II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 246

box 26/6
22. Jer lunge eudraus
WENTTTTTTTTTTTTZTETTTTTTTTTTTETTTTTTTTTTTTTTTTTTTTTTTTTTAATT
*
1
*
5
*

aufbegehrt; das Außerlichste noch vertieft, die glatteste Oberfläche zer¬
5
*
2
schlägt, um das Innerste zu belichten, die Gebärde in innere Bewegung
8
umwertet.
1

Ungleich ist der dramatische Gehalt dieser Bühnendichtung. Neben
*
1
*
*
Szeuen von episch-ruhigem Fluß und von idyllischer Bewegungslosigkeit
A
*
(Idylle im ursprünglichen Sinne des Wortes) ereignen sich Szenen, die
über ihre Spannungsmöglichkeit hinausgeschwellt sind, Funken stieben
:
und knistern, bis sie zu dramatischen Entladungen werden, die er¬

barmungslos drauf und dran wettern mit einer muskulösen Sieghaf¬
tigkeit.
*
*
Dann: immer diese dichterische Ruhe im Symbolischen, diese Selbst¬
*
verständlichkeit des Künstlers, der deutet und mit tieferem Sinne ver¬
gleicht. Ein Symbol etwa: „Der uralte Mann“, der Todlose, Ewige. Es
2
ist nichts neues, man ist diesem Sinnbild ungezählte Male begegnet,
aber es ist wundervoll, wie Schnitzler das Symbol in die Gescheh¬
*
*
nisse hineinkomponiert. Und es ist wundervoll, wie er Wienerische
*
Luft und Wienerisches Licht über den bunten Bildern festzuhalten weiß.
Man spürt diese Luft. Spürt sie aus imponderablen Unfaßbarkeiten, und
atmet sie, die noch gewürzt ist von dem Geruche jener Epoche; so
schmeckt der Duft von Wildbächen zur Zeit der Schneeschmelze. All'
diese Feinheit und Delikatesse neben grellen Aeußerlichkeiten. Wie
fein, daß Napoleon, die Achse, um die hier alle Geschehnisse und Schick¬

sale rotieren, nicht auf die Bühne kommt, daß er unsichtbar, allgegen¬
*
wärtig ist, daß man seinen Schatten überall wittert und den Drei¬
spitz jetzt und jetzt zu sehen meint. Wie psychologisch wahr und
*
*
doch wieder auf den Effekt gestellt, daneben der brausende Hoch¬
2
ruf einer schlappen Wienerschaft, wenn der Große über Tod und Weh
hinuntersteigt von der Schönbrunner Freitreppe, für das Publikum um
eine glückliche Sekunde zu spät, weil der Vorhang in weiser Recht¬
2
zeitigkeit fällt.
Da wären wir nun glücklich bei den adversativen Bemerkungen:
allerdings, freilich, aber... Doch jetzt hat sich unsere Betrüb¬
*
ni¬
wird zum¬
aber
erholt, und das allerdings ... freilich
* *
Primären, das schon freudig hinübersteigt über den toten Medardus
:
und neues von dem Dichter erwartet.
*
Die Aufführung, die das Burgtheater dem Werke angedeihen ließ,
3
ist einfach über alle Worte erhaben. Man fühlt das verschollene Schlag¬
wort wieder Kraft gewinnen: Erste deutsche Bühne! Mit welcher
*
Noblesse, mit welcher ungemeinen Plastik wird dieser gigantische sze¬
*
*
nische Apparat bewältigt. Das gesammte Personal der Hofbühne ward
hiefür aufgeboten. Welche künstlerische Disziplin im Unterordnen. Um
3
winzige Episoden nahmen sich die ersten Darsteller mit einer Liebe an,
die bewundert werden muß. Hier ist ein Werk geschehen, das vereinzelt
*
dastcht, mit ungeheuren Opfern erkauft war und fast restlos gelang.
E
Glänzend Frau Römpler-Bleibtreu als Mutter Klähr. Resolut.
innig, schmerzlich, ergreifend. Sehr rührend Frau Medelsky als
W
Geliebte, schlicht und echt Frau Mell als Verschmähte. Sie flüchtet mit
ihrer Verschmähtheit ganz in sich hinein, verhüllt ihre Bitternis in

K
resignierte Unaufdringlichkeit. Einzig Frl. Wohlgemuth in ihrer.
*
grausamen Härte, von stahlhartem Schliff, als Marquise von Valois.
*
Dieser gläserne, kühl-klare Ton verläßt einen nicht. Nur Herr Ge¬
:
1
rasch brachte für den jungen Medardus nicht viel mehr als leere De¬
a
klamation. Erschütternd in seiner wahrhaften, überlegenen Schlicht¬
*
2
heit Herr von Balajthy als Eschenbacher. Rührend in seiner ver¬
:
:
krümmten Hilflosigkeit Herr Treßler. Wenn man von den
*
vorzüglichen Episodisten nur den famosen Herrn Straßni, als ur¬
*
alten Herrn, und Herrn Korff als außergewöhnlichen Charakteristiker

eines intriganten Wiener Spießers, nennt, hat man eine Sünde am Ge¬
*
wissen.
2
Das Burgtheater hat einen Glanzabend hinter sich. Das Spek¬
takel ward sordiniert, das Aeußerliche soigniert und gerundet. So hat
die Bühne dem starken, in der Wucht noch liebenswürdigen Dichter
einen Erfolg erstritten, um den sein „junger Medardus“ allein vielleicht
Max Preis.
vergeblich gekämpft hätte.
W EHETTTTTETETTTTTTTTTTTETTTTTTTTTTTEETNTENTEEGEEEEEETETTTTAAT
10