II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 257

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22. Denjunge edardus
Leopold Freiherr v. Chlumecky, Politische Übersicht.
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immer verliebt, kalt im Empfinden und heiß in der Leidenschaft und dabei
von eiserner Willenskraft („der Wille ist alles, es gibt kein Glück“) — eine
Figur wie die Adelheid im Götz. Daß die junge Darstellerin, die für die Rolle
eine glänzende äußere Erscheinung mit sich bringt, alles herausgeholt hätte,
was in diesem komplizierten weiblichen Charakter steckt, möchte ich nicht be¬
haupten; zum Dämonischen hat sie sich nicht erhoben und auch die sinnliche
Grundlage ist nicht stark genug fühlbar geworden. Wenn sie aber auch nicht
den ganzen Umfang von der Dame bis zur Königin ausgemessen hat, so hat
sie sich doch in der Mitte zwischen beiden mit allen Ehren behauptet.
Das Publikum hat das Wiener Stück sehr warm ausgenommen, und nur
gegen den Übereifer der Hyperenthusiasten, nicht gegen den Dichter machte sich
zuletzt eine schüchterne Opposition geltend. Es wäre wohl zu wünschen, daß
das Burgtheater für die schweren Opfer, die es dem Stück schon gebracht hat
und noch jeden Abend bringen muß, Entschädigung finde, Freilich: um den
„Medardus“ einträglich zu machen, müßte man mit ihm nach leidigem
modernem Vorbild in den Zirkus gehen. Schon um der herrlichen Lefflerischen
Dekorationen willen würde dort kein Wiener diesen Altwiener Abend ver¬
säumen.
Politische Übersicht.
Von Leopold Freiherrn v. Chlumecky.
wünschen, daß auch künftighin die Presse
Die Absicht Österreich=Ungarns, seine
Italiens bei der Beurteilung der öster¬
Kriegsflotte durch den Bau einiger Dread¬
reichischen Vorgänge in gleicher Weise
noughts zu stärken, beschäftigt die italie¬
maßhalten würde, erscheint dies doch
nische Öffentlichkeit in hohem Maße:
als eine Vorbedingung zur Herstellung
Man ill in Italien unter allen Um¬
herzlicher Beziehungen.
ständen den Vorsprung — den man in¬
Die italienische Presse ist auf die
folge unserer langjährigen Vernachlässi¬
Türkei schlecht zu sprechen, seitdem diese
gung der Kriegsflotte gewonnen hat
sich von England, Frankreich und Ru߬
beibehalten und scheint zu diesem
land ein wenig abgekehrt hat und dem
Zwecke ein neues Flottenprogramm in
österreichisch=ungarisch=deutschen Block
Erwägung zu ziehen. Erst neulich hat im
etwas näher gerückt ist. Der bekannte
„Giornale d'Italia“ eine „kompetente
italienische Balkanschriftsteller Vico
Persönlichkeit“ erklärt, Italien müsse, so¬
Mantegazza beklagt sich darüber, daß
fern Österreich=Ungarn vier Dreadnoughts
die Türkei Italien so behandle, als ge¬
baue, die Zahl der eigenen Monstreschiffe
höre es „ausschließlich“ der Entente¬
zumindest auf sechs erhöhen, selbst auf die
Gruppe und nicht auch dem Dreibunde
Gefahr hin, daß das englisch=deutsche
an. Es ist gewiß nicht die Schuld der
„Dreadnought=Duell“ sich — in freilich
Türkei, wenn die Politik Italiens jahre¬
zwischen
kleineren Dimensionen
lang eine solche war, daß man es nur
Österreich und Italien wiederhole.
de jure zum Dreibunde, de facto aber
Die ernste italienische Presse hat die
zur Entente=Gruppe. der Westmächte
Rede des Vizebürgermeisters Porzer
zählen mußte und daß heute noch die
welcher die Wiederaufrichtung des Kirchen¬
Haltung eines Teiles der italienischen
staates forderte — mit Gleichmut hin¬
Presse die Politiker am Goldenen Horn
genommen und der hierüber in der Dele¬
veranlaßt, an dieser „Klassifizierung“ fest¬
gation abgegebenen Erklärung des Grafen
zuhalten.
Aehrenthal Beifall gezollt. Es wäre zu