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22. Der junge edaraus
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Unbesieglichkeit hinhielt, wie der Hypnotiseur das Opfer auf den glän¬
zenden Knopf schauen läßt. Dort wurde Wunsch und Wille und
*
*
Schicksal zu Schanden an dem größeren Willen, dem sonveränen Schick¬
„
sal, das der Zeit ihre Physiognomie gab. Hier mußten die Menschen,
*
die so viel Frühling in sich trugen, und soviel revoltierende Jugend und
*
1
sentimentalen Schmerz an der Welt — einen Schmerz, der ihnen über
*
die Schwelle des Jahrhunderts nachgeschlichen war —, hier mußten
sie zu Narren werden durch den Lauf der Dinge. Der Lauf der Dinge
*
aber war das Schicksal der einen, einzigen Persönlichkeit, die kleine
Helden durch ihre Finger rieseln ließ wie glänzende Käfer. Die Men¬
schen waren Dilettanten. Dilettanten des Lebens und Amateure im
2
*
Sterben. Ihr Rausch kam nicht über die siebzehnjährige Fanfare
des Gymnasiasten hinaus, und wenn sie starben, schlossen sie damit
nicht eine Tat, durch ein letztes, äußerstes Einstehen rund und voll
ab. Ihr Sterben erkaufte nichts, es war kein Siegel unter einem Frei¬
heitsbrief, nur ein Sich-Preisgeben aus Schmerz an dieser Zeit, ein
*
stürmisches Entlauben in einem Frühling, der alle Blüten gebraucht
*
*
hätte. Und so ist auch der junge Medardus geraten. Das ist der ge¬
1
dankliche und dichterische Gehalt der Historie, das Begreifen; der Lauf
*
der Dinge machte die Menschen zu Narren. Und es würe eine wunder¬
volle Tragik geworden, wenn Medardus Klähr als eine Hoffnung, als ein
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Großer, Ganzer, Klarer in die Arrnis seiner Zeit getreten wäre, um
endlich doch von dem „Lauf der Dinge“ gefällt zu unterliegen; wenn
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ihn Gott zum Helden geschaffen und die Zeit zu ihrem Narren ge¬
*
*
macht hätte. Aber dieser junge Medardus ist niemals der Große, Ganze,
Klare gewesen; die Dinge hatten sich nicht zu bemühen, ihm ihren
„
Narrenglanz über die flammenden Wangen zu schminken. Der typische
Dilettant Medardus stürzt sich in das Kostüm seiner Zeit, sehnt sich
1
kaum, seine eigenste Nacktheit zu spüren. Hier fehlt die bewegende
*
Tragik. Denn die schmerzliche Komik aller ist die Tragik des jungen
3
Medardus, der, einer mehr, zum Narren wird, weil Gott ihn nicht zum
:
Helden schaffen wollte. Vielleicht hat Schnitzler diese uninteressante
*
Dürftigkeit gefühlt, vielleicht hat er darum den ungeheuren Rahmen des
Milieus, der über dem jungen Medardus aufgebaut wurde mit einem¬
2
mal gesprengt, seinen Helden von der Zeit losgelöst, und den Zwie¬
„
*
spältigkeit der eigenen Seele gegenübergestellt, ihn aus dem eigenen
*
Schicksal und nicht aus dem der Zeit heransgeholt. Doch dann versagt
Medardus Klähr ein zweitesmal. Die triebhaften Menschlichkeiten, deren
1
*
er mühelos erliegt, die ihn hindern, eine „reine Tat“ zu üben, machen
ihn nicht tragisch. Er bleibt der Held, ohne Bestellungsdekret, ohne
Befähigungsnachweis, einer von vielen, und hat nicht einmal den Mil¬
:
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derungsgrund der Zeit für sich, die aus den Stürmern Narren machte.
Die Historie hat keine tragische Retrospektive. Sie schließt mit einer
Tragödie, obwohl die Entwieklung den Konsens dazu verweigert. Nicht:
2
*
eine Tat konnte nicht ausreifen, sondern ein Zufall ist geschehen, ein
*
Knabe rennt in die Kugeln.
So steht der junge Medardus zwischen der Zeit (über die er nicht
*
hinausragt) und zwischen seiner eigenen Uninteressantheit. Und so
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wird der dampfende, mit immenser dramatischer Hochspannung und oft
*
beispielsloser bildhafter Kraft aufgerollte Hintergrund unwesentlich.
W
*
Er löst sich los, von dem Schicksal, dem er dienen sollte, verliert das
Rückgrat, zerbröckelt in Kinematogramme, saugt die Energien des Dich¬
:
*
ters auf. Wird zu gestellten Situationen von blendendem Kolorismus
*
allerdings und feinstem Stilempfinden; aber er ist nicht mehr organisch
*
notwendig. Medardus Klähr wäre zu allen Zeiten ein Dilettant ge¬
*
wesen.
*
Das sollte aus einem Guß kommen, Zeit und Held. Und dann lockerte
„
1
sich das Gefüge. Darum wohl die ungeheure, in ihrer Kraft imponierende
*
Anspannung, das Milieu neben dem Motiv zu sättigen. Bis weit über
die Grenzen des Ausstattungsstückes hinaus. Daß man mitten in diesen
*
*
koloristischen Orgien, in diesem Wandeln und Wogen, unter melo¬
*
dramatischen Friedensglocken und lyrischen Kleinbürgerstuben, bei kra¬
chenden Kanonaden und Apotheosen, bei Feuergarben und polterndem
Aufruhr, bei all diesem Bengalismus den Atem des Dichters fühlt,
ist das Geheimnis der prominenten Künstlerschaft Schnitzlers, die über
unendliche Effekte hin noch mit diskretester, nobelster Deutlichkeit
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Unbesieglichkeit hinhielt, wie der Hypnotiseur das Opfer auf den glän¬
zenden Knopf schauen läßt. Dort wurde Wunsch und Wille und
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Schicksal zu Schanden an dem größeren Willen, dem sonveränen Schick¬
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sal, das der Zeit ihre Physiognomie gab. Hier mußten die Menschen,
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die so viel Frühling in sich trugen, und soviel revoltierende Jugend und
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sentimentalen Schmerz an der Welt — einen Schmerz, der ihnen über
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die Schwelle des Jahrhunderts nachgeschlichen war —, hier mußten
sie zu Narren werden durch den Lauf der Dinge. Der Lauf der Dinge
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aber war das Schicksal der einen, einzigen Persönlichkeit, die kleine
Helden durch ihre Finger rieseln ließ wie glänzende Käfer. Die Men¬
schen waren Dilettanten. Dilettanten des Lebens und Amateure im
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Sterben. Ihr Rausch kam nicht über die siebzehnjährige Fanfare
des Gymnasiasten hinaus, und wenn sie starben, schlossen sie damit
nicht eine Tat, durch ein letztes, äußerstes Einstehen rund und voll
ab. Ihr Sterben erkaufte nichts, es war kein Siegel unter einem Frei¬
heitsbrief, nur ein Sich-Preisgeben aus Schmerz an dieser Zeit, ein
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stürmisches Entlauben in einem Frühling, der alle Blüten gebraucht
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hätte. Und so ist auch der junge Medardus geraten. Das ist der ge¬
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dankliche und dichterische Gehalt der Historie, das Begreifen; der Lauf
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der Dinge machte die Menschen zu Narren. Und es würe eine wunder¬
volle Tragik geworden, wenn Medardus Klähr als eine Hoffnung, als ein
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Großer, Ganzer, Klarer in die Arrnis seiner Zeit getreten wäre, um
endlich doch von dem „Lauf der Dinge“ gefällt zu unterliegen; wenn
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ihn Gott zum Helden geschaffen und die Zeit zu ihrem Narren ge¬
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macht hätte. Aber dieser junge Medardus ist niemals der Große, Ganze,
Klare gewesen; die Dinge hatten sich nicht zu bemühen, ihm ihren
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Narrenglanz über die flammenden Wangen zu schminken. Der typische
Dilettant Medardus stürzt sich in das Kostüm seiner Zeit, sehnt sich
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kaum, seine eigenste Nacktheit zu spüren. Hier fehlt die bewegende
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Tragik. Denn die schmerzliche Komik aller ist die Tragik des jungen
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Medardus, der, einer mehr, zum Narren wird, weil Gott ihn nicht zum
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Helden schaffen wollte. Vielleicht hat Schnitzler diese uninteressante
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Dürftigkeit gefühlt, vielleicht hat er darum den ungeheuren Rahmen des
Milieus, der über dem jungen Medardus aufgebaut wurde mit einem¬
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mal gesprengt, seinen Helden von der Zeit losgelöst, und den Zwie¬
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spältigkeit der eigenen Seele gegenübergestellt, ihn aus dem eigenen
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Schicksal und nicht aus dem der Zeit heransgeholt. Doch dann versagt
Medardus Klähr ein zweitesmal. Die triebhaften Menschlichkeiten, deren
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er mühelos erliegt, die ihn hindern, eine „reine Tat“ zu üben, machen
ihn nicht tragisch. Er bleibt der Held, ohne Bestellungsdekret, ohne
Befähigungsnachweis, einer von vielen, und hat nicht einmal den Mil¬
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derungsgrund der Zeit für sich, die aus den Stürmern Narren machte.
Die Historie hat keine tragische Retrospektive. Sie schließt mit einer
Tragödie, obwohl die Entwieklung den Konsens dazu verweigert. Nicht:
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eine Tat konnte nicht ausreifen, sondern ein Zufall ist geschehen, ein
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Knabe rennt in die Kugeln.
So steht der junge Medardus zwischen der Zeit (über die er nicht
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hinausragt) und zwischen seiner eigenen Uninteressantheit. Und so
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wird der dampfende, mit immenser dramatischer Hochspannung und oft
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beispielsloser bildhafter Kraft aufgerollte Hintergrund unwesentlich.
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Er löst sich los, von dem Schicksal, dem er dienen sollte, verliert das
Rückgrat, zerbröckelt in Kinematogramme, saugt die Energien des Dich¬
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ters auf. Wird zu gestellten Situationen von blendendem Kolorismus
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allerdings und feinstem Stilempfinden; aber er ist nicht mehr organisch
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notwendig. Medardus Klähr wäre zu allen Zeiten ein Dilettant ge¬
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wesen.
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Das sollte aus einem Guß kommen, Zeit und Held. Und dann lockerte
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sich das Gefüge. Darum wohl die ungeheure, in ihrer Kraft imponierende
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Anspannung, das Milieu neben dem Motiv zu sättigen. Bis weit über
die Grenzen des Ausstattungsstückes hinaus. Daß man mitten in diesen
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koloristischen Orgien, in diesem Wandeln und Wogen, unter melo¬
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dramatischen Friedensglocken und lyrischen Kleinbürgerstuben, bei kra¬
chenden Kanonaden und Apotheosen, bei Feuergarben und polterndem
Aufruhr, bei all diesem Bengalismus den Atem des Dichters fühlt,
ist das Geheimnis der prominenten Künstlerschaft Schnitzlers, die über
unendliche Effekte hin noch mit diskretester, nobelster Deutlichkeit
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