II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 162

22. DeuneMe
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3.8 NOV. 1910

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glänzenden Einzelheiten und an dichterischen Schön¬
heiten, aber auch an dichterischen Schwächen. Ein
fühlbarer Mangel des Dramas ist vor allen Din¬
gen, daß ein eigentlicher Held fehlt. Der junge Me¬
dardus ist kein Held, kein Mann dre Tat. Dieser
seltsame Held“ wie ihn der Dichter in dem Adju¬
tanten Napoleous, General Rapp, binstellt. kennt
nur die Konsequenz der Inkonsequenz. In keiner Si¬
tuation des Dramas, das in Wien 1800 zur Zeit der
Einnahme Wiens durch die Franzosen spielt, han¬
delt er so, wie er handeln sollte oder müßte. Der
Dichter wollte den Typ des Wieners zeichnen, der sich
an Worten berauscht. Das Drama ist eine der blu¬
tigsten Satiren auf das Wienertum, die je für die
Bühne geschrieben worden sind. Die Aufnahme des
interessanten Stückes war sehr wohlwollend, aber
nicht enthusiastisch. Nach dem Vorspiel dankte der
Regisseur, nach dem zweiten und dritten Akte und
erscheinen.
am Schlusse konnte Schnitzter selbst mohrere Male
Dresdner General-Anzeiger
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Dresden
tlers „Der
)( Die Uraufführung von Arthur
junge Medardus“. Arthur Schnitzlers Prämälische Historie
„Der junge Medardus“ erlebte vorgestern im Wiener Burg¬
theater ihre Uraufführung. Das Werk, das ursprünglich auf
7 Stunden Dauer berechnet war, ist jetzt auf 5 Stunden gekürzt
worden. Es enthielt über 70 Rollen und stellt daher an die
Aufführung die höchsten Ansprüche, denen das Burgtheater voll¬
auf gerecht wurde. Die Hauptrolle, die für Kainz geschrieben
wurde, wurde von Gerasch kaum vollkommen ausgeschöpft, die
Volksszenen waren dagegen vortrefflich dargestellt und errangen
lebhaften Erfolg, doch machte sich gegen Ende der Vorstellung
eine starke Ermüdung des Publikums geltend. Immerhin war
die Aufnahme mehr als ein Achtungserfolg.
box 26/5
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Brüssel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Geni, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-Vork, Paris, Hom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aossische Zeltung. Berlin
26.HOULRSER 1910
vom:
Theater und Musik.
„Der junge Medardus“ von Arthur Schnitzler im Burg¬
theater. Wien, 25.November. (Eig. Mitt.) Eine dramatische Historie
nennt Schnitzler seinen „Jungen Medardus“. Man könnte das Werk zu¬
treffender als romantisch=historisches Altwiener Volksstück bezeichnen.
Das würde keine Herabsetzung bedeuten. Grillparzer sagte, man
merke seiner „Ahnfrau“ dem „Traum ein Leben“ und anderen seiner
Dramen an, daß er in Kidertagen an Gespenster= und Zauber¬
komödie sich nicht sattsehen und =lesen konnte; Schnitzler hat ver¬
mutlich bewußt und unbewußt aus frühen Theatereindrücken und
Jugendgeschichten, vielleicht auch aus mündlicher Überlieferung keim¬
kräftige Auregungen empfangen für eine Wiener Bilder=Chronika
des Jahres 1809. Deutsche und französische Handwerker haben
historische Spektakelstücke fertig gebracht, in denen wahrhaftige große
und anekdotische Weltbegebenheiten mit freierfundenen Liebes¬
romanen sich verflechten. Weshalb sollte ein künstlerisch bildender
Geist nicht diese behauene Form aufgreifen, veredeln,
stilisieren? Das Wienertum in vielgestaltigen Abwandlungen:
tapiere, opferfrohe Bürger; Zungendrescher; Gaffer; Achsel¬
träger; Spitzeln und Naderer (Angeber); Patrioten und
Dutzendmenschen zeigt Schnitzler, ernst= und scherzhaft, zornig und
spöttisch als guter Kenner seiner Landsmannschaft., Und jedes
Männlein und Weiblein in diesem Beichtspiegel trägt das Meister¬
zeichen Schnitzlers. Sein Sattlermeister Eschenbacher mit der eben¬
bürtigen Schwester Klähr sind tüchtige kernfeste Naturen, wie sie
1809 und gottlob auch 1909 noch in Wien gedeihen. Immer in der
Minderzahl gegen die Erfolg=Anbeter, die 1809 Kaiser Franz und
morgen Napoleon und 1909 am liebsten Kaiser Joseph und Lueger
zugleich bejubeln. In diesen scharfen Charakteristiken und genrehaften
Zwischenspielen steckt nach meinem Dafürhalten der eigentliche Reiz
und Wert des „Jungen Medardus“. „Das Volk“, die Massen,
tragisch und komisch in mannigfaltigen Spielarten abgestuft, in den
Geschwistern Eschenbacher und Frau Klähr nicht ohne Größe sind
die Helden der Schnitzlerschen Historie; glaubhäft gut gesehen,
sicher vor Augen gestellt. Leider vermag ich ein Gleiches nicht von¬
dem Liebes=Roman zu melden, der — wiederum wie in so manchem
Altwiener Volksstück — eine verstiegene Prinzessin (oder mindestens
Gräfin) und einen extravagierenden Bürgerssohn zu beider¬
Der junge Medardus,
seitigem Unheil zusammenführt.
von Anfang ein redseliges Blut, will als Freiheitskämpfer in
den Krieg zieben. Unmittelbar vor dem Abmarsch e fährt er, daß
wiederum Altwiener Volksstück — seine Schwester mit dem Sohn
eines emigtirten französischen Herzogs, ihrem Verführer, sich in der
Donau ertränkt hat, weil der Vater ihres Geliebten aus Standes¬
vorurteil ihre Ehe verboten hat. Keinen Augenblick denkt Medardus
oder irgendwer in seinem Kreise daran daß mit seiner
Schwester auch der Herzogssohn freiwillig zu ausgiebigster
um
er bleibt daheim,
Buße in den Tod gegangen:
sich an der ganzen Familie des Herzogs, zunächst in der Person der
Herzogstochter, zu rächen. Diese Dame (herrlich von Fräulein
Wolgemuth gespielt) ist ein Überweib, abwechselnd eiskalt und
liebestell, ehrsüchtig und menschenverächterisch, Kronprätendentin und
Siegespreis für jeden blaublütigen oder plebejischen Mord¬
buben, der zugunsten ihrer Pläue Napoleon aus der Welt
aus dieser Herzogs¬
Ich gestehe, als ich
schaffen will.

tochter und ihrer ganzen Umgebung, einer freien, sehr
freien Phantasie über Motive nach royalistischen Verschwörungen
jener Zeiten, nicht klug geworden bin. Aus der Lektüre des Stückes
so wenig wie aus dem Theater. Der starke Rückhalt, den Schnitz¬
ler mit Recht bei jedem Theaterpublikum nicht nur seiner alten
Leistungen halber findet, hat auch bei der gestrigen Uraufführung
des „Medardus“ alle Proben bestanden. Die Leute gingen nicht
durchweg mit in den abenteuerlichsten Verwicklungen der Liebes¬
und Verschwörer=Händel.
Das Ansehen und die Beliebtheit
Schnitzlers wurde gleichwohl aller Zweifel und Bedenken Herr.
Der Dichter wurde wiederholt stürmisch gerufen. Bedeutenden
Anteil an diesem Siege hat das Burgtheater, obenan die Leiter der
Vorstellung: Alfred Berger und Thimig. Meisterhaft war der
Eschenbacher des Herrn Balafthy, die Witwe Klähr der Frau
Römpler=Bleibtren. Einen besonderen Beifall holte sich
Herr Arndt in der Episode eines Arztes, dem just sein einziges
Kind gestorben ist, nachdem ihn seine Frau verraten hat (keines
der geringsten Portrats in Schnitzlers reicher Galerie von Arzten,
in der ebensowenig der französisché weltkluge Arzt des Hr. Heine
vergessen sein soll.) Mustergültig erschienen die Wiener Typen: der
Denunziant des Herrn Korff, die Spießer Sommer, Baum¬
gartner, Heller. Eine schauspielerische Offenbarung war die
bereits vorhin gerühmte Herzogstochter des Frl. Wolgemuth. Un¬
gleich, zwiespältig und nicht überzeugend, wie bei Schnitzker, erschlen
der Medardus des Herrn Gerasch. Die Maler des Burgtheaters
hatten ein entzückendes Altwiener Bilderbuch (Basteien, Glacis,
Prater=Schenken, Schönbrunn) zur Schau gestellt.
Führer und
Truppe des Durgtheaters haben einen sauer verdienten Triumph
zu verzeichnen.