II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 131

22. Derjunge Medandus
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Donau. Dort ereignet sich etwas, zwar nicht Welthistorisches, aber
sehr Menschliches. Die Schwester des Medardus hatte sich in den Sohn
eines französischen Exilierten, der Aurechte auf die französische Königs¬
krone zu haben meint, in einen Prinzen von Valois, verliebt, mit
allen Konsequenzen verliebt, und da die Prätendentenfamilie eine solche
Mesaliance nicht zugeben wollte, ging das junge Paar in die Donau
und wird just vor dem Abmarsch der Freiwilligen just bei der Schänke,
wo das Abschiedsfest gefeiert wird, herausgezogen. Der Anblick
der Leichen stößt des jungen Medardus' historische Absichten um.
Er läßt für sich einen anderen Narren in den Krieg ziehen und
bleibt in Wien, um die Schwester an dem Hause Valois zu rächen.
Aber er vergißt dabei, daß man die Rache kalt genießen muß, und
stellt auch dieses sein dramatisches Heldentum in Gefahr. Am Grabe
des unglücklichen Paares kommt es zu einem Zusammentreffen zwischen
ihm und der Prinzessin Helene Valois, die eine Art männlicher
Medardus ist. Auch sie bildet sich nämlich ein, eine historische Mission
zu haben und nunmehr, da ihr Bruder tot ist, Frankreich einen
legitimen Thronerben gebären zu müssen. Sie kommt, um dem Bruder
ein paar Blumen aufs Grab zu streuen. Medardus zwingt sie aber,
die Blumen fortzunehmen, weil sie die tote Schwester wie einen Hohn
empfinden könnte. Ein herzutretender Marquis Valois nimmt sich aber
in der bekannt ritterlichen Weise Helenens an, und so kommt es zu
einem Degenduell zwischen dem Rächer seiner Familienehre und dem
Marquis, der an dem Verhäugnis der beiden jungen Leute auch nicht
den geringsten Schuldanteil hatte. Das Duell zwischen den beiden
Ehrennarren endet mit Beider Verwundung. Und nun ereignet sich
wieder etwas Unerwartetes. Die kalte Prinzessin, die eben noch den
Marquis mit der ehrenden Aufgabe betraute, den jungen Medardus
kurz abzutun und ihm dafür ihre Hand versprochen, schickt dem ver¬
wundeten Plebejer die Rosen von dem Grabe des Selbstmörderpautes
als nicht miszuverstehende Liebesbotschaft. Jung Medardus ist intelligent
genug, eine solche Sprache zu verstehen und eilt, trotz seiner gefährlichen
Wunde in das Schlößchen der Valois, wo man eben die Verlobung
Helenens mit dem Marquis feiert. Medardus hat sich aber nicht ver¬
rechnet. Helene gewährt dem schönen Feinde ein ziemlich langes
Schäferstündchen, das in kommenden Nächten seine Fortsetzung findet.
Natürlich denken die beiden an nichts als an Rache, denn Medardus
will die Prinzessin in einem von ihm noch festzustellenden Augenblick
der Verachtung aller ihrer Untertauen preisgeben, die Prinzessin will
aber aus Medardus ein Werkzeug ihrer hochfahrenden Pläne machen.
Einstweilen bleibt aber das junge Paar bei der recht gründlichen
Vorbereitung dieser gewiß sehr angenehmen und bequemen Art von
Rache stehen. Inzwischen vollziehen sich historische Ereignisse. Der
jungverheiratete Marquis wird von Helene nach Frankreich geschickt,
um dert den Valois den Weg zum Throne zu ebnen, ohne jedoch die
Fingerspitzen seiner Frau berührt zu haben. In Wien rücken aber die
Franzosen und in Schönbrunn Napoleon ein, Bei Aspern wird die
berühmte Schlacht geschlagen, die mit einem glänzenden Sieg der