II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 187

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22. Derjunge Medandus
anischen Tage in nächsten vierzig Jahre beständige Kumpfe mt.
nd, so war es die fremden Mächten, die das schon von den Spaniern ent= gegen darf als wahrscheinlich angenommen werden, daß
Vorraum gegen den Zuf auerraum abgrenzt, hat
man gerade noch Zeit, das prachtvolle Bild dieses
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üppigen, mit Menschen garnierten Raumes flüchtig zu
umfassen. Das Parkett gleicht einem brodelnden Menschen¬
Die Burgtheaterpremiere eines Unbeteiligten.
kessel; ein Logenschlot nach italienischem Muster reicht
simer:
Was für ein hübscher, solenner Augenblick ist das
bis zur strahlenden Decke empor. Diese Logen mögen
doch immer an Premièrenabenden, wenn der dienst¬
nicht besonders praktisch, mögen altmodisch und un¬
2 bringen wir den
habende Wachmann die plebeische Eile des stürmisch
ökonomisch sein; jedenfalls sind sie an einem Premieren¬
heranrollenden Wagens durch eine gelassene Geberde
abend gar reizend anzusehen. Wie Hunderte von Bon¬
bändigt und ihn dazu verhält, sich dem kaiserlichen
C
bonnièren sind sie übereinandergetürmt, und in manchen
Theater in einem weitausgreifenden Bogen respektvoll zu
ster
von ihnen sind die süßesten Bonbons enthalten. Darum
nähern. Der Fahrgast kann sich bei dieser Gelegenheit
gehen auch im Zwischenakt die Herren so gerne herum
nochmals mit Genugtuung erinnern, wie schwer es war,
und naschen. ... Ueber das Ganze aber gießt die stern¬
sich eine Karte für diesen Abend zu verschaffen, und
artig angeordnete Deckenbeleuchtung ihren milden, woh¬
aris,
außerdem die wirklich imposante Auffahrt aus nächster
ligen Glanz aus. Eine wohltemperierte Atmosphäre schlägt
Akademie.
Nähe durch das Wagenfenster beobachten. Eben langt
dem Eintretenden entgegen und steigert sein Wohlgefühl.
ein lautloses, spiegelndes Elektromobil, dessen Inneres
Es riecht nach Pelz und seinen Kleidern, nach entblößten
taghell beleuchtet ist, oben auf der Rampe an. Eine
imer:
Schultern und diskret parsümiertem Frauenhaar. Männer
schwerfällige Feudalkarrosse mit aristokratischen Insassen
und Frauen in Soirectoiletten unterhalten sich geräusch¬
folgt; die Bogenpeitsche senkt sich, acht Hufe prasseln
„Der junge
los, wie in einem Salon. Kein lautes Wort, keine
gegen das Pflaster, ein Lakai springt vom Bock.
grelle Gebärde; alles ist gedämpft, musikalisch abgetönt,
matz. Anläßlich
Mit wienerischem Elan prellt ein Fiaker vor; ein Ein¬
vornehm zurückhaltend. Aber alles plaudert; denn wir
junge Medardus“.
spänner stolpert, mühselig und beladen, den kleinen Berg
sind in Wien.
hinauf. Ein Automobil schnurrt, eine viersitzige
rt
Jacques.
Nunmehr erlischt der leuchtende Stern an der Decke,
Familienkutsche mit konservativen Logengästen schließt sich
Dämmerung füllt den Raum, löscht die Farben aus und
der
vorsichtig, ohne Uebereilung an. So geht es eine Weile
für den
läßt das Geplauder verstummen. Der Vorhang wallt
fort, bis man schließlich selbst so weit ist. Ein artiger
dete Bücher.
auseinander, die neue Dichtung schlägt ihre Augen auf.
Diener mit Bandelier und Zweispitz öffnet den Schlag,
Dort oben auf der Bühne kommen und gehrn jetzt Menschen,
hilft der Dame beim Aussteigen. Und schon eilt man die
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lachen und weinen, lieben sich, hassen sich, umarmen,
schimmernde Treppe hinan, vorbei an Federhüten und
erdolchen, betrügen, morden und verzeihen einander —
spiegelnden Zylindern, an Marmorbalustraden, Säulen,
genau wie im wirklichen Leben. Aber es ist doch nicht
Statuen, Bildern, eilig, eilig, denn wer hat sich jemals
schtenblatt“
das wirkliche Leben, nur ein Spiel, von einem Dichter
Zeit genommen, dieses prächtige Treppenhaus aufmerksam
“: Aus dem
kunstvoll arrangiert, und das ist gerade das Feine daran.
zu besehen? Im Vorbeilaufen denkt man sich wohl: die
Indessen, nicht davon sei hier die Rede, nicht von der
Rachel müßte man sich einmal anschauen. alber man
für die k. und
Dichtung, über die ein Berufenerer bereits geurteilt hat,
kommt nicht dazu. In zwei Minuten ist Anfang, und
nur von den äußeren Ehren eines solchen großen Wiener
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im Burgtheater kommt man nicht zu spät. Es ist nicht
Premièrenabends, von dem reizvollen Bild, das er dem
chie, wie in den anderen Theatern, sondern einfach unge¬
unbeschäftigten Auge bietet. Es ist gut wienerisch, dieses
zogen, und man vermeidet es, wenn man Takt hat.
aus „Rudolf
Dann, sobeld die Garderobe versorgt und der Bild, obwohl die Institutisn der Première natürlich
any. Seite 62, wallende Plüschvorhang zurückgestreist ist, der den international ist. Aber zwischen Premieren und Pre¬
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