs¬
1
skunstlern eingeräumt. Als man in der Vorwoche das Stück in
viereinhalb Stunden durchgespielt hatte, war man darüber sehr
froh, denn man dachte, daß bei einem möglichst raschen Tempo fünf
Stunden nötig seien.
„OBSERVER‘
l. österr. behördl.
konzessionirtes
Bureau
für Teitungsnachrichten
Konkoren
Vchrbpegr Hausin Nachrieher
25./001910
Theater= und Kunstnachrichten
München, 24. Rovember
2. lnder sunge Medarons“, die gewalte
ehalotersche Historie, Frachte bi der bane
genführung im Wiener Burgtheater
en Bicher einen groben Erfele Gesad
de Vartller der Haustrolleversagte. Erwans
— ——
Dür Zeitungenschrschten. 25. WUVENDER 1910
Wien, 1.
Konkordiaplatz 2
Berhine. Lochi cnzeige
* „Der junge Medardus“, Artur
Schnitzlers neues Stück, wurde gestern im Wiener
B#ryrater zum ersten Male aufgeführt. Wir
erhalten darüber das nachstehende Privat¬
telegramm:
Wien, 24. November, 11 Uhr 40 Min. nachts.
(Von unserem hl. =Korrespondenten.)
Schnitzler nennt sein Stück eine „dramatische
2
Historie". Sie spieli in der Zeit von 1809, also
im Jahre des Aufenthalts Napolcons in Schön¬
brunn. Der junge Medardus ist ein Bürgers¬
sohn, den ein seltsames Geschick in Verbindung
mit der Prinzessin Helene von Valois bringt, der
Tochter eines französischen Thronprätendenten,
der in Wien Asylrecht genießt. Das Burgtheater
mußte seine gesamten männlichen Schauspiel¬
kräfte und eine große Anzahl seiner weiblichen
Mitglieder aufbieten und außerdem noch mit
einem starken Aufgebot von Statisten ar¬
beiten, um die 73 Personen des Personen¬
verzeichnisses und das dazugehörige Volk
sowie Soldaten beider Heere usw. zu stellen.
Dem Publikum gefielen besonders die patrioti¬
schen und kriegerischen Szenen, wobei die eigen:¬
lichen Schönheiten, die Milieuschilderung und
insbesondere die Charakteristik des großmäuligen
und feigen Verhaltens der Wiener in dieser Zeit
weniger zur Geltung kommen. Die größte und
erschütterndste Leistung des Abends boten Frau
Römpler=Bleibtreu als Mutter des jungen Me¬
dardus und Herr Balajthy als jener Jakob
Eschenbacher, der, wie die Historie beglaubigt,
erschossen wurde, weil bei ihm Konterbande ge¬
funden worden war. Die für Kainz geschriebene
Rolle des jungen Medardus spielte Herr Gerasch
mit Feuereifer, aber in allzu gleichmäßiger De¬
klamation. In der Darstellerin der Helene von
Valois zeigte Fräulein Wohlgemut großes und
starkes, tragisches Können, das aber dieser Rolle
nicht ganz gerecht werden konnte. Zum ersten
Male seit langer Zeit war auch die Hofloge bei
einem Schnitzler=Stück besetzt. (Schnitzler hat be¬
kanntlich die Charge eines Oberarztes wegen sei¬
ner Novelle „Leutnant Gust!“ verloren): Erz¬
herzog Franz Ferdinand und seine Gemahlin, die
Herzogin von Hohenberg, wohnten dem letzten
Teil der Vorstellung bei.
box 26/5
Telephen 12.801.
„ODSERVER
1. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
In Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolls
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr).
Ausschnitt aus:
National Zeitung, Barlin
25.HUVLADER 1910
Cm.
7
— Artur Schnitzlers „Der junge Medardus“.
Heute finder in Wiener Burgtheater die Uraufführung von
Artur Schnitzlers historischer Tragödie „Der junge Medardus“
statt.
„Der junge Medardus“, die dramatische Historie von Artur
Schnitzler, hat den Dichter viele Jahre beschäftigt. Er hat sein
Werk in der ursprünglichen Fassung bereits Paul Schlenther
1•1
sehr#rt
überreicht. In dieser Form hätte die Aufführung sieben Stunden
gewährt. Schlenther empfahl dem Autor Kürzungen und Schnitz¬
ler befaßte sich während eines Jahres mit der Umarbeitung des
Stückes, das noch während der Proben manche Veränderung er¬
fahren hat. Das Burgtheater steht vor einer seiner schwierigsten
Aufgaben. Es gibt nur sehr wenige Bühnen, welche das Wagnis
einer Aufführung des „Jungen Medardus“ unternehmen können,
denn nicht so bald wird ein Theater in der Lage sein, die Vor¬
schriften des Stückes bloß hinsichtlich der Personenzahl zu er¬
füllen, ganz abgesehen von dem außerordentlichen szenischen
Apparat, den es verlangt. Den Technikern und Ausstattungs¬
künstlern hat „Der junge Medardus“ arges Kopfzerbrechen ver¬
ursacht.
Der Theaterzettel wird von einer ungewöhnlichen Länge sein.
In der Buchausgabe nimmt das Personenverzeichnis drei Oktav¬
seiten ein. 78 Einzelpersonen kommen vor, außerdem eine Menge
Volk. Mit Ausnahme von Baumeister muß das gesamte männliche
Personal mittun, und auch das genügt nicht, manche Komparsen
werden kurze Sprechrollen erhalten, und schließlich hat man sich
damit geholfen, daß einzelne Schauspieler zwei zeitlich voneinander
getrennte Rollen darstellen, ein Fall, der sich im Burgtheater zum
erstenmal ereignet. Natürlich wird diese Vorstellung der Hof¬
bühne große Kosten verursachen, die Spielhonorare erreichen eine
ungewöhnliche Höhe, die Löhne für die Bediensteten, die eine be¬
trächtlich verlängerte Arbeitszeit haben, erfahren eine Steigerung
und schließlich sind durch die lange Dauer der Vorstellung auch die
Beleuchtungskosten vermehrt.
Dichter, Direktor und Regisseur Thimig leiten seit vielen
Wochen die anstrengenden Proben, die das gesamte Personal von
%
10 Uhr vormittags bis in die späten Nawmittagsstunden bei¬
sammen hielten. Die Premiere mußte zweimal hinausgeschoben
werden. Einige Tage wurde die Bühne nur den Ausstattungs¬
1
skunstlern eingeräumt. Als man in der Vorwoche das Stück in
viereinhalb Stunden durchgespielt hatte, war man darüber sehr
froh, denn man dachte, daß bei einem möglichst raschen Tempo fünf
Stunden nötig seien.