II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 151

M
22. bejungdardus
Telephon 12.801.
JODSERTER
I. Seterr. behürdl. konz. Unternehmen für Zeitunge-Ausschaltts
Wien, I., Conoordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolls,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Onelienangabe ohne dew übr).
auschait ams Prager Tahbiar
6.11 1070
vom:
Die Wiener Kritik über
schnitzlers „Medardus“.
Hugo Willmann schreist in der „Neuen
Fceien Presse“: .... Der Dichter wollte zweierlei:
einen interessanten Liebesromankerzählen und zugleich
die ganze Historte des Jahres 1800 mit all seinen
Nöten und Fährden in den Rahmen der Bühne ein¬
fangen. Doch dem Roman war schon der Atem aus¬
gegangen, als die Historie kaum begonnen. Der dritte
Akt bringt erst die Beschießung der Stadt, und schon
ist unsere Teilnahme für Medardus und seine Prin¬
zessin erkaltet. ... Der ganz unhistorische Spuk ver¬
dampft schließlich in der Luft, woher er gekommm.
Ungleich besser geriet das Wienerische in dem Stück.
Wiener Stube, Wiener Gasse, überall fühlt man sich
zu Hause. Von den vielen Volksszenen sind fast alle
ausgezeichnet Auf dieses illustrierende Beiwerk, das
scheinbar Nebensächliche, verwendet der Dichter die
größte Sorgfalt, es wird uns zur Hauptsachs.Die
*
Gefahr, ins Senfati#nsdrang, iue Aseer.
zu entgleisen, lag sehr nahe. Doch nie vergißt der
Dichter sich selbst oder doch nur in selienen Augen¬
blicken, wo auch er an dem derberen Theaterwesen
zuviel Gefallen findet. Davon abgesehen bleibt er bis
zum Ende ein vornehmer Mann, voll feiner poetischen
Empfindung, voll Geist, zur rechten Zeit voll d#s
besten Humors. Wer ihm folgt, hat Mühe, alle. Blu¬
men und Blüten aufzulesen, die er während der lan¬
gen Fahrt an den Weg streut.“
Max Burckhardt sagt im „Fremdenblatt“:
„Die Dicotung übte tiefe Wirkung und lebhafter Bei¬
fall zeichnete den Dichter und die Darsteller aus. Am
stärksten war er nach der Friedhofsszene, der Szene
auf der Bastei, der Liebesszene und den Szenen am
Glacis und im Gefängnis. Ein Glück für Schnitzler,
daß Napoleon und seine Mucht in der Zeit von 1800
bis heute doch schon dahingegangen sind. Sonst wärr
mir für Schnitzlers Leben ernstlich bange
falls
ihm nicht etwa durch dee revoltierende Vorführung
der empörenden Bretalität des Napoleonischen De¬
spotismus in dem Bild „Am Glacis“ doch gelungen
wäre, mit seiner Dichtung zur erfolgreichen Ausfüh¬
rung der Tat aufzureizen, die er selber Medardus
und Helenen nur pleien ließ. Das Zeug zu solch
„dramatischer Historie“ hätte er ja.“
Felix Salten in der „Zeit": „... Das Wert¬
volle an diesem Werk: seine Buntheit des Lebendigen,
seine Fülle der Gestalten. Die Kunst, Verknüpfungen
des Schicksals zu zeigen. Die dichterische Kraft, die
alle Szenen ganz leise von der Wirklichkeit abrückt,
und sie doch in jedem Wort, in jedem Augenblick mit
einem bestrickenden Zauber des Notwendigen und Na¬
türlichen aufleuchten läßt. Die Atmosphäre, die öster¬
reichisch ist, wie etwa Haydns „Lott erhalte...“
Dann noch die Weisheit, die immer und immer wie¬
der auf die schicksalsstarke Verteilung der Rollen in
der großen Weltkomödie hinweist.“
Vinzenz Chiavacci in der „Oesierr. Volks¬
3ig.“: „... Die Dichtung, die an vielen Stellen
starke Wirkung erzielte, leidet an Hypertrophie der
Phantasie und Gestaltungskraft, wodurch das Ganze
ins Uferlose wuchs und die harmonische Ausgestal¬
tung einer einheitlichen Handlung einschränkte. Die
szenische Führung und das von dichterischem Hauch
durehdrungene Wandelbild großer Ereignisse sichern
ihr aber das Interesse des Publikums.“
Pernerstorfer in der „Arbeiterzeitung":
.... Aus allem leuchtet die große Begabung Arthur
Schnitzlers hervor, der immer zu fesseln und anzu¬
ziehen versteht, auch wenn er schwer zu übersehende
Fehler macht.“
box 26/5
„OBSERVER“
L. österr. behördl.
konzersieuirtes
Bureau
für Zeitung enncheichten
Wies
Konkurdisplatz 4
26. MOV. 1910
Linzer Tagespost
Dierkes.

24
— „Der junge Medardus.“ S
s neues
Stück mit den unzähligen Personen und Jhrkasen Zwischen¬
akten „Der junge Medardus“ ist gestern im Burg¬
theater zum erstenmal aufgeführt worden. Die Vorstel¬
lung begann um halb 7 Uhr und dauerte bis halb 12 Uhr.
Das Stuck ist eine Historie aus dem Jahre 1809 und bot
eine glänzende Ausstattung, um die sich insbesondere der
Maler Le Vler verdient gemacht hat. Der Dichter wurde
ebenso wie die Darsteller stürmisch gerufen.
Das „N. Wr. Tabl.“ meldet: Artur Nikic#.
I. österr. beh. konz. Unternehmen für Zeitungs¬
Ausschnitte und Bibliographie.
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Brüssel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters.
burg, Toronto.
(Guellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus:
Zeitviang
Reint
vom:
28. Nav. 1910
(„Der junge Medardus“) von Artur
C
Wr. Am 24. Juni 1809 wurde in Wien
ingen am Bodensee eingewanderte
Sattlermeise Eschenbach erschossen, weil er Ka¬
nonen=Rohre aus dem bürgerlichen Zeughaus dem
Verbot des französischen Heeres=Kommandos zu¬
wider in seinem Garten eingegraben hatte. Der
Wiener Literarhistoriker Arnold, dem wir auch (im
11. Band der Schriften des Literarischen Vereins)
die Gabe: „Achtzehnhundertneun. Die politische
Lyrik des Kriegsjahres“ verdanken, hat zum 100.
Gedenktag der Hinrichtung Eschenbachs am 24.
Juni 1909 im Amtsblatt der Wiener Zeitung, den
Wortlaut des kriegsgerichtlichen Urteils mit dim
Zusatz drucken lassen: Genaueres wisse man nicht,
doch wäre zu hoffen, daß Dichter wie Bartsch oder
Ertl den Stoff aufgreifen und ausgestallen wür¬
den. Als Arnold viesen Wunsch äußerte, ahnte er
nicht, daß Artur Schnitzler längst um dieses
frei weiter entwickelie Motiv eine Historie „Der
junge Medardus“ geschrieben. Eschenbach
(nach dem eine Wiener Straße getauft ist) heißt bei
Schnitzler Eschenbacher: es ist der Onkel des jungen
Medardus. Dieser Inhaltsangabe läßt sich nicht
der Reichtum der Haupt= und Neben=Handlung, die
Fülle der Genrebilder absehen, in denen Schnitzler
die Wiener Bevölkerung, die Zustände zwischen den
Schlachten von Aspern und Wagram mit feiner,
fester Hand zu malen gesucht hat. über fünf Stun¬
den währte die Uraufführung des Stückes im
Burgtheater. Regie und Schauspieler leisteten eine
Riesenarbeit, und das Publikum, das Schnitler
vom Anfang an wärmstens entgegenkam, nahm das
ganze Werk ungemein wohlwollend auf.