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gehend aus. Die Einzelheiten lesen sich recht hübsch, aber man weiß
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Der wahrhaftige Medardus.
nicht recht, ob man sie alle glauben soll. Denn erstens begeht Ro¬
vigo die Ungenauigkeit, das Ereignis in das „Ende des Sep¬
Der richtige Phantast Friedrich Staps, das historische Urbild
tember“ zu verlegen, zweitens hat er, wie überhaupt in seinen
des Phantasten Medardus, den Artur Schnitzler mit seiner „drama¬
Memoiren, so namentlich an dieser Stelle, das Bestreben, sich in
tischen Historie“ zur Diskussion stellt, wird vurch das Sensationsstück
den Vordergrund der Weltgeschichte zu rücken. Rovigo also be¬
des Wiener Burgtheaters in suggestive Erinnerung gebracht. Vier
richtet, daß der junge Attentäter, der sich zuletzt in schlechtem Fran¬
Tage vor Napoleons Abreise, drei Tage vor Abschluß des Wiener
zösisch an Napoleon wandte, als ob er etwos zu ihm sagen hätte
Friedens, am 12. Oktober 1809*), versuchte der junge Friedrich
und von diesem an General Rapp gewiesen wurde, doch wieder auf
Staps aus Erfurt an Napoleon in Schönbrunn ein Attentat. Die
einem Umwege sich dem Kaiser näherte. „Ich kann Sie nicht ver¬
trockene historische Darstellung des Vorfalles ist folgende: Als
stehen, sprechen Sie mit General Rapp,“ bemerkte nochmals
Napoleon von den Stufen des Schlosses in den großen Hof zur
Napoleon. Da griff der Jüngling mit der rechten Hand nach der
Revue herabschritt, drängte sich Staps durch die Zuseher und suchte
Brust, als ob er eine Bittschrift hervorholen wollte. Der Fürst von
so nahe als möglich an den Kaiser zu kommen. General Rapp, der
Neuchatel kehrte sich nun gegen ihn mit den Worten: „Mein Herr,
immer vor Napoleon herging, bemerkte die stechenden Blicke und
Sie wählen sehr schlecht Ihre Zeit; man hat Ihnen gesagt, daß
die Verwirrung des jungen Mannes. Er ließ ihn ergreifen und
Sie sich an General Rapp wenden sollen“ und übergab ihn dem¬
man fand in seinem Rocke ein langes Messer. Befragt, was er
selben Gendarmerieoffizier, der ihn schon einmal aus dem Kreise
damit wolle, erklärte er unumwunden, daß er von Erfurt hergereist
geführt hatte. Als der Eindringling von einem Gendarm etwas
sei, um Napoleon zu ermorden und der Welt Frieden zu schaffen.
fester angegriffen wurde, entdeckte man unter seinem Rocke einen
Auf alle Fragen, die Napoleon selbst an ihn stellte, antwortete er
harten Gegenstand. Es war ein großes, neues Küchenmesser, das
gefaßt und ruhig, doch mit einem Anstrich von Schwärmerei, und
in mehreren Bogen „grauen Papiers“ gewickelt war. Die Gendarmen
als ihn der Kaiser endlich fragte, wenn er ihn zu sich nähme und
führten Staps zum Herzog von Rovigo. Dieser sah einen 18= bis
ihn mit Wohltaten überhäufe, ob er ihm dann ein treuer Diener
19jährigen Burschen mit mädchenhaften Zügen vor sich. „Er hatte
sein wolle, war die schnelle Antwort: Er werde immer zu seinem
es unternommen, den Kaiser zu töten, weil man ihm gesagt hatte,
festen Entschluß zurückkehren. Diese Antwort schien dem Kaiser so
daß die übrigen Herrscher nie mit ihm Frieden haben wurden; und
extravagant, daß er den jungen Mann seinem Arzte Corvisart
da der Kaiser stärker als sie alle war, wollte er ihn töten, damit
übergab. Dieser erklärte Staps für normal. Er wurde hierauf vor
Friede werde.“ Man fragte ihn, welche Art Schriften er am liebsten
ein Kriegsgericht gebracht und auf freiem Felde bei der Wiener
lese. Er antwortete: „Die Geschichte, und in all dem, was ich ge¬
Mariahilferlinie, hinter der Oesterreichischen Gewehrfabrik, er¬
lesen, hat mir nur die „Jungfrau von Orleans“ gefallen, weil sie
schossen. Adolf Schmidl in seiner Schilderung Schönbrunns (Wien,
Frankreich von dem Joche seiner Feinde befreit hatte; und ich
1839) bestätigt die Tatsache und fügt noch hinzu, daß die Toten¬
wollte ihr nachahmen.“ Er war von Erfurt bloß in diesem Ent¬
listen der zuständigen Pfarre Braunhirschen den Namen Staps nicht
schlusse abgereist, indem er ein Pferd seines Vaters mit fortführte;
enthalten, ferner die Stelle, an der er erschossen wurde, sowie sein
die Not hatte ihn gezwungen, es unterwegs zu verkaufen. Seinem
Grab nicht mehr zu ermitteln sind. Der Graf von Las Cases,
Vater hatte er geschrieben, daß man bald von ihm hören werde. Er
Napoleons treuer Gefährte auf Sankt Helena, hörte im April des
hatte sich zwei Tage in Wien aufgehalten und war schon früher
Jahres 1816 den von seiner Glorie Herabgestürzten selbst über dieses
einmal bei der Parade gewesen, um seine Rolle zu studieren und
Attentat sprechen:
zu sehen, wo er sich hinstellen könnte. Als er alles ausgeforscht
„Der fanatische junge Mann von Schönbrunn,“ sagte der
hatte, kaufte er bei einem Messerschmied dieses große Küchenmesser,
Kaiser, „war der Sohn eines protestantischen Predigers von Erfurt,
welches man bei ihm fand, und ging zur Parade, um seinen An¬
der ungefähr zur Zeit der Schlacht von Wagram den Kaiser bei
schlag auszuführen.
öffentlicher Parade zu ermorden beschlossen hatte. Es war ihm
in“ k86
„Während mir, fahrt Rovigo fort, „der junge Mann dieses
bereits gelungen, durch den ersten Kreis der Soldaten, die ihn vom
Geständnis machte, zog die Parade vorüber und ich traf den Kaiser
Kaiser entfernt hielten, zu dringen; er war schon zwei= oder dreimal
erst wieder in seinem Kabinett, um ihm von der Gefahr Nachricht
aus seiner Nähe zurückgedrängt worden, als der General Rapp, bei
zu geben, welche ihm gedroht, ohne daß er es vermutet hätte. Der
einem wiederholten Versuch, ihn mit der Hand zurückzutreiben, auf
General Rapp hatte ihm schon davon erzählt, doch wollte er es
etwas Besonderes unter seinem Kleide stieß, das man als ein
nicht glauben, bis ich ihm das Messer zeigte, worauf er mit halb
spitzes, zweischneidiges Messer von anderthalb Fuß Länge erkannte.
spöttischer Miene antwortete: „Ei! es scheint doch etwas daran zu
Der Kaiser schauderte beim Anblick desselben; es war nur in eine
sein, bringen Sie mir den jungen Mann her, ich will ihn sehen.“
einfache Zeitung gewickelt. Napoleon ließ den Mörder in sein
Er behielt die Generale bei sich, welche der Parade beigewohnt
Kabinett bringen, er berief den Leibarzt Corvisart und befahl ihm,
hatten und sprach mit ihnen vom Attentat.
den Puls des Verbrechers zu fühlen, während er mit demselben
sprechen würde.
Als der Kaiser den jungen Mann eintreten sah, wurde er
Der Mörder blieb immer unerschüttert, gestand seine Absicht
vom Mitleid ergriffen und sagte: „O, o, das ist nicht möglich, es
mit fester Stimme und führte öfters Stellen aus der Bibel an.
ist ja noch ein Kind.“ Darauf fragte er ihn, ob er ihn kenne. Jener
„Was wollen Sie von mir?“ sagte der Kaiser zu ihm. — „Sie
antwortete, ohne zu wanken: „O ja, Sire. Der Kaiser: „Und wo
— Staps: „In Erfurt, Sire, den ver¬
töten.“ — „Was habe ich Ihnen getan? Wer hat Sie auf dieser
haben Sie mich gesehen?“
Welt zu meinem Richter aufgestellt?“ — „Ich wollte dem Kriege
— Der Kaiser: „Warum wollten Sie mich
gangenen Herbst.“
.. Der Kaiser versuchte vergebens, eine Er¬
ein Ende machen.“
— Staps: „Sire, weil Ihr Genie zu sehr dem Ihrer
töten?“
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schütterung in ihm hervorzubringen. „Reut Sie Ihre Tau. sagte
Feinde überlegen ist und Sie unserem Vaterlande zur Plage ge¬
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— „Würden Sie sich derselben nochmals
er zu ihm. — „Nein.“
macht hat.“ — Der Kaiser: „Aber ich habe den Krieg nicht ange¬
— „Wenn ich Sie aber begnadige?“
unterziehen? — „Ja.“
fangen, warum töten Sie nicht den Angreifer? Das wäre gerechter!“
„Hier“ sagte Napoleon, „behauptete doch die Natur einen Augenblick
Staps: „O nein, Sire, Ihre Majestät haben nicht den Krieg be¬
ihre Rechte und das Gesicht und die Stimme dieses Menschen ver¬
gonnen, aber da Sie immer stärker und glücklicher als die anderen
änderten sich vorübergehend.“— „Dann,“ sagte er, „würde ich
Herrscher zusammen sind, so war es leichter, Sie zu töten, als so
glauben, daß Gott es nicht mehr wollte.“ Allein er verfiel gleich
viele andere, Ihre Feinde, umzubringen, welche nicht so sehr zu
darauf wieder in seinen Starrsinn. Man setzte ihn 24 Stunden fest,
Der
fürchten sind, weil sie weniger Geistesfähigkeiten besitzen.“
ohne ihm Essen zu geben; der Arzt untersuchte ihn nochmals; man
Kaiser: „Wie hätten Sie es angefangen, um mich zu töten?“ —
verhörte ihn von neuem, alles war vergebens; er blieb immer der
Staps: „Ich wollte Sie fragen, ob wir bald den Frieden haben
gleiche Mensch, oder vielmehr ein wahres wildes Tier, und man
würden, und wenn Sie mir nicht geantwortet hätten, so würde ich
überließ ihn seinem Schicksal.“
das Messer in Ihr Herz gestoßen haben.“ — Der Kaiser: „Aber
Dies die Daxstellung bei Las Cases, von der man annehmen
die Soldaten, die mich umgaben, würden Sie angehalten haben,
kann, daß sie der Erinnerung Napoleons an das Begebnis im
ehe Sie mich hätten treffen können, und Sie darauf in Stücke ge¬
wesentlichen entspricht.
— Staps: „Ich war darauf gefaßt und bereit, zu
hauen haben.“
Der Herzog von Rovigo läßt sich über das Attentat ein¬
Der Kaiser: „Wenn ich Ihnen die Freiheit göbe, würden
sterben.“
1 Sie dann zu Ihren Eltern zurückkehren und Ihren Anschlag auf¬
*) Als Datum wird vielfach auch der 11. Oktober angegeben.
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gehend aus. Die Einzelheiten lesen sich recht hübsch, aber man weiß
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Der wahrhaftige Medardus.
nicht recht, ob man sie alle glauben soll. Denn erstens begeht Ro¬
vigo die Ungenauigkeit, das Ereignis in das „Ende des Sep¬
Der richtige Phantast Friedrich Staps, das historische Urbild
tember“ zu verlegen, zweitens hat er, wie überhaupt in seinen
des Phantasten Medardus, den Artur Schnitzler mit seiner „drama¬
Memoiren, so namentlich an dieser Stelle, das Bestreben, sich in
tischen Historie“ zur Diskussion stellt, wird vurch das Sensationsstück
den Vordergrund der Weltgeschichte zu rücken. Rovigo also be¬
des Wiener Burgtheaters in suggestive Erinnerung gebracht. Vier
richtet, daß der junge Attentäter, der sich zuletzt in schlechtem Fran¬
Tage vor Napoleons Abreise, drei Tage vor Abschluß des Wiener
zösisch an Napoleon wandte, als ob er etwos zu ihm sagen hätte
Friedens, am 12. Oktober 1809*), versuchte der junge Friedrich
und von diesem an General Rapp gewiesen wurde, doch wieder auf
Staps aus Erfurt an Napoleon in Schönbrunn ein Attentat. Die
einem Umwege sich dem Kaiser näherte. „Ich kann Sie nicht ver¬
trockene historische Darstellung des Vorfalles ist folgende: Als
stehen, sprechen Sie mit General Rapp,“ bemerkte nochmals
Napoleon von den Stufen des Schlosses in den großen Hof zur
Napoleon. Da griff der Jüngling mit der rechten Hand nach der
Revue herabschritt, drängte sich Staps durch die Zuseher und suchte
Brust, als ob er eine Bittschrift hervorholen wollte. Der Fürst von
so nahe als möglich an den Kaiser zu kommen. General Rapp, der
Neuchatel kehrte sich nun gegen ihn mit den Worten: „Mein Herr,
immer vor Napoleon herging, bemerkte die stechenden Blicke und
Sie wählen sehr schlecht Ihre Zeit; man hat Ihnen gesagt, daß
die Verwirrung des jungen Mannes. Er ließ ihn ergreifen und
Sie sich an General Rapp wenden sollen“ und übergab ihn dem¬
man fand in seinem Rocke ein langes Messer. Befragt, was er
selben Gendarmerieoffizier, der ihn schon einmal aus dem Kreise
damit wolle, erklärte er unumwunden, daß er von Erfurt hergereist
geführt hatte. Als der Eindringling von einem Gendarm etwas
sei, um Napoleon zu ermorden und der Welt Frieden zu schaffen.
fester angegriffen wurde, entdeckte man unter seinem Rocke einen
Auf alle Fragen, die Napoleon selbst an ihn stellte, antwortete er
harten Gegenstand. Es war ein großes, neues Küchenmesser, das
gefaßt und ruhig, doch mit einem Anstrich von Schwärmerei, und
in mehreren Bogen „grauen Papiers“ gewickelt war. Die Gendarmen
als ihn der Kaiser endlich fragte, wenn er ihn zu sich nähme und
führten Staps zum Herzog von Rovigo. Dieser sah einen 18= bis
ihn mit Wohltaten überhäufe, ob er ihm dann ein treuer Diener
19jährigen Burschen mit mädchenhaften Zügen vor sich. „Er hatte
sein wolle, war die schnelle Antwort: Er werde immer zu seinem
es unternommen, den Kaiser zu töten, weil man ihm gesagt hatte,
festen Entschluß zurückkehren. Diese Antwort schien dem Kaiser so
daß die übrigen Herrscher nie mit ihm Frieden haben wurden; und
extravagant, daß er den jungen Mann seinem Arzte Corvisart
da der Kaiser stärker als sie alle war, wollte er ihn töten, damit
übergab. Dieser erklärte Staps für normal. Er wurde hierauf vor
Friede werde.“ Man fragte ihn, welche Art Schriften er am liebsten
ein Kriegsgericht gebracht und auf freiem Felde bei der Wiener
lese. Er antwortete: „Die Geschichte, und in all dem, was ich ge¬
Mariahilferlinie, hinter der Oesterreichischen Gewehrfabrik, er¬
lesen, hat mir nur die „Jungfrau von Orleans“ gefallen, weil sie
schossen. Adolf Schmidl in seiner Schilderung Schönbrunns (Wien,
Frankreich von dem Joche seiner Feinde befreit hatte; und ich
1839) bestätigt die Tatsache und fügt noch hinzu, daß die Toten¬
wollte ihr nachahmen.“ Er war von Erfurt bloß in diesem Ent¬
listen der zuständigen Pfarre Braunhirschen den Namen Staps nicht
schlusse abgereist, indem er ein Pferd seines Vaters mit fortführte;
enthalten, ferner die Stelle, an der er erschossen wurde, sowie sein
die Not hatte ihn gezwungen, es unterwegs zu verkaufen. Seinem
Grab nicht mehr zu ermitteln sind. Der Graf von Las Cases,
Vater hatte er geschrieben, daß man bald von ihm hören werde. Er
Napoleons treuer Gefährte auf Sankt Helena, hörte im April des
hatte sich zwei Tage in Wien aufgehalten und war schon früher
Jahres 1816 den von seiner Glorie Herabgestürzten selbst über dieses
einmal bei der Parade gewesen, um seine Rolle zu studieren und
Attentat sprechen:
zu sehen, wo er sich hinstellen könnte. Als er alles ausgeforscht
„Der fanatische junge Mann von Schönbrunn,“ sagte der
hatte, kaufte er bei einem Messerschmied dieses große Küchenmesser,
Kaiser, „war der Sohn eines protestantischen Predigers von Erfurt,
welches man bei ihm fand, und ging zur Parade, um seinen An¬
der ungefähr zur Zeit der Schlacht von Wagram den Kaiser bei
schlag auszuführen.
öffentlicher Parade zu ermorden beschlossen hatte. Es war ihm
in“ k86
„Während mir, fahrt Rovigo fort, „der junge Mann dieses
bereits gelungen, durch den ersten Kreis der Soldaten, die ihn vom
Geständnis machte, zog die Parade vorüber und ich traf den Kaiser
Kaiser entfernt hielten, zu dringen; er war schon zwei= oder dreimal
erst wieder in seinem Kabinett, um ihm von der Gefahr Nachricht
aus seiner Nähe zurückgedrängt worden, als der General Rapp, bei
zu geben, welche ihm gedroht, ohne daß er es vermutet hätte. Der
einem wiederholten Versuch, ihn mit der Hand zurückzutreiben, auf
General Rapp hatte ihm schon davon erzählt, doch wollte er es
etwas Besonderes unter seinem Kleide stieß, das man als ein
nicht glauben, bis ich ihm das Messer zeigte, worauf er mit halb
spitzes, zweischneidiges Messer von anderthalb Fuß Länge erkannte.
spöttischer Miene antwortete: „Ei! es scheint doch etwas daran zu
Der Kaiser schauderte beim Anblick desselben; es war nur in eine
sein, bringen Sie mir den jungen Mann her, ich will ihn sehen.“
einfache Zeitung gewickelt. Napoleon ließ den Mörder in sein
Er behielt die Generale bei sich, welche der Parade beigewohnt
Kabinett bringen, er berief den Leibarzt Corvisart und befahl ihm,
hatten und sprach mit ihnen vom Attentat.
den Puls des Verbrechers zu fühlen, während er mit demselben
sprechen würde.
Als der Kaiser den jungen Mann eintreten sah, wurde er
Der Mörder blieb immer unerschüttert, gestand seine Absicht
vom Mitleid ergriffen und sagte: „O, o, das ist nicht möglich, es
mit fester Stimme und führte öfters Stellen aus der Bibel an.
ist ja noch ein Kind.“ Darauf fragte er ihn, ob er ihn kenne. Jener
„Was wollen Sie von mir?“ sagte der Kaiser zu ihm. — „Sie
antwortete, ohne zu wanken: „O ja, Sire. Der Kaiser: „Und wo
— Staps: „In Erfurt, Sire, den ver¬
töten.“ — „Was habe ich Ihnen getan? Wer hat Sie auf dieser
haben Sie mich gesehen?“
Welt zu meinem Richter aufgestellt?“ — „Ich wollte dem Kriege
— Der Kaiser: „Warum wollten Sie mich
gangenen Herbst.“
.. Der Kaiser versuchte vergebens, eine Er¬
ein Ende machen.“
— Staps: „Sire, weil Ihr Genie zu sehr dem Ihrer
töten?“
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schütterung in ihm hervorzubringen. „Reut Sie Ihre Tau. sagte
Feinde überlegen ist und Sie unserem Vaterlande zur Plage ge¬
94
— „Würden Sie sich derselben nochmals
er zu ihm. — „Nein.“
macht hat.“ — Der Kaiser: „Aber ich habe den Krieg nicht ange¬
— „Wenn ich Sie aber begnadige?“
unterziehen? — „Ja.“
fangen, warum töten Sie nicht den Angreifer? Das wäre gerechter!“
„Hier“ sagte Napoleon, „behauptete doch die Natur einen Augenblick
Staps: „O nein, Sire, Ihre Majestät haben nicht den Krieg be¬
ihre Rechte und das Gesicht und die Stimme dieses Menschen ver¬
gonnen, aber da Sie immer stärker und glücklicher als die anderen
änderten sich vorübergehend.“— „Dann,“ sagte er, „würde ich
Herrscher zusammen sind, so war es leichter, Sie zu töten, als so
glauben, daß Gott es nicht mehr wollte.“ Allein er verfiel gleich
viele andere, Ihre Feinde, umzubringen, welche nicht so sehr zu
darauf wieder in seinen Starrsinn. Man setzte ihn 24 Stunden fest,
Der
fürchten sind, weil sie weniger Geistesfähigkeiten besitzen.“
ohne ihm Essen zu geben; der Arzt untersuchte ihn nochmals; man
Kaiser: „Wie hätten Sie es angefangen, um mich zu töten?“ —
verhörte ihn von neuem, alles war vergebens; er blieb immer der
Staps: „Ich wollte Sie fragen, ob wir bald den Frieden haben
gleiche Mensch, oder vielmehr ein wahres wildes Tier, und man
würden, und wenn Sie mir nicht geantwortet hätten, so würde ich
überließ ihn seinem Schicksal.“
das Messer in Ihr Herz gestoßen haben.“ — Der Kaiser: „Aber
Dies die Daxstellung bei Las Cases, von der man annehmen
die Soldaten, die mich umgaben, würden Sie angehalten haben,
kann, daß sie der Erinnerung Napoleons an das Begebnis im
ehe Sie mich hätten treffen können, und Sie darauf in Stücke ge¬
wesentlichen entspricht.
— Staps: „Ich war darauf gefaßt und bereit, zu
hauen haben.“
Der Herzog von Rovigo läßt sich über das Attentat ein¬
Der Kaiser: „Wenn ich Ihnen die Freiheit göbe, würden
sterben.“
1 Sie dann zu Ihren Eltern zurückkehren und Ihren Anschlag auf¬
*) Als Datum wird vielfach auch der 11. Oktober angegeben.