box 26/5
22. Der junge Medandus
— enog 20.
mehr in den Kampf: er muß erst die Ehre seiner Schwester retten.
Das ist das Vorspiel. Im ersten Akt sehen wir Medardus am
Grabe Agathes. Da erscheint auch Helene, die Schwester des toten¬
Prinzen, die es niemals verstehen konnte, wie ein Mensch von
blauen Blute eine Neigung zu einem schlichten Bürgermädchen
fassen konnte. Sie legt auf das Grab des Bruders Blumen nieder.
Medardus weist sie mit scharfen Worten von dem Grabe. Sie
fühlt sich durch sein herrisches Benehmen beleidigt. Diese Szene
hat ihren Vetter, den Marquis von Valois, herangelockt und so
rust sie ihm gebieterisch zu: „Töten Sie den jungen Menschen,
der da eben wegging, und ist bin die Ihre.“ So kommt es zwischen
Medardus und dem Marquis zu einem Zweikampf, der mit beider
Verwundung endet. Helene tut jetzt etwas, was wir, wie vieles
an ihr, nicht recht begreifen können. Dieselben Blumen, die sie
auf das Grab ihres Bruders niederlegen wollte, schickt sie un
Medardus, der sich beeilt, ihr dafür Dank zu sagen. Zwar mar¬
schieren gerade
die Franzosen gegen
die
18
Stadt,
aber Medardus hat jetzt wichtigere Sachen zu
er¬
Telephon 12.801.
ledigen. Er kommt zu Heiene und erfährt, daß
sie
sich soeben mit ihrem Vetter verlobt habe. Nichtsdestoweniger
44
läßt sie Medardus in ihr Schlafgemach ein und wie einstens ihr
Bruder seine Schwester, so bringt er jetzt Helene zu Falle.
„ODSLRVER
Zwar unternahm er dieses Abenteuer in der Absicht, Helene
später bloßzustellen, aber in ihren Armen vergißt er alles, was
1. öeterr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
er sich vorgenommen hatte. Und da Helene ihn so schwach und
Wien, I., Concordiaplatz 4.
gefügig sieht, fordert sie, daß er Napoleon töte.
Vertretungen
Medardus hatte immer diese Absicht. Aber da Helene es
In Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
von ihm verlangt, möchte er den Plan am liebsten fallen lassen,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolls,
weil er nicht als gedungener Mörder erscheinen will. Im Schön¬
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
brunner Schloßhof drängt sich alles, Napoleon zu sehen. Auch
burg, Toronto.
Medardus ist zur Stelle und es ist nicht ganz ausgeschlossen, daß
(Oseih nangabe ohne Dowähr).
er den Dolch doch gegen Napoleon führt. Noch ehe er aber mit
sich einig wird, sieht er Helene den kaiserlichen Gemächern zu¬
Aussehnitt aus:
eilen und in aufwallender Eifersucht tötet er sie. Er wird ein¬
gesperrt, aber schon naht ihm die Befreiung, da man ihn in er
Hamburger Correspondent
Annahme, daß Helene Napoleon erdolchen wollte, für den Le¬
11 1910
bensretter des Kaisers hält. Er bestreitet dies und gesteht un¬
vom 1
1
umwunden, daß er die Absicht hatte, den Kaiser zu töten. Dar¬
kaufhin wird er erschossen.
Wliener Cheater.
gibt viele schöne Szenen in dieser fünfaktigen Historie,
und aus dem Ganzen heraus sieht Medardus, eine der wunder¬
Man schreibt uns aus Wien:
lichsten und idealsten Gestalten, die Schnitzler schuf. Auf den
rh. Der junge Medardus: So nennt sich die neue
Basteien, im Schönbrunner Schloß und in der Wohnung der
Dichtung von Artur Schnitzler, ie im Hofburgtheater bei
Mutter des jungen Medardus, da weht uns überall eine Luft
ihrer Uraufführung starken. Nachdem wir das Werk
entgegen, so wienerisch und so frisch, daß wir uns nach dem Alt¬
gesehen und fünf volle Stunden darauf verwendet haben, dürfen
Wien der Franzosenzeit sehnen. Das ganze Wesen der damaligen
wir sagen, daß das Burgtheater eine kolossale Arbeit geleistet hat.
Zeit spiegelt sich in den zahllosen Bildern ziemlich lebenswahr
Sicher ist auch, daß bis nun keiner unserer modernen Dichter von
wider. Schnitzler hat mit dieser Arbeit gezeigt, daß er auch auf
einer Bühne so viel Aufwand an Zeit und Geld gefordert hat, als
historischem Gebiet zu Hause ist.
Artur Schnitzler. Mit Ausnahme des alten Baumeister war das
Szenisch stellt das Werk die höchsten Anforderungen an die
ganze männliche Künstlerpersonal beschäftigt, achtundsiebzig
Regie. Die vielen Verwandlungen ermüdeten zwar das Publi¬
Rollen waren zu besetzen und überdies noch für Masseuszenen
kum, aber immer wieder verfolgte es bei aller Abspannung die
Volk zu besorgen. Dichter, Direktor, Regisseur und Maler, alle
einzelnen dramatischen Bilder, die auch malerisch Entzückendes
hatten vollauf zu tun, um das Werk gut herauszubringen.
boten, mit starkem Interesse und rief nach dem Dichter, so oft es
Auf Wiener Boden spielt diese Historie, die Zeit ist 1809.
nur ging. Die Titelrolle war Herrn Gerasch anvertraut, so oft es
Napoleon ist in Sicht, er läßt schon die Stadt belagern und er¬
Ganz ist er in die Rolle noch nicht eingedrungen, besonders an¬
greift von Schönbrunn Besitz. In allen jungen Herzen erwacht
fangs blieb er zu sehr an der Oberfläche haften. Seine Mutter
die Kampfeslust, man will dem französischen Tyrannen Trotz
war Frau Bleibtren, eine Prachtfigur, ausgezeichnet war der
bieten. Da ist besonders einer, der es ernst meint: der junge
Sattlemeister des natürlichen Balajthy, vornehm der Herze;
Medardus Klähr, der Sohn einer Buchhändlerswitwe, die schon
Hartmanns. Auch alle übrigen unterstützten den Dichter mit
Gatten, Tochter und Bruder auf tragische Weise verloren hat.
Herz und Seele. Lauter, herzlicher Beifall erscholl nach allen
Medardus nimmt Abschied von Mutter und Schwester Agathe,
Verwandlungen. Das Burgtheater hatte einen" Ehrenabend und
die schon lange ein Prinz von Valois umgirrt, und geht zu seinen
it ihm Artur Schnitzler.
Kameraden in eine Wirtsstube an der Donau, um von dort aus
ins Feld zu ziehen. Gerade, da er aus dem Wirtshaus fortgehen
will, bringt man zwei Leichen: Agathe und den Prinzen Franz'
von Valois. Medardus schwört den Valois Rache. Er geht nicht 1
22. Der junge Medandus
— enog 20.
mehr in den Kampf: er muß erst die Ehre seiner Schwester retten.
Das ist das Vorspiel. Im ersten Akt sehen wir Medardus am
Grabe Agathes. Da erscheint auch Helene, die Schwester des toten¬
Prinzen, die es niemals verstehen konnte, wie ein Mensch von
blauen Blute eine Neigung zu einem schlichten Bürgermädchen
fassen konnte. Sie legt auf das Grab des Bruders Blumen nieder.
Medardus weist sie mit scharfen Worten von dem Grabe. Sie
fühlt sich durch sein herrisches Benehmen beleidigt. Diese Szene
hat ihren Vetter, den Marquis von Valois, herangelockt und so
rust sie ihm gebieterisch zu: „Töten Sie den jungen Menschen,
der da eben wegging, und ist bin die Ihre.“ So kommt es zwischen
Medardus und dem Marquis zu einem Zweikampf, der mit beider
Verwundung endet. Helene tut jetzt etwas, was wir, wie vieles
an ihr, nicht recht begreifen können. Dieselben Blumen, die sie
auf das Grab ihres Bruders niederlegen wollte, schickt sie un
Medardus, der sich beeilt, ihr dafür Dank zu sagen. Zwar mar¬
schieren gerade
die Franzosen gegen
die
18
Stadt,
aber Medardus hat jetzt wichtigere Sachen zu
er¬
Telephon 12.801.
ledigen. Er kommt zu Heiene und erfährt, daß
sie
sich soeben mit ihrem Vetter verlobt habe. Nichtsdestoweniger
44
läßt sie Medardus in ihr Schlafgemach ein und wie einstens ihr
Bruder seine Schwester, so bringt er jetzt Helene zu Falle.
„ODSLRVER
Zwar unternahm er dieses Abenteuer in der Absicht, Helene
später bloßzustellen, aber in ihren Armen vergißt er alles, was
1. öeterr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
er sich vorgenommen hatte. Und da Helene ihn so schwach und
Wien, I., Concordiaplatz 4.
gefügig sieht, fordert sie, daß er Napoleon töte.
Vertretungen
Medardus hatte immer diese Absicht. Aber da Helene es
In Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
von ihm verlangt, möchte er den Plan am liebsten fallen lassen,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolls,
weil er nicht als gedungener Mörder erscheinen will. Im Schön¬
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
brunner Schloßhof drängt sich alles, Napoleon zu sehen. Auch
burg, Toronto.
Medardus ist zur Stelle und es ist nicht ganz ausgeschlossen, daß
(Oseih nangabe ohne Dowähr).
er den Dolch doch gegen Napoleon führt. Noch ehe er aber mit
sich einig wird, sieht er Helene den kaiserlichen Gemächern zu¬
Aussehnitt aus:
eilen und in aufwallender Eifersucht tötet er sie. Er wird ein¬
gesperrt, aber schon naht ihm die Befreiung, da man ihn in er
Hamburger Correspondent
Annahme, daß Helene Napoleon erdolchen wollte, für den Le¬
11 1910
bensretter des Kaisers hält. Er bestreitet dies und gesteht un¬
vom 1
1
umwunden, daß er die Absicht hatte, den Kaiser zu töten. Dar¬
kaufhin wird er erschossen.
Wliener Cheater.
gibt viele schöne Szenen in dieser fünfaktigen Historie,
und aus dem Ganzen heraus sieht Medardus, eine der wunder¬
Man schreibt uns aus Wien:
lichsten und idealsten Gestalten, die Schnitzler schuf. Auf den
rh. Der junge Medardus: So nennt sich die neue
Basteien, im Schönbrunner Schloß und in der Wohnung der
Dichtung von Artur Schnitzler, ie im Hofburgtheater bei
Mutter des jungen Medardus, da weht uns überall eine Luft
ihrer Uraufführung starken. Nachdem wir das Werk
entgegen, so wienerisch und so frisch, daß wir uns nach dem Alt¬
gesehen und fünf volle Stunden darauf verwendet haben, dürfen
Wien der Franzosenzeit sehnen. Das ganze Wesen der damaligen
wir sagen, daß das Burgtheater eine kolossale Arbeit geleistet hat.
Zeit spiegelt sich in den zahllosen Bildern ziemlich lebenswahr
Sicher ist auch, daß bis nun keiner unserer modernen Dichter von
wider. Schnitzler hat mit dieser Arbeit gezeigt, daß er auch auf
einer Bühne so viel Aufwand an Zeit und Geld gefordert hat, als
historischem Gebiet zu Hause ist.
Artur Schnitzler. Mit Ausnahme des alten Baumeister war das
Szenisch stellt das Werk die höchsten Anforderungen an die
ganze männliche Künstlerpersonal beschäftigt, achtundsiebzig
Regie. Die vielen Verwandlungen ermüdeten zwar das Publi¬
Rollen waren zu besetzen und überdies noch für Masseuszenen
kum, aber immer wieder verfolgte es bei aller Abspannung die
Volk zu besorgen. Dichter, Direktor, Regisseur und Maler, alle
einzelnen dramatischen Bilder, die auch malerisch Entzückendes
hatten vollauf zu tun, um das Werk gut herauszubringen.
boten, mit starkem Interesse und rief nach dem Dichter, so oft es
Auf Wiener Boden spielt diese Historie, die Zeit ist 1809.
nur ging. Die Titelrolle war Herrn Gerasch anvertraut, so oft es
Napoleon ist in Sicht, er läßt schon die Stadt belagern und er¬
Ganz ist er in die Rolle noch nicht eingedrungen, besonders an¬
greift von Schönbrunn Besitz. In allen jungen Herzen erwacht
fangs blieb er zu sehr an der Oberfläche haften. Seine Mutter
die Kampfeslust, man will dem französischen Tyrannen Trotz
war Frau Bleibtren, eine Prachtfigur, ausgezeichnet war der
bieten. Da ist besonders einer, der es ernst meint: der junge
Sattlemeister des natürlichen Balajthy, vornehm der Herze;
Medardus Klähr, der Sohn einer Buchhändlerswitwe, die schon
Hartmanns. Auch alle übrigen unterstützten den Dichter mit
Gatten, Tochter und Bruder auf tragische Weise verloren hat.
Herz und Seele. Lauter, herzlicher Beifall erscholl nach allen
Medardus nimmt Abschied von Mutter und Schwester Agathe,
Verwandlungen. Das Burgtheater hatte einen" Ehrenabend und
die schon lange ein Prinz von Valois umgirrt, und geht zu seinen
it ihm Artur Schnitzler.
Kameraden in eine Wirtsstube an der Donau, um von dort aus
ins Feld zu ziehen. Gerade, da er aus dem Wirtshaus fortgehen
will, bringt man zwei Leichen: Agathe und den Prinzen Franz'
von Valois. Medardus schwört den Valois Rache. Er geht nicht 1