22. Derjunge Nedandus
Telephon 12.801.
JSDSENVEN
I. österr. beh. konz. Unternehmen für Zeitungs¬
Ausschnitte und Bibliographie.
Wien, I., Concordiap. latz 4.
Vertretungen
in Berlin, Brüssel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnittlaus: Bresiauer Morgen Zeitung.
18 72.1910
Voni:
Breslauer Morgen=Zeitung
Ng 591
Der Streik der Chorherren in der Hofoper ist glücklich beigelegt.]
Die Werren von Brabant“ sind zu den schmalen Fleischtöpfen der
Generalintendanz zurückgekehrt und tun im Chor nicht nur mit den
Händen, sondern, wie es sich gehört, auch mit der Stimme mit. Auch
Herr Felix Weingartner, der„Direktor auf entfernte Meilen, ist aus
Rom nach Wien zurückgekehlt und weist jetzt in einem Eingesandt
der Blätter nach, daß die Chorßerxen genau genommen eigentlich ein
üppiges Leben z7führenich vercLege seien, wie man sich's schöner
kaum denken könne. Alfred Freiher von Berger, von dem ich letzt¬
hin erzählte, daß er sich (am Tege seiner Ernennung zum Burg¬
theaterdirektor von einem Arzt auf Zucker untersuchen ließ, denkt
jetzt gar nicht mehr an solche chemisch=physiologische Sentimentalitäten,
sondern freut sich des ganz ungeahnten Erfolges den ihm „Medardus“
gebracht hat. Das ist so recht ein Stück für die Wiener: Fast das
ganze Burgtheater spielt mit, darunter natürlich die „Lieblinge'
alle in mitunter sehr bescheidenen Rollen, was doch gewiß seh
pikant ist. Der Autor heißt Arthur Schnitzler, der doch unser einzige:
großer Dichter ist und einzig und allein den Muth hat, die Stirnlocke
noch zu tragen, die die übrigen Wiener Dichter alle sich haben weg¬
schneiden lassen. Hermann Bahr hat sie sich wegrasieren lassen, Hugo
von Hofmannsthal verschmäht sie und selbst Felix Dörmann, der mit
Vorliebe den Oskar Wilde kopiert und nebenbei seit Jahren mit
einer überlebensgroßen Stirnlocke paradierte, will nichts mehr von
ihr wissen. Endlich ist der Held Medardus ein verrücktes Huhn, denn
statt den Napoleon zu ermorden, bringt er seine eigene Geliebte um
ist das nicht herzerhebend? Einen so talentierten Menschen wie
den ersten Napoleon auf der Bühne umzubringen oder auch nur ein
Attentat auf ihn zu versuchen, ist, nebenbei gesagt, geschmacklos, denn
der erste Napoleon war seit jeher ein erklärter Liebling der Wiener,
seit jenen Tagen vor jetzt hundert Jahren, da er von der breiten
Schönbrunner Freitreppe aus die Revue über die Truppen abnahm,
bis zum heutigen Tage, da Arthur Schnitzler ihn in seinem aller¬
neuesten Anatol=Stück verewigte.
Kein Wliener Brief „b„„ 1 2
box 26/6
„OBSERVER“
I. österr. behördl.
konzessionirtes
Bureau
für Zeit e gsnachrichten
Wien, I.
Konkordisplatz 4
Neues Wienar Taghlatt
IROE1 8 10
(Von der Witwe Klähr.) Ein Freuhd
unfres Blattes schreibt uns: „Im „Jungen Medardus“ von
Schnitzler kommt eine Buchhändlerswitwe Klähr
vor, die über kaum „historisch“ sein dürfte. Ist es ein
Zufall oder Absicht, daß der Dichter gerade diesen Namen!
gewählt hat, der einer in der Lokalgeschichte Wiens sehr
bekannten Schlossermeisterin gehört? Sie hat sogar ihre
EIT·
Gasse in Wien, di: Klahrgasse in Untermeidling, die bis
zum Jahre 1894 Stiftgasse hieß. Frau Franziska Klähr
war k. k. Hof= und Kabinetts= und bürgerliche Schlosset¬
meisterin, und in den Franzosenjohren 1805 und 1809
hat sie mit Geld, durch ihr Beispiel und ihre persönliche
Hilfeleistung außerordentlich viel für verwundete Krieger
und arme Bewohner Wiens getan. Hormayr widmete
ihr in seiner Geschichte Wiens ein begeistertes Lob und
erwähnte auch, daß sie von Kaiser Franz die große
goldene Medaille mit der Ketie erhielt, eine damals,
namentlich für eine Frau, seltene Auszeichnung. Geboren¬
wurde Frau Klähr als Tochter des ungarischen Hof¬
agenien Prokisch am 7. August 1774, sie heiratete den
Schlossermeister Klähr im Jahre 1790, wurde aber jung
Witwe und übte dann über ein halbes Jahrhundert lang
selbständig das Schlossergewerbe aus. Die Werkstätte hatte
sie beim alten Kärntnertor. Unter Maria Theresia geboren,
hatte sie bis in die Regierungszeit Kaiser Franz Josefs
gelebt, alse unter fechs, Regenten.
Telephon 12.801.
JSDSENVEN
I. österr. beh. konz. Unternehmen für Zeitungs¬
Ausschnitte und Bibliographie.
Wien, I., Concordiap. latz 4.
Vertretungen
in Berlin, Brüssel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnittlaus: Bresiauer Morgen Zeitung.
18 72.1910
Voni:
Breslauer Morgen=Zeitung
Ng 591
Der Streik der Chorherren in der Hofoper ist glücklich beigelegt.]
Die Werren von Brabant“ sind zu den schmalen Fleischtöpfen der
Generalintendanz zurückgekehrt und tun im Chor nicht nur mit den
Händen, sondern, wie es sich gehört, auch mit der Stimme mit. Auch
Herr Felix Weingartner, der„Direktor auf entfernte Meilen, ist aus
Rom nach Wien zurückgekehlt und weist jetzt in einem Eingesandt
der Blätter nach, daß die Chorßerxen genau genommen eigentlich ein
üppiges Leben z7führenich vercLege seien, wie man sich's schöner
kaum denken könne. Alfred Freiher von Berger, von dem ich letzt¬
hin erzählte, daß er sich (am Tege seiner Ernennung zum Burg¬
theaterdirektor von einem Arzt auf Zucker untersuchen ließ, denkt
jetzt gar nicht mehr an solche chemisch=physiologische Sentimentalitäten,
sondern freut sich des ganz ungeahnten Erfolges den ihm „Medardus“
gebracht hat. Das ist so recht ein Stück für die Wiener: Fast das
ganze Burgtheater spielt mit, darunter natürlich die „Lieblinge'
alle in mitunter sehr bescheidenen Rollen, was doch gewiß seh
pikant ist. Der Autor heißt Arthur Schnitzler, der doch unser einzige:
großer Dichter ist und einzig und allein den Muth hat, die Stirnlocke
noch zu tragen, die die übrigen Wiener Dichter alle sich haben weg¬
schneiden lassen. Hermann Bahr hat sie sich wegrasieren lassen, Hugo
von Hofmannsthal verschmäht sie und selbst Felix Dörmann, der mit
Vorliebe den Oskar Wilde kopiert und nebenbei seit Jahren mit
einer überlebensgroßen Stirnlocke paradierte, will nichts mehr von
ihr wissen. Endlich ist der Held Medardus ein verrücktes Huhn, denn
statt den Napoleon zu ermorden, bringt er seine eigene Geliebte um
ist das nicht herzerhebend? Einen so talentierten Menschen wie
den ersten Napoleon auf der Bühne umzubringen oder auch nur ein
Attentat auf ihn zu versuchen, ist, nebenbei gesagt, geschmacklos, denn
der erste Napoleon war seit jeher ein erklärter Liebling der Wiener,
seit jenen Tagen vor jetzt hundert Jahren, da er von der breiten
Schönbrunner Freitreppe aus die Revue über die Truppen abnahm,
bis zum heutigen Tage, da Arthur Schnitzler ihn in seinem aller¬
neuesten Anatol=Stück verewigte.
Kein Wliener Brief „b„„ 1 2
box 26/6
„OBSERVER“
I. österr. behördl.
konzessionirtes
Bureau
für Zeit e gsnachrichten
Wien, I.
Konkordisplatz 4
Neues Wienar Taghlatt
IROE1 8 10
(Von der Witwe Klähr.) Ein Freuhd
unfres Blattes schreibt uns: „Im „Jungen Medardus“ von
Schnitzler kommt eine Buchhändlerswitwe Klähr
vor, die über kaum „historisch“ sein dürfte. Ist es ein
Zufall oder Absicht, daß der Dichter gerade diesen Namen!
gewählt hat, der einer in der Lokalgeschichte Wiens sehr
bekannten Schlossermeisterin gehört? Sie hat sogar ihre
EIT·
Gasse in Wien, di: Klahrgasse in Untermeidling, die bis
zum Jahre 1894 Stiftgasse hieß. Frau Franziska Klähr
war k. k. Hof= und Kabinetts= und bürgerliche Schlosset¬
meisterin, und in den Franzosenjohren 1805 und 1809
hat sie mit Geld, durch ihr Beispiel und ihre persönliche
Hilfeleistung außerordentlich viel für verwundete Krieger
und arme Bewohner Wiens getan. Hormayr widmete
ihr in seiner Geschichte Wiens ein begeistertes Lob und
erwähnte auch, daß sie von Kaiser Franz die große
goldene Medaille mit der Ketie erhielt, eine damals,
namentlich für eine Frau, seltene Auszeichnung. Geboren¬
wurde Frau Klähr als Tochter des ungarischen Hof¬
agenien Prokisch am 7. August 1774, sie heiratete den
Schlossermeister Klähr im Jahre 1790, wurde aber jung
Witwe und übte dann über ein halbes Jahrhundert lang
selbständig das Schlossergewerbe aus. Die Werkstätte hatte
sie beim alten Kärntnertor. Unter Maria Theresia geboren,
hatte sie bis in die Regierungszeit Kaiser Franz Josefs
gelebt, alse unter fechs, Regenten.