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22. Der junge Nedandus
Außerordentlich lebhaft sind die Volksszenen,
die Aufläufe, der Klatsch, das wirre Durchein¬
inder aufgeregter Kriegszeiten gegeben. Aber
die will das dargestellt sein? Weit über
echzig Schauspieler sind nötig, die Kriegs¬
statisterie, das Volksgewimmel nicht gerechnet.
— Das Geschichtspanorama ist mit Fleiß und
Kenntnis hingemalt. Und wie es den Dichter
mehr interessiert zu haben scheint, als die
Herzensgeschichte seines Helden, so wird das
historische Kulturbild aus dem Wien der Basteien
und des Glacis den dauernderen Wert behalten
gegenüber den romantischen Erlebnissen und
Alkovenabenteuern des Medardus ...
Norbert Falk
ßstar
das Volk¬
[Der Letzte der Valois.] Mit Bezug u., jenen
Herzog von Valois, den Artur Schnitzler in seinem neuen
Stück als französischen Kronprätendenten auftreten läßt, schreibt
uns Herr Max Waldstein, daß ein Marquis v. Valois,
einer illegitimen Seitenlinie entstammend, schon bei Balzas
vorkoame und daß zu Napoleons Zeiten eine Gräfin Valois#
Nr. 16619
vien, Sonntag
in Paris ihr Spiel getrieben habe. Das gibt nun freilich der
Schnitzlerschen Fiktion keine festere Unterlage. Historisch ist 1 K
mit Heinrich III., als er vom Dominikaner Jacques
Clément auf seinem Leibstuhl erstochen wurde (1589), der 1
Letzte der Valois aus der Welt gegangen. Damals lebte von fe¬
männlichen Nachkommen bloß noch ein natürlicher Sohn
Karls IX., der Herzog von Angouléme, dessen einziger Sohn
1653 kinderlos starb (siehe „Histoire de France“ des Präsi¬
n.
denten Hénault). Als Thronfolger kam dieser Bastard gar
fi.
nicht in Frage. Ranke nennt nicht einmal seinen Namen. So
die Geschichte, an die sich der Dichter freilich nicht zu binden
K
braucht. Er kann einen Valois nach Herzenslust erfinden,
einen echten und thronberechtigten. Nur müßte er ihn auch n.
im Sinne seiner Prätendentenrolle durchführen, dürfte nicht bi
einen seiner Anhänger sagew lassen, daß, seit der ge
unglückliche Soyn des hingerichteten Lud¬ 2
wig dahin ist, keinem anderen die Krone Frankreichs pe
gebührt als dem Herzog von Valois.“ Es müßte ja, im
Gegenteil, ein echter Valois sämtliche Bourbonenkönige von
N.
Heinrich IV. bis Ludwig XVI. als lauter Usurpatoren be¬
trachten. Mit Recht erinnert Herr Waldstein bei diesem An¬
2
lasse an Anton Langers Volksstück „Judas im Frack“.
zr
welches gleichfalls anno 1809 spielt und die Erschießung des
er
schnöde verratenen Eschenbacher behandelt. Mit Rott in der
T
olle und Liebold als Eschenbacher wurde es unzählige¬
##er an der Wien aufgeführt.
Neuen Freien Preise“.] InsS¬
22. Der junge Nedandus
Außerordentlich lebhaft sind die Volksszenen,
die Aufläufe, der Klatsch, das wirre Durchein¬
inder aufgeregter Kriegszeiten gegeben. Aber
die will das dargestellt sein? Weit über
echzig Schauspieler sind nötig, die Kriegs¬
statisterie, das Volksgewimmel nicht gerechnet.
— Das Geschichtspanorama ist mit Fleiß und
Kenntnis hingemalt. Und wie es den Dichter
mehr interessiert zu haben scheint, als die
Herzensgeschichte seines Helden, so wird das
historische Kulturbild aus dem Wien der Basteien
und des Glacis den dauernderen Wert behalten
gegenüber den romantischen Erlebnissen und
Alkovenabenteuern des Medardus ...
Norbert Falk
ßstar
das Volk¬
[Der Letzte der Valois.] Mit Bezug u., jenen
Herzog von Valois, den Artur Schnitzler in seinem neuen
Stück als französischen Kronprätendenten auftreten läßt, schreibt
uns Herr Max Waldstein, daß ein Marquis v. Valois,
einer illegitimen Seitenlinie entstammend, schon bei Balzas
vorkoame und daß zu Napoleons Zeiten eine Gräfin Valois#
Nr. 16619
vien, Sonntag
in Paris ihr Spiel getrieben habe. Das gibt nun freilich der
Schnitzlerschen Fiktion keine festere Unterlage. Historisch ist 1 K
mit Heinrich III., als er vom Dominikaner Jacques
Clément auf seinem Leibstuhl erstochen wurde (1589), der 1
Letzte der Valois aus der Welt gegangen. Damals lebte von fe¬
männlichen Nachkommen bloß noch ein natürlicher Sohn
Karls IX., der Herzog von Angouléme, dessen einziger Sohn
1653 kinderlos starb (siehe „Histoire de France“ des Präsi¬
n.
denten Hénault). Als Thronfolger kam dieser Bastard gar
fi.
nicht in Frage. Ranke nennt nicht einmal seinen Namen. So
die Geschichte, an die sich der Dichter freilich nicht zu binden
K
braucht. Er kann einen Valois nach Herzenslust erfinden,
einen echten und thronberechtigten. Nur müßte er ihn auch n.
im Sinne seiner Prätendentenrolle durchführen, dürfte nicht bi
einen seiner Anhänger sagew lassen, daß, seit der ge
unglückliche Soyn des hingerichteten Lud¬ 2
wig dahin ist, keinem anderen die Krone Frankreichs pe
gebührt als dem Herzog von Valois.“ Es müßte ja, im
Gegenteil, ein echter Valois sämtliche Bourbonenkönige von
N.
Heinrich IV. bis Ludwig XVI. als lauter Usurpatoren be¬
trachten. Mit Recht erinnert Herr Waldstein bei diesem An¬
2
lasse an Anton Langers Volksstück „Judas im Frack“.
zr
welches gleichfalls anno 1809 spielt und die Erschießung des
er
schnöde verratenen Eschenbacher behandelt. Mit Rott in der
T
olle und Liebold als Eschenbacher wurde es unzählige¬
##er an der Wien aufgeführt.
Neuen Freien Preise“.] InsS¬