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22. Der junge Medandus
geschildert in ihren aufrechten Gestalten, aber auch in den
romes in grausamer Wahr¬
Typen der Feigheit und Erbärmlichkeit, unter dem Donner
zum ersten Mal aus seiner
der Kanonen Glück und Unglück von Aspern und Wagram
verfolgt hat. Napoleon residiert in Schönbrunn und Wien
fark und ergreifend die Kon¬
seufzt unter den harten Geboten des Belagerungszustandes,
nHandlung zusammenballt,
die den wackeren Eschenbacher, da er in standhafter Liebe zum
seinen Genossen fort, er
Vaterland und in der Hoffnung auf kommende, bessere Zeit
die sich ihm in seiner zer¬
ihnen zuwiderhandelte, auf dem Sandhaufen unter der Salve
Auf dem Friedhof, um eine
der Exekution sterben lassen. Sie weckt den Medardus aus
die Alltäglichkeit des anteil¬
seinem lethargischen Zustand; das Vaterland blutet aus tau¬
krührt dem Herabsenken der
send Wunden und in den trauten Kreis seiner Lieben reißt
der Liebenden in die deckende
die fremde Willkür unausfüllbare Lücken; er wäre ja nicht
scheint die Prinzessin, des
der Medardus, dem das Blut nicht siedete, da er sich entsühnen
eSchwester, um ihrem toten
will mit einer einzigen, großen Tat, Tat an Stelle der Un¬
gen. Medardus weigert ihr
männlichkeit, Freiheit groß zu handeln an Stelle der Liebes¬
daß nicht Agathe noch im
fesseln eines Weibes, von der er sich mit Ekel abgewandt,
die die Lebende ins Grab
da sie ihm den Mordstahl gegen Napoleon als Henkersknecht
egen hinüber, der hinzu¬
im Dienste der Valois in die Hand drücken wollte. Ihm
unmehriger Träger der An¬
gehört der Entschluß, ihm die Ausführung, die Welt zu be¬
kiert die Beleidigung gegen
freien, sich zu entfühnen. Da dringt das Gerücht zu ihm, die
enstoß in die Brust des Me¬
Prinzessin sei die Geliebte Napoleons und habe ihn genarrt,
Jüngling aus seiner Bahn.
und als er sie die Treppe des Schönbrunner Schlosses zum
n Blumen auf das Lager
großen Empfang beim Kaiser hinaufschreiten sieht, da zuckt
eißen Entschluß entflammt,
er den Stahl und sie fällt als Opfer seiner unbezähmbaren
siegt ihren scheinbar so un¬
eifersüchtigen Liebe. Die Zeit der Abrechnung mit sich naht;
AAnforderung — was ist ge¬
im Gefängnis tut sich ihm die Freiheit auf, man hat entdeckt,
n. der sie den Marquis zum
daß die Prinzessin dem Usurpator nach dem Leben trach¬
Verstellung einer flammen¬
tete, und aus Medardus, dem Verschworenen gegen den Kaiser
is mit wichtigen Aufträgen
ist sein Retter geworden. Er aber stemmt sich gegen Freiheit
erlobt sie sich mit ihm und
und Straflosigkeit, bekennt sich fest zu seinem Vorsatz und
künftigen Verheißungen sich
stirbt an der Mauer wie der gemordete Eschenbacher, während
ber wirft sich dem Jüngling
der eherne Mund der Wiener Gotteshäuser den Frieden ein¬
Kein plötzliches Auflodern
läutet — „als dieses Krieges letzter und seltsamster Held“.
nheit eingegeben, ein furcht¬
Die Folge der dramatischen Begebenheiten, — zum Be¬
will die Prinzessin besitzen
griffe des Dramas mangelt ihm die Straffheit des äußeren
use, dem künftigen Königs¬
Aufbaues — stürmt gewaltig auf den Hörer ein und es ist
schleudern; Rache und Ver¬
nicht möglich, sich ihrem Banne zu entziehen. Aber der Dichter
hat sich zu viel zugemutet, da er es unternahm, die großen
Verlobungsfeier die Diener¬
Begebenheiten des Jahres 1809 darzustellen, in sie hinein des
älden Gedankens voll mitten
jungen Medardus Leben und Sterben zu verknüpfen und end¬
krzt, da erstarrt er unter den
lich den Gedankenflug von Vergeltung und Königtum der
ß, sie bändigt ihn mit Blicken
Prinzessin von Valois im Kreise ihres Anhangs in die Ge¬
r, begleitet von dem leichten
schehnisse hineinzustellen. Das ergibt unvermeidliche Ab¬
nt er das Feld. Und wieder¬
irrungen, und wie der junge Medardus von einem Wirbel
ndet nicht den Pfad, der ihn
in den anderen gerissen wird, so wird auch Schnitzler unter
führen soll; statt dessen lodert
der Fülle des Stoffes und dem Wechsel der Probleme weiter¬
er Untreue gegen sich selbst.
getrieben. Kleinmalerei und Episoden, wie zur Charakteri¬
m Altar seiner beschimpften
sierung des Wiener Bürgertums oder zur liebevollen Schil¬
hat ihm Herz und Willen
derung des Geistes der Treue und ehrlichen Gesinnung im
windet er sich in seiner
Hause der Frau Klähr, oder endlich die Komödie der Höf¬
lte, hassen müßte, Niederlage,
linge um den blinden Herzog von Valois, die im seine an¬
Hand zu haben.
geblichen Prätendentenrechte aufgeführt wird, s alles trägt
beiße Fahne flattert von den
Viener Bevölkerung, prächtig zu einer Verzettelung der Kraft des gestalte. en Dichters;
wie des aufnehmenden Hörers bei. Die bedenkliche Ver¬
flachung in der Mitte der Handlung wird aber zu rechter
Zeit durch kraftvollere dramatische Belebung gegen das Ende
abgelöst.
Die Vorstellung war ausgezeichnet; die Dekorationen der
sechzehn Bilder stimmungsvoll und was den topographischen
Teil betrifft, Schönbrunn oder die Wiener Basteien, von
durchschlagender Wirkung; die Riesenarbeit der Inszenierung,
durch Baron Berger und Thimig geleistet, imponierend in
ihrem ruhigen und sicheren Ineinandergreifen, das auch nicht
die kleinste Unebenheit aufkommen ließ. Die Darstellung
war vortrefflich und hielt sich in Anbetracht des massenhaften
Personals auf verblüffender Höhe. Herr Gerasch spielte den
Medardus, der dem toten Kainz zugedacht war; es wäre un¬
gerecht, an den hochbegabten, fleißigen, jungen Künstler den
Maßstab des Entschlafenen anzulegen; er bemühte sich ehr¬
lich und im ganzen erfolgreich, dem inneren Gehalt dieses
zerrissenen Jünglings gerecht zu werden, der die höchsten An¬
sprüche an die Wandlungsfähigkeit der Charakterauffassung
stellt; vielleicht erklärt sich sein Bestreben, das schöne Feuer
der jugendlichen Begeisterung und Inbrunst, das in ihm als
natürliche Flamme loht, deshalb einzudämmen, um den
Übergang zu den Augenblicken der Resignation oder kalten
überlegung leichter zu finden und glaubhafter zu gestalten.
Groß war Frau Römpler=Bleibtreu als seine Mutter, die stille
Herbheit ihres Wesens wuchs im Augenblick des letzten Ab¬
schieds von ihrem Sohn zu einer Verzweiflung, die ans Herz
griff. Aus der Fülle der Darsteller muß die Prinzessin des
Fräulein Wohlgemut mit Auszeichnung genannt werden;
prachtvoll wie immer war Herr Hartmann als blinder Her¬
zog; Fräulein Hönigsvald als Marquise fügte sich verständ.
nisvoll ein, während Fräulein Hofteufel als Kammermädchen
der Prinzessin in unangebrachter übertreibung aus dem
ernsten Rahmen des Ganzen heraustrat. Herr Treßler cha¬
rakterisierte rührend als Geschäftsführer der Frau Klähr und
Freund des Medardus den uneigennützigen Helfer und Be¬
rater, der in seinem Opfermut seiner eigenen Seelenwunden
nicht gedenkt, und Herr Reimers sprach als Adjutant Napo¬
leons seine Rolle ruhig und erhaben, erhaben über das Schick¬
sal dieser Kleinen im Vergleich zu dem Gewaltigen, den er
vertrat, und dessen Schatten über dem Ganzen lagerte.
Dr. Hans Hartmeyer.
22. Der junge Medandus
geschildert in ihren aufrechten Gestalten, aber auch in den
romes in grausamer Wahr¬
Typen der Feigheit und Erbärmlichkeit, unter dem Donner
zum ersten Mal aus seiner
der Kanonen Glück und Unglück von Aspern und Wagram
verfolgt hat. Napoleon residiert in Schönbrunn und Wien
fark und ergreifend die Kon¬
seufzt unter den harten Geboten des Belagerungszustandes,
nHandlung zusammenballt,
die den wackeren Eschenbacher, da er in standhafter Liebe zum
seinen Genossen fort, er
Vaterland und in der Hoffnung auf kommende, bessere Zeit
die sich ihm in seiner zer¬
ihnen zuwiderhandelte, auf dem Sandhaufen unter der Salve
Auf dem Friedhof, um eine
der Exekution sterben lassen. Sie weckt den Medardus aus
die Alltäglichkeit des anteil¬
seinem lethargischen Zustand; das Vaterland blutet aus tau¬
krührt dem Herabsenken der
send Wunden und in den trauten Kreis seiner Lieben reißt
der Liebenden in die deckende
die fremde Willkür unausfüllbare Lücken; er wäre ja nicht
scheint die Prinzessin, des
der Medardus, dem das Blut nicht siedete, da er sich entsühnen
eSchwester, um ihrem toten
will mit einer einzigen, großen Tat, Tat an Stelle der Un¬
gen. Medardus weigert ihr
männlichkeit, Freiheit groß zu handeln an Stelle der Liebes¬
daß nicht Agathe noch im
fesseln eines Weibes, von der er sich mit Ekel abgewandt,
die die Lebende ins Grab
da sie ihm den Mordstahl gegen Napoleon als Henkersknecht
egen hinüber, der hinzu¬
im Dienste der Valois in die Hand drücken wollte. Ihm
unmehriger Träger der An¬
gehört der Entschluß, ihm die Ausführung, die Welt zu be¬
kiert die Beleidigung gegen
freien, sich zu entfühnen. Da dringt das Gerücht zu ihm, die
enstoß in die Brust des Me¬
Prinzessin sei die Geliebte Napoleons und habe ihn genarrt,
Jüngling aus seiner Bahn.
und als er sie die Treppe des Schönbrunner Schlosses zum
n Blumen auf das Lager
großen Empfang beim Kaiser hinaufschreiten sieht, da zuckt
eißen Entschluß entflammt,
er den Stahl und sie fällt als Opfer seiner unbezähmbaren
siegt ihren scheinbar so un¬
eifersüchtigen Liebe. Die Zeit der Abrechnung mit sich naht;
AAnforderung — was ist ge¬
im Gefängnis tut sich ihm die Freiheit auf, man hat entdeckt,
n. der sie den Marquis zum
daß die Prinzessin dem Usurpator nach dem Leben trach¬
Verstellung einer flammen¬
tete, und aus Medardus, dem Verschworenen gegen den Kaiser
is mit wichtigen Aufträgen
ist sein Retter geworden. Er aber stemmt sich gegen Freiheit
erlobt sie sich mit ihm und
und Straflosigkeit, bekennt sich fest zu seinem Vorsatz und
künftigen Verheißungen sich
stirbt an der Mauer wie der gemordete Eschenbacher, während
ber wirft sich dem Jüngling
der eherne Mund der Wiener Gotteshäuser den Frieden ein¬
Kein plötzliches Auflodern
läutet — „als dieses Krieges letzter und seltsamster Held“.
nheit eingegeben, ein furcht¬
Die Folge der dramatischen Begebenheiten, — zum Be¬
will die Prinzessin besitzen
griffe des Dramas mangelt ihm die Straffheit des äußeren
use, dem künftigen Königs¬
Aufbaues — stürmt gewaltig auf den Hörer ein und es ist
schleudern; Rache und Ver¬
nicht möglich, sich ihrem Banne zu entziehen. Aber der Dichter
hat sich zu viel zugemutet, da er es unternahm, die großen
Verlobungsfeier die Diener¬
Begebenheiten des Jahres 1809 darzustellen, in sie hinein des
älden Gedankens voll mitten
jungen Medardus Leben und Sterben zu verknüpfen und end¬
krzt, da erstarrt er unter den
lich den Gedankenflug von Vergeltung und Königtum der
ß, sie bändigt ihn mit Blicken
Prinzessin von Valois im Kreise ihres Anhangs in die Ge¬
r, begleitet von dem leichten
schehnisse hineinzustellen. Das ergibt unvermeidliche Ab¬
nt er das Feld. Und wieder¬
irrungen, und wie der junge Medardus von einem Wirbel
ndet nicht den Pfad, der ihn
in den anderen gerissen wird, so wird auch Schnitzler unter
führen soll; statt dessen lodert
der Fülle des Stoffes und dem Wechsel der Probleme weiter¬
er Untreue gegen sich selbst.
getrieben. Kleinmalerei und Episoden, wie zur Charakteri¬
m Altar seiner beschimpften
sierung des Wiener Bürgertums oder zur liebevollen Schil¬
hat ihm Herz und Willen
derung des Geistes der Treue und ehrlichen Gesinnung im
windet er sich in seiner
Hause der Frau Klähr, oder endlich die Komödie der Höf¬
lte, hassen müßte, Niederlage,
linge um den blinden Herzog von Valois, die im seine an¬
Hand zu haben.
geblichen Prätendentenrechte aufgeführt wird, s alles trägt
beiße Fahne flattert von den
Viener Bevölkerung, prächtig zu einer Verzettelung der Kraft des gestalte. en Dichters;
wie des aufnehmenden Hörers bei. Die bedenkliche Ver¬
flachung in der Mitte der Handlung wird aber zu rechter
Zeit durch kraftvollere dramatische Belebung gegen das Ende
abgelöst.
Die Vorstellung war ausgezeichnet; die Dekorationen der
sechzehn Bilder stimmungsvoll und was den topographischen
Teil betrifft, Schönbrunn oder die Wiener Basteien, von
durchschlagender Wirkung; die Riesenarbeit der Inszenierung,
durch Baron Berger und Thimig geleistet, imponierend in
ihrem ruhigen und sicheren Ineinandergreifen, das auch nicht
die kleinste Unebenheit aufkommen ließ. Die Darstellung
war vortrefflich und hielt sich in Anbetracht des massenhaften
Personals auf verblüffender Höhe. Herr Gerasch spielte den
Medardus, der dem toten Kainz zugedacht war; es wäre un¬
gerecht, an den hochbegabten, fleißigen, jungen Künstler den
Maßstab des Entschlafenen anzulegen; er bemühte sich ehr¬
lich und im ganzen erfolgreich, dem inneren Gehalt dieses
zerrissenen Jünglings gerecht zu werden, der die höchsten An¬
sprüche an die Wandlungsfähigkeit der Charakterauffassung
stellt; vielleicht erklärt sich sein Bestreben, das schöne Feuer
der jugendlichen Begeisterung und Inbrunst, das in ihm als
natürliche Flamme loht, deshalb einzudämmen, um den
Übergang zu den Augenblicken der Resignation oder kalten
überlegung leichter zu finden und glaubhafter zu gestalten.
Groß war Frau Römpler=Bleibtreu als seine Mutter, die stille
Herbheit ihres Wesens wuchs im Augenblick des letzten Ab¬
schieds von ihrem Sohn zu einer Verzweiflung, die ans Herz
griff. Aus der Fülle der Darsteller muß die Prinzessin des
Fräulein Wohlgemut mit Auszeichnung genannt werden;
prachtvoll wie immer war Herr Hartmann als blinder Her¬
zog; Fräulein Hönigsvald als Marquise fügte sich verständ.
nisvoll ein, während Fräulein Hofteufel als Kammermädchen
der Prinzessin in unangebrachter übertreibung aus dem
ernsten Rahmen des Ganzen heraustrat. Herr Treßler cha¬
rakterisierte rührend als Geschäftsführer der Frau Klähr und
Freund des Medardus den uneigennützigen Helfer und Be¬
rater, der in seinem Opfermut seiner eigenen Seelenwunden
nicht gedenkt, und Herr Reimers sprach als Adjutant Napo¬
leons seine Rolle ruhig und erhaben, erhaben über das Schick¬
sal dieser Kleinen im Vergleich zu dem Gewaltigen, den er
vertrat, und dessen Schatten über dem Ganzen lagerte.
Dr. Hans Hartmeyer.