II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 186

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22. Derjunge edandus
Die Reminiszenz rief schallendes Lachen hervor — am meisten
belustigte sich Herr Baumgartner selbst. Seine gescheitesten Freunde
aber meinten, es gebe nur ein einziges Mittel, daß mit Rücksicht auf
das überaus stark entwickelte Gewohnheitsgefühl Baumgartners in dieser
Hinsicht Ordnung schaffen könnte: Man mache Herrn Baumgartner
endlich zum Hofschauspieler! ... Zum besseren Verständnis sei bemerkt,
daß der genannte Schauspieler von den Jahren 1874 bis 1878 der
Hofbühne angehört hat, dann aus dessen Verband schied und nach drei
Jahrzehnten von Schlenther wieder engagiert worden ist.
Die Saison schreitet vor, der Weihnachtsmonat steht vor der
Türe — eine der Bühnenlust weniger günstige Zeit, die die Direktionen
zwingt, für besondere Attraktionen, zum mindesten aber für reiche Ab¬
wechslung im Spielplan Sorge zu tragen. So ist denn gewöhnlich der
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Dezember einer der arbeitsreichsten Monate des Jahres, und die Wiener
Schauspieler sind stets froh, ihn überstanden zu haben. Nichtsdestoweniger
finden sie immer Zeit für ihre organisatorischen Arbeiten im Interesse
der Hebung und Sicherung der sozialen Verhältnisse des Standes.
Während die Direktoren über ihre Abhängigkeit von den Launen über¬
mütiger Stars klagen, erheben die Bühnenangehörigen, die nicht Stars
sind, den Ruf nach größerer Unabhängigkeit von den Direktoren. „Schutz
— für ihre Moral
für die weiblichen Bühnenangehörigen“
ist das Schlagwort, das von den Führern der klassenbewußten
Schauspieler ausgegeben worden ist, seitdem in jüngster Zeit gewisse
Tatsachen in zwei Prozessen erhärtet worden sind, von denen
aber eine in Berlin, der andere in Kopenhagen gespielt hat. Dem
Berliner Theaterleiter ist es übel ergangen; er wird
hart fiel das Urteil aus — in Deutschland keine Direktion
mehr führen lönnen. Mancher von den Wiener Direktoren fühlt
sich sehr geschmeichelt, plötzlich als so gefährlicher Mann zu gelten.
Einige von ihnen ziehen auch schon Konsequenzen aus der
scharfen Ueberwachung, die man jetzt dem Umgang zwischen Direktoren
und Damen des Theaters so gerne angedeihen lassen möchte. Wie man
sich denken kann, sind es Konsequenzen, in heiterem Sinne gezogen. Dem
Direktor Jarno gebührt das Verdienst, die Situation seiner Kollegen
— und der Regievorstände überhaupt, gegen die ja auch ein scharfer
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###ind weht — in einem nicht übeln Wort festgehalten zu haben.
Es war bei der Einstudierung der „Puderquaste, jener stark ge¬
pfefferten Komödie Ludwig Hirschfelds und Siegfried Geyers, die die
(jüngste Novität des Theaters in der Josefstadt bildet. Direktor Jarno
probte gerade die Liebesszene, die er als Prinz mit der schönen Lily hat,
Fräulein Marietta Weber, der reizenden Dame aus der französischen
Schweiz, die in der Schönheitsgalerie des Wiener Theaters bereits ihr
Plätzchen erobert hat.
„Sie müssen mich in diesem Momente stürmisch umarmen!“ sagte
der Direktor=Regisseur Jarno. „Denn nun hat sich Lily, nachdem sie
wochenlang die Spröde gespielt, entschlossen, den Prinzen endlich zu
erhören. Also probieren Sie's noch einmal! Recht leidenschaftlich!“
Frl. Weber tat, wie man ihr's empfohlen; aber Herr Jarno war
nicht zufrieden. Seine Partnerin wurde darüber ganz traurig. Doch der
Direktor sorgte sofort für ihre Erheiterung.
„Ich würde Ihnen schon zeigen, liebes Fräulein“ — sagte er —
„wie man stürmisch umarmt. Aber ich tu's lieber nicht. Denn heutzutage
*
ristiert man dabei, daß man die Konzession verliert!" #
Berliner Premieren.
Berlin, 26. November. (Tel. d. „Fremden=Blatt“.) In der
Komischen Oper wurde die dreiaktige Oper „Abbé Mouret“ von
dem Wiener Komponisten Max v. Oberleuthner zum ersten
Male aufgeführt. Das Texibuch hat Berthold Goldschmidt nach dem
Roman von Zola mit wirkungsvoller Romantik ausgestattet. Ein Abbe
entbrennt in Liebe zu einem Mädchen Albine, die einsam in einem
wilden Part bei ihrem Onkel aufgewachsen ist. Der Konflikt Zwischen
Pflicht und heißem Gefühl stürzt ihn in schwere Krankheit. Im zweiten
Akte nergeht er sich mit der Geliebten in dem paradiesischen Gärten und
hat sein frührres Leben über den Heilmitteln, die Albine spejdet, ver¬
gessen. Aber der Kaplan findet ihn in seinem Versteck undruft ihm
seine Pflicht gegen Gott so eindringlich in die Erinnerung zurück, daß
er die Geliebte von sich stößt. Im letzten Akte erscheint dem Abbé
nachts, indeß er in verzweifeltem Gebete ringt, Albine halb geisterhaft
und sucht ihn nochmals vergeblich mit sich zu ziehen. Darauf stirbt sie
in ihrem paradiesischen Garten den Liebestod. Diese Handlung ist durch
eingeflochtene dörfische Volksszenen, daruntr eine Hochzeitsfeier belebt.
Die Musik bewegt sich völlig in Wagnem Geiste. Ja, Wagners
typische Ausdrucksmittel sind dem Kom##msten so zur Nalur geworden,


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Militärisches.
(Spenden für den Flottenverein.) Dem Oesterreichischen
Flottenverein sind neuerlich namhafte Spenden zugekommen, so 3000
Kronen durch den Altgrafen Erich Salm und 5000 Kronen, die dem
Präsidenten des Vereins von anonymer Seite zur Verfügung gestellt
wurden.
(Militärkafino.) Im Militärwissenschaftlichen und Kasinoverein
in Wien findet am Freitag den 2. Dezember ein Vortrag des Haupt¬
mannes des Feldkanonen=Regiments Nr. 28 Emil Kraus: „Meine
Reise nach Ostasien und Indien (mit Lichtbildern nach eigenen Auf¬
nahmen) statt. Beginn 6 Uhr abends.
(Belobungen.) Korpskommandant G. d. J. Ritter v. Versbach
hat die belobende Anerkennung ausgesprochen: des Korpskommandos den
Offizieren des Infanterie-Regiments Nr. 4: Hauptmann Heinrich Stutz für
seine mehrjährige, vorzügliche und von bestem Erfolge begleitete Dienstleistung
als Kommandant der Einjährig=Freiwilligenschule und dem Leutnant Josef
Seifert für seine mehrjährige, besonders befriedigende, von sehr gutem
Erfolge begleitete Dienstleistung als Kommandant der Maschinengewehr¬
abteilung I/4, und des Landwehr=Kommandos: dem Majorauditor Ernst
Hofmann anläßlich seiner Ernennung zum Justizreferenten des Landwehr¬
Kommandos in Lemberg für seine durch mehr als vier Jahre als Leiter und
Untersuchungsrichter des Landwehrgerichtes in Brünn betätigte vorzügliche und
von bestem Erfolge begleitete Dienstleistung und dem Oberleutnant Alois
Kahlig des Landwehr-Infanterie=Regiments Nr. 1 anläßlich seiner Zu¬
teilung zur Intendanz nach abgelegter Prüfung für den Intendanzkurs für
bewährte bisberige
Hericiteng!