II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 132

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22. Dedandus
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österreichischen Armee und mit der Fortdauer des französischen
Regimentes in Wien endete. Medardus und Helene finden diese große
Zeit für eben angemessen, aneinander weiter in der angedeuteten
Weise Rache zu nehmen, und sie würden wohl noch lange dieses Glück
genossen haben, wenn nicht wieder äußere Ereignisse sie an ihr Helden¬
tum erinnert hätten. Napoleon, der den alten Valois für nichts als
für das nimmt, was er wirklich ist, für einen Narren, lädt ihn und
seine Familie höflich ein, ihm in Schönbrunn zu huldigen. Der alte
Narr lehnt natürlich hoheitsvoll ab. Marquise Helene geht aber nach
Schönbrunn mit der Absicht, dort einmal die Indith zu spielen. Bei
einem Konzert erklärt ihr Napoleon, daß er von allen ihren Anschlägen
wisse und gegen den Herzog nur deshalb nicht wie gegen den Herzog
von Enghien vorgehe, weil er die Valois eben nicht ernst nimmt. Im
Leben des Medardus ereignet sich gleichfalls überaus Großes; ein
Ohm, der bürgerliche Schlossermeister Eschenbacher, wird von den
Franzosen erschossen, weil er den Besitz von Landkarten verheimlicht
hat. Medardus' Mutter, die sich über die Wertlosigkeit der Existenz
des jungen Mannes keinen Täuschungen hingibt, sich selbst aber über
ihre wahren Antriebe ununterbrochen belügt, sucht ihren Sohn zu
bewegen, daß er sich für das Vaterland opfere und den grausamen
Tyrannen töte. Medardus, der von der Rache an den Valois etwas
übersätigt ist, schwört sich am Grabe des alten Eschenbacher, diese
große Tat zu vollbringen. Aber da kommt wieder Helene, um ihn zu
der gleichen Tat im Dienste der Valois zu dingen. Wie fatal! Nun
kann Jung=Medardus doch wieder nicht sein Heldentum betätigen,
denn nicht für die verflucht süßen Valois, sondern für das Vaterland
wollte er ja Napoleon ermorden. Gleichwohl schleicht er sich am Tage der
Friedensunterhandlungen nach Schönbrunn mit dem spitzen Mordstahl,
um?
um anläßlich einer großen Parade
Ja, was er dort
eigentlich will, ist ihm und anderen nicht klar — wahrscheinlich um,
wie die anderen, den großen Napoleon anzugaffen. Am Schlo߬
hof erfährt er, daß Helene inzwischen die Maitresse des Kaisers der
Franzosen geworden sei. Eben da Napoleon zur Revueerscheinen will und
die hohen Herrschaften sich herandrängen, um ihnen auch Helene,
sticht Medardus sie mit dem Dolche nieder und wird verhaftet. Man
sollte glauben, daß nun der Lüge Maß voll erschöpft wäre. Das
Stück hat bereits Stunden gedauert. Aber in den letzten Minuten
feiert die Selbstbetügung des Helden erst die wahre Orgie. Der junge
Medardus sitzt im Kerker und harrt des Todes, der ihn von seinem
Ekel über sich selbst erlösen soll. Das einzigemal ist er wahr gegen
sich. Aber nur eine Sekunde. Ein General Napoleons erscheint und
kündet ihm seine Freilassung an, weil er dem Kaiser das Leben
gerettet hat, denn es ist aufgekommen, daß Helene wirklich die Rolle
der Iudith spielen wollte. Medardus erklärt aber, daß er diese Frei¬
lassung nicht annehmen könnte, weil er wirklich Napoleon töten wollte.
Der General eilt zu Napoleon und kommt mit der Entscheidung
zurück, der Kaiser wolle ihm dennoch das Leben schenken, wenn er nur
verspreche, ihm, dem Kaiser, nicht weiter nachstellen zu wollen. In
überschrillt und überschminkt. Daher auch seine grellen bengalisch
beleuchteten Plakattitel: Der Clown, Das nackte Weib, Der Skandal,
Die törichte Jungfrau. Bernsteins Titel sind dagegen fast Lyrika,
er braucht sie nicht so rot anzustreichen, weil er von der Schlagkraft
des Textes überzeugt ist. Bataille ist es nicht, er braucht immer ein
Stimulans von außen her. Innen, auf dem Grunde seiner Theater¬
stücke erst werden seine zwei Leitmotive: Die Liebe als Zerstörerin
und (höhnisch gesagt) Liebe für's Leben sichtbar und lebendig. Der
Ramsch ringsum ist wie in allen seinen Stücken so auch in der törichten
Jungfrau erlogen und eigentlich unwesentlich. In der Aufführung
dern drost