II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 309

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vom:
eingreifen, als es den höheren Anordnungen ent¬
Ss se
nische Lebendigkeit in seinen jungen Gliedern und
einen Hund eingescharrt hat. Und nun eilt er in
denkt wenig an Glaubenssätze. Der wilde Reiter
Die Tragödie eines Volkes
die Fremde, um in geweihter Erde zu liegen, will
schnuppert die Ketzerei schon heulen draußen seine
so den Kaiser wenigstens überlisten, da es ihm
lattet der Untertitel von Karl Schön¬
grausamen Söldner. Da stürzt die Nachbarin her¬
mit dem Herrgott nicht gelang.
zerus Meislerdrßma „Glauhe und Hei¬
bei die Sandpergerin, die ist in die Brust ge¬
Der „Spatz“ aber tollt indes auf alle Bäume,
n#t das ham Samstag (bend am Wiener Deut¬
stochen, weil sie ihre lutherische Bibel nicht her¬
ist selig, daß er hinaus soll, in die lockenden Wei¬
#blsthe cteg zur raufführung kam.
geben will. Und der Toten noch kann niemand
ten. Noch ahnt er nicht, daß er bleiben muß. Der
Flatle und Hezat= diese beidenfUrkräfte der alten
ihren Gott entreißen. Dies Beispiel der Bekenne¬
Auszug dieser bedrängten Menschen geht weiter,
Bausenseele, sonst vereinigt, haben sich entzweit,
rin packt den Rott, „von innen heraus glühend“
auf Karren schleppen sie ihr uraltes Gut mit sich.
tehen gewappnet widereinander. Dies ist die Ge¬
Der Sandperger aber kann nicht fort, wohl sieht
bekennt er sein „einwendiges“ gegen das niemand
chichte der Gegenreformation in den österreichischen
er vor sich sein gemordetes Weib, das ihn an seine
kann. „Bluet ist ein gueter Dung, Herr Reiter!
Alpenländern, da man sie katholisch machte". Das
Pflicht mahnt, wohl ringt er zermartert mit seiner
Bluet gibt Kraft!“ Aus dem „Teufelsdung des
par ein äußerst schmerzhafter Vorgang, man trieb
Toten und dem Gottesworte, aber er läßt sein
vergossenen Ketzerblutes“ wachsen wieder sechs
die „lutherischen Ketzer“ aus dem Lande, wenn sie
Häuserl nicht er schwört ab. Nur zwei verlangen
andere nach. Rott ruft befreit sein Bekenntnis:
nicht abschwören wollten. In Wahrheit: die Tra¬
achend den Wanderpaß: Das ist ein junges Va¬
„Aus der Unruh meines Gewissens heraus.. vor
zödie eines Volles Der Tiroler chönherr hat
gantenpaar, der Kesselflickerwolf und das Straßen¬
Gott und Menschen bekenn' ich mich laut und offen
nit den „griffigen Fingern“ seiner Bauersleute den
trapperl. Jetzt haben diese Heimatlosen mit dem
zur ungeänderten Augsburger Konfession..“
gewaltigen Stoff ergriffen, und er hat ihn nicht
gesiegelten Papier, etwas Gesetzliches, jauchzend
Schreit der wilde Reiter: „Christofer Rott! Dir
osgelassen. Diese Tragödie ist unwiderstehlich, und
ziehen sie, unbekümmert um diese beiden „Glau¬
lad ich noch auf, daß Du Dich biegst!“ Der Rott:
sie ist. man muß das große Wort sagen, — voll¬
ben“, die „raufert“ sind die Straßen entlang, sie
„Hab' an breiten Rücken; und mein Gott hift mir
kommen. Schlechthin vollkommen. Da ist kein
sind nunmehr diesen Bodensässigen Erdgebundenen
tragen!“
Buchstabe wegzunehmen, und eine jede dieser Ge¬
gleich, nein, sie sind in ihrem Jauchzen ihnen
Der Schuster nagelt die Schuhe für die Vertrie¬
stalten ist wie der Iweig eines Riesenbaumes: des
überlegen, sie sehen irgendwo ein Häuschen, eine
benen die aus dem Lande müssen, weit weg über
Volkes. Weithin breitet es sich in diesen drei
Heimat vor sich, die die vertriebenen Bauern nie
die Landstraße, aus ihrem ganzen Leben heraus,
wunderbar kargen Akten aus. Ein jeder hat seine
mehr haben werden, weil sie auch in der Ferne
das dieser kleine Fleck Erde war. Der Englbauer
Beziehung, seine eigene Stellung zum Ganzen, und
immer auf ihrer alten Erde weilen werden, von
ist unterdes darauf aus, die Bauernhöse alle zu
alle zusammen sind eines. Mit der unwidersteh¬
der sie Entwurzelte nicht loskommen. Ja, nun sind
kaufen. Für ihn ist jetzt gute Zeit; neun Buben
lichen Gewalt des Genies ist dieses Werk hinge¬
schon alle auf dem Schub, die Reihe ist bei dem
hat er schon jeder soll seinen Hof haben, wie er
schleudert. Man will gar nicht daran denken, was
Rott. Da erfährt der „Spatz“ endlich, daß er nicht
zur Welt kommt, soll als bodensässiger Bauer
ein Gesinnungsmacher ein Tendenzdonnerer aus
mitkommen dar! Der Bub hat gerade ein Vogel¬
geboren werden. Und der Hof des Rott, der soll
ienen aufwühlenden Vorgängen für Geschrei und
häusel geholt und Leimruten. „Ein Vögele fangen:
dem Kinde gehören das in diesen Stunden ge¬
Tumult herausgepreßt hätte. Hier schreien die
bei der ersten Rast. .. Daß wir auf der Wander¬
boren wird. Die Rottbäuerin muß sehen, wie der
Leute nicht nach Freiheit, in Blut und Greueln
schaft was Singend's mithaben. . . .“ Und nun
ihre Truhen beguckt, den Hausrat,
„Häuserfraß“
wird kein wehleidiges Wort laut Aber eben des¬
schreit er auf: „Ich schlief nit unter ein' Weiber¬
ihr alles. Aber sie bleibt bei ihrem Manne, ob
halb ist die eichenharte Schönheit der Tragödie
kittel!“ Er will davonlaufen. Aber Soldaten sind
sie auch katholisch ist. Hart war sie gegen die
unbezwinglich.
überall. O#er entkommt ihnen schon! Und springt
Ketzer, ließ die „lutherischen Hennen“ nicht zu den
Der Reiter des Kaisers kommt, die Abtrünnigen
in den Mühlbach. Das Schaufelrad der Mühle
ihrigen, damit sie nicht den „Pips“ bekommen, aber
von Haus und Hof zu treiben. Er dampft von
zerfetzt ihn. Der Rottoauer, der so viel getragen,
ihrem Manne und ihrem Kinde bleibt sie getreu.“
Blut und Schweiß. Er rütteit an die versperrte
stürzt nun auf den wilden Reiter, mit seinen
Nichts soll ihr „Dreigespann“ auseiander reißen.
Der hat heimlich, bei ver¬
Tür des Rottbauern.
Händen, die in den Tiroler Bergen einen Bären
Nichts? Der Trommler trommelt den kaiserlichen
im „reinen Evangelium“
sperrten Fensterläden
packten, würgt er den Feind. Die Frau schreit
Befehl aus: Die minderjährigen Kinder müssen im
seinen Gott gesucht. Und sein alter Vater hörte
ihm zu: „Stich ihn ab wie ein Kalb!“
Er: „Sabl
Lande bleiben, dürfen nicht mit den Eltern ziehen.
ängstlich zu. Auch er ist ein Evangelischer, aber
ist kein Bauernwaffen; die Hack'n her!“ Aber dann
So rettet man die Seelen. Der Rott sieht nach,
er wagt es nicht, seinen Gott zu bekennen. Denn
überkommt es ihn, in diesem Gepeinigten, der für
ob unter dem Befehl auch richtig das kaiserliche
es geht zu sterben, schon steigt das Wasser zur Herz¬
seinen Gott alles gab erwacht sein Gott: „Christi
Siegel ist, und dann beugt er sich. Die Frau und
grube. und er will nicht unter wildfremden Leuten
Gebot geht nit auf Bluet.“ Das Gebot ist hart:
das Kind bleiben, er wird allein fort. seinem „un¬
begraben sein, wie einer, der keine Heimat hatte.
„Verzeih' deinem Feind.“ Er streckt dem wilden
verfälschten Gottesworte“ getreu. Der verjagte
Die ihn dann bei der Auferstehung fragen: „Wie
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Reiter die Hand entgegen. Dieser tastet danach,
Bruder kommt zurück, von Sehnsucht nach diesem
kommt denn der baher?“... Der alte Rott will
Swavenm
im Tiefsten erschüttert, dann sieht er die Eltern
winzigen Stück Welt getrieben wie eine Warnung
bauernschlau den Herrgott überlisten, will erst be¬
hinausziehen, das tote Kind auf der Karre. Frei¬
für den Mann, der morgen ohne Weib und Kind
kennen, wenn es „ars den letzten Schnapper geht“.
lich: „Vögele wird er kein's mehr fangen; daß wir
mit der Karre in die Welt soll. Nur der alte Rott,
Der andere Sohni#t schon vertrieben. Nur die
was Singend's .. hätten auf der Wander¬
der sterbende Greis, wird ihn begleiten. Denn auch
Bäuerin hat, abnuneslos, daß sie die einzige ist, den
Und der wilde Reiter ahnt, daß dies,
alten Glanhen in diesem Hause. Vielleicht auch er hat nun bekannt — als er erfahren hat doß man schaft.
ihr Bub, „der Spatz“. Aber der hat wohl heid=! die Sandpergerin, die für ihre Bibel starb, wie für das Menschen solches erdulden und solches ver¬