II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 139

22. Denjunge Nedandus
Lötter
kone
Bureau
für Zeitungenachlie
Wien,
Konkordient.
Neuigkeits Weitblatt,
Z.6 NOV 1910
Im Hofburgtheater wurde gestern die dramatische
Historie „Der junge Medardus“ von Artur
Schnitzler zum erstenmal aufgeführt, und zwar, wie
wir gleich von Pöruherein betonen wollen, mit einem
sowohl für den Dichter wie auch für das Burgtheater
überaus ehrenvollen Erfolg. Die gestrige Premiere an
unserer Hofbühne war ein künstlerisches Ereignis, wie
schon seit langer Zeit keines zu verzeichnen war, und
im Publikum empfand wohl ein jeder Frende darüber,
daß er bei diesem Erfolg mit Gevatter stehen konnte.
Geschlagene fünf Stunden, von ½7 Uhr abends
bis eine halbe Stunde vor Mitternacht, dauerte die
Vorstellung. Es machte sich aber bei niemandem auch
nur die geringste Ermüdung bemerkbar, dinn die an
frischer dramatischer Handlung überreiche Dichtung, die
meisterhafte Darstellung, die dem Werk zuteil wurde,
und die glänzende Ausstattung ließen bei keinem ein.
solches Gefühl aufkommen. Hätte die Aufführung noch
eine Stunde länger gedauert, so hätte das Anditorium
sicher ebenso hingebungsvoll ausgeharrt. Wir werden
auf das Werk und seine Bedeutung noch ausführlich
zurückkommen und beschränken uns heute auf die Fest¬
stellung der Tatsache, daß die gestrige Premiere in der
Chronik des Hofburgtheaters an einer Ehrenstelle ver¬
zeichnet werden muß und daß Direktion, Spielleitung
(Heir Thimia) und alle Darsteller stets mit Stolz
des gestrigen Abends gedenken können. Die Aufführung
ist bis ins kleinste Detail durchdacht und jede der zahl¬
reichen Figuren — auch die unbedeutenden — mit liebe¬

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Wehe„„ „ 0
voller künstlerischer Sorgfalt herausgearbeitet worden. So
kam eine Darstellung zustande, die jeden Freund unserer
Hofbühne mit Stolz, Freude und Befriedigung erfüllen
mußte. Die Palme des Abends errang Frl. Wohl¬
gemuth, die — um nur wenige Worte zu gebrauchen
in der schwierigen und umfangreichen Rolle der
Prinzessin und späteren Marquise von Valois eine herr¬
liche Meisterleistung bot. Herr Gerasch gab in der
für Kainz geschriebenen Titelrolle sein Bestes, obwohl
er zuweilen Individual tät vermissen ließ. Ganz ausge¬
zeichnet waren Frau Bleibtreu als Buchhändlers¬
witwe Klähr, Herr Balajthy als Sattlermeister
Eschenbacher und Herr Treßler, der den schlichten,
ehrlichen und warmherzigen Geschäftsleiter Etzelt mit
prächtiger Wirkung spielte. Herr Korff als Del katessen¬
händler Wachshuber, Herr Arndt als Arzt Bündiger.
Herr Straßni als „uralter Herr“ und Herr Thimig
als Kerkerm ister schließen sich den Genannten mit ihren
künstlerischen Darbietungen würdig an. Von den Damen
ist noch mit Worten uneingeschränkten Lobes Fräukein
Hönigswald (Herzogin Valois), Fräukein Ho
teufel (Kammermädchen Nerina), Frau Meldelsly
(Agathe Klähr) und Frau Mell (Anna Vergen zu—
gedenken. Schöne Leistungen von großer Wirkung boten
noch Herr Hartmann (Herzog Valois), Deortent
(Marquis von Valois) und Herr Reimers (General
Rapp). Der Dank des begeisterten Publikums für den
ihm gebotenen Genuß äußerte sich in stürmischem Bei¬
fall nach j dem der fünfzehn Bilder und in zahlreichen
Hervorrufen des Dichters. — Der Vorstellung wohnren
Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand mit
seiner Gemahlin Herzogin Hohenberg und Erz¬
A
herzog Karl Stefan bei.
Artur Nikisch — leitender Kapellmeister der
box 26/5
Telephon 12.801.
„SSSENTEK
1. österr. beh. konz. Unternehmen für Zeitungs¬
Ausschnitte und Bibliographie.
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Brüssel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus:) 1910.
2.6 Ng- Schönaner Anzeiger
vom:
Teplitz, Böhmen
Joh. Reichert.
[Schnitzler'sF, Medardus.“] Im Burg¬
heater hat Donnerstag die Premiere der aus einem
Vorspiel und fünf Aufzügen mit 17 Verwandlungen
bestehenden dramatischen Historie „Der junge Me¬
dardus“ von Arthur Schnitzler stattgefunden.
Dieses Werk ist vom Dichter schon seit Jahren kon¬
zipiert, und der intimere Kenner seiner Produktion
wird vielleicht stoffliche Zusammenhänge zwischen
dem neuen Drama und einem früheren, dem „Ru##
des Lebens“, entdecken. Hier wie dort hat Schnitzler
ein altösterreichisches Volksstück geschrieben, hier wie
dort ist die Stimmung der hitzige Euthusiasmus
einor Jugend, die stets am Rande des Todes stoht,
und von Liebesleidonschaft und militärischen Mas¬
senszenen ist die dramatische Atmosphäre des ganzen
erfüllt. „Der junge Medardus“ spielt in dem Wien
vom Jahre 1809, das zum zweitenmale die Armee
Napoleons vor den Toren der Kaiserstadt weiß. Als
Repräsentant der Wiener Jugend ist von Schnitzler
die Hauptperson, der junge Modardus Klähr, ge¬
dacht. Seine Schwester Agathe ertränkt sich gemein¬
sam mit dam Prinzen Franz von Valois, dem Sohne
eines blinden Horzogs, der in Wien lebt und An¬
sprüche auf den französischen Thron macht. Das
Liebespaar geht in den Tod, weil der Herzog dem
Bunde Agathens und Franzens die Zustimmung
verweigert. In dassolbe Wintshaus an der Donau,
wo Modardus und die anderen jungen Kvieger ein
Abschiedsgelage veranstalten, werden die Leichen ge¬
bracht. Von da ab hat Medardus nur noch don
einen Wunsch, sich an der Sippe der Valois zu rä¬
chen. Er verführt Helene, Franzens Schwester, und
als Helene dann in Schönbrunn die Geliebte Napo¬
leons wird, beschließt Medardus diesen zu ermor¬
den. Aber anstatt ihn zu treffen, ersticht er Helene
selbst. Er soll hingerichtet werden. Eine Begnadi¬
gung wird ihm angeboten, wenn er verspricht, dem
Kaiser nicht mehr nach dem Lebon zu trachten, aber
er weigert sich, und so wird er füsillert. Die Trai¬
gödie erfordert ein ungshaueres Ausgebot, jedes Bild
beansprucht einen riesigen szenischen Apparat. Ganze
Schlachten werden auf der Bühne geschlagen. Elf
Personen werden getötet, und ein ganzes Regiment
von Darstellern (das Stück enthält 76 Solopartion)
tritt auf den Plan. Am Burgthaater war das Her¬
renensemble rostlos aufgeboten, nur Baumeister, der
Veteran, wirkte nicht mit.
(Unseres Landsmannes Arthur
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