II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 194

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22. Denjunge Medandus
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00 Der junge Medardus.
sehen wir, die stammelnden Laute der Liebesbrunst hören auch diesmal nicht geglü
wir nur, wenn gerade die Kanonen schweigen. So will des Lesers die Bilderte#
# Historische Tragödie von Arthur Schnitler)
die andächtige Sammlung nicht aufkommen. Wir
darstellung fehlt diese T
Um halb 12 Uhr war das Stück alls, an apderen
gähnen ermüdet, da der junge Medardus an der Ge¬
Morgen brachten die Wiener Tagesblätter die umfang¬
lediglich eine kinematog
fängnismauer erschossen wird.
tönenden Worten der ein
reichsten Feuilletons. Die Kritik ist also mit dem. Spalten¬
Daran krankt ja Schnitzlers dramatische Begabung,
Die Bilder sind oft
abzug in der Tasche ins Burgtheater gegangen, dann
daß er aus großen Problemen die nichtigen Impulse
oft rührend. Aber zu
geschwind heim, den kurzen Nachsatz über die Aufführung
heraustit. Der junge Medardus zieht aus, das Vater= Bilder, zu wenig Spielr
in die wartenden Maschinen zu bringen . .. Das Urteil land zu befreien. Er hält an, weil sein junges der das Wort lebendig
war fertig, noch ehe die lebendige Aufführung gesprochen. Schwesterlein mit einem Prinzen in die Donau geht, da Schicksale vermögen nicht
Und wären die Geister noch so auserlesen, —
solch dessen stolzer Vater die Verbindung nicht gestattet. Am Augen Erschossene und
Urteil ist vorgefaßt, eine Buchkritik mit frischem Nachguß! Grabe des jungen Paares entbrennt er in Leidenschaft mung zu machen. Man
über die Aufführung.
für die hochmütige Prinzessin, die seine Schwester imWortes Kalchas: „Ramt'
Mich dünkt, ein so ernst strebender Schriftsteller Grabe schmäht. Und hier setzt der Verfasser der Anatol= die Unordnung nit sehn.
wie Schnitzler hätte Anspruch auf ein langsameres, in geschichten ein, der Prinzessinnen nicht höher stellt wie mahl versäumt zu haben.
der Aufführung, der lebendigen Darstellung begründetes das süße Mädel und kurzweg die Prinzessin mit dem Dichter, der offenbar ern
Urteil. Mögen die Urteilssprüche auch nächsichtig und
kleinen Bürgerssohn nach eineinhalbstündiger Bekannt¬
vom Beifall der Menge
vorsichtig sein, was die gestaltende Bühne spricht, das
schaft ins Brautbett schickt ... Vergebens versucht er dann
irregeführt, in reinere H
können die Richter doch nicht aus dem toten Buche lesen.
die historischen Wahrheiten mit der sexuellen Unwahr¬
Die Aufführung: all
Wie immer sie auch urteilen, sie tun dem Dramatiker
heit zu verknüpfen, er läßt Medardus Rache lechzen, wunderbare Bilder, Herr
unrecht, der nicht für den Leser, sondern für die Bühne wo der doch nur nach Liebe lechzt, gleich einem brünstigen Achtzig Künstler und ein
schreibt, gestaltet, zu formen sucht. Zweifellos hatHund. Daraus resultieren dann der Mord an der Prin=der eine Liebling spielt e
Schnitzler nicht das große historische Vaterlandsdrama zessin, die getötet wird, weil sie sich dem verhaßten Na= ein Stubenkätzchen. Aber
gesucht, als er den jungen Medardus fand, sein spinti= poleon ergeben, der Tod des Medaxdus, da er erkennt, nur eines in der Erinne
sierender Esprit tändelt lieber mit psychologischen Er daß dieses Liebesopfer nur gebracht wurde, den alten Hartmann, die glat
kenntnissen, denn mit der gravitätisch schreitenden Tyrannen zu töten. Vielleicht ist es historisch, was da neue Zeit schauen. Vie
Klassik. Er neigt mehr zu Sardon und Blumenthal, geschieht, aber dann waren die Impulse der Tat andere. Wo zwar der Gerasch
denn zu Grillparzer und Wildenbruch. Die kleine] So wie sie uns Schnitzler predigt, wirken sie lächerlich, [Wolgemuth eindruch
Tragödie des jungen Medardus, der auszog, eine
illusionzerstörend.
Wieder schlägt der Autor des und breit aber kein Grö
Königstat zu vollbringen und im Schlafgemach einer
„Reigen“ durch. Kleine Ursachen, große Wirkungen. die Zukunft zu erblicken
kleinen Prinzessin endet, hat den historischen Stoff der
Das mag in der Weltgeschichte zutreffen. Auf dem wie dieses, die brauchen so
Befreiungskriege nur zum Hintergrund. Vielleicht fühlt
Theater gilt ein anderes Gesetz und das Drama ist miß= ein tüchtiger Regisseur un
Schnitzler, daß zur historischen Wucht seine Gestaltungs¬
glückt, das diese Gesetze verleugnet. Was nützt der an= Das sichert eine Reihe von
kraft nicht ausreicht. So bleibt Napoleon hinter den
schauliche Bilderkram, der eine große Zeit in hübschen
Muß ich noch hinzufi
Kulissen, das große Befreiungsjahr rauscht an uns mit
Genrebildchen schildert. Was heißen die hübschen großen und viel Beifall gab? D
flüchtigem Bilderspott der Wiener Kleinmeierei vorüber. Worte, die sie begleiten und was besagt der Mut, die tage selbstverständlich und
Dennoch platzen die Granaten von der Bastei in das Kleinlichkeit des großen Körpers „Volk“ zu spotten.]als den Dichter. Und al
zarte Gespinst des Liebesromans hinein
Das Vom Dramatiker verlangen wir ein Theaterstück, nicht vermögen die Wahrheit
Stück stirbt an dem gewaltigen Hintergrund. Ihn Bilder mit Text. Und das Theaterstück ist Schnitzler!