II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 322

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22. Derjunge Medandus


sie sprach: „Den Duft dieses Gartens will ich atmen, ein¬
es, von einem Granatsplitter getroffen, tot zusammengeknickt
sie ja keinen vor getreten
trinken die Stille der Nacht, meine Arme ausbreiten, meinen
ist, stumm wie eine kleine Blume. Oder wie die Prinzessin
Fuß-rückwärts .. (Kinder
dest Namen Reinhardt ...
in dunkler Leidenschaft, in sehnsüchtiger Liebe über eine
Gürtel lösen für den Erwarketen, den Geliebten. Medar¬
dus .. . Ich fühle sein Kommen. Vergangenes und Künf. 1
tremnende Welt hinweg dem Medardus zuruft:
Nein, das geht wirklich
„Die Stunde ist unser, Medardus! — Ich vergesse, was
#tiges schweigt! Nur die Stunde klingt und rauscht durch
Unverständlich. Ein Jamn
und diese
die Nacht. Heilige Stunde, losgelöße einsame in der Zeit,
war — und was sein wird! Du und ich —
material, um die ausgezeic
du bist mein.“
Stunde. — Ich weiß nichts anderes .. .. Ich liebe dich.
Regisseur?
Medardus!“ —
II.
Oder wenn beim Medardus etwas vom melancholischen
Eines anderen Theaters muß ich gedenken, bevor wir
Schnell, ihr lieben Wal
Träumer, etwas vom Anatol durchschaut, bis er zum Schluß
Walzer tanzen können. Eines ernsten Theaters, wo künst¬
die schlechte Laune. Da kon
doch zum Holden wird, zu „dieses Krieges letztem und selt¬
lerisch gearbeitet wird, von würdigen Leuten, — des
meine Feder jetzt umzirkeln
samstem Helden.“
Deutschen Volkstheaters. Aber — aber
ger Heiterkeit.
„Don Cavlos“. Ich greife eine Szene heraus — die Kerker¬
Aber im ganzen: tant de bruit — tant de bruit! —
Luise Kartousch.
szene. Herr Kutschera erscheini als Posa — mit blon¬
Alfred Kerr — der Dichter — (ich nenne ihn nicht
dem Namen, jedem, der sie
dom Vollbart und edler Geste — weiter edler Geste. (Schon
mit dem schlichten Titel Kritiker) — hat 1904 etwas über
Teufel, er ist ein Fadian.
wird man mißtrauisch.) Wie er mit Carlos spielt — zieht
Schnitzler gesagt, das geradezu als Prophezeiung für diese
könnte ich es festhalten, die
er Register! Etwa wie Possart. Eine Weile kyrischer
Historie gelten kann:
mutiger Drolligkeit und kon
Bariton, plötzlich Baß. (Aha, denkt man, gleich — da ist
„Ach, die holde Klarheit der lateinischen Rassen fehlt.
wie sie in dem weiten Op¬
es schon.) Steigerung, Leidenschaft, — eine Oktave geht es
Der Dichter gibt nicht die Darstellung des Wirrsals,
von Berlin zu schweigen.
hinauf. Doch das wird alles sehr edel gemacht, gemacht.
sondern das Wirrsal in der Darstellung. So ist es, nicht
Emmy Horst in Hamburg.
Nur glaubt man diesem Posa kein Wort, aber auch keines.
andets; oder ich will ein schlechter Kerl sein.“
und Grazie ist sie nur ein
Und das ist der berühmte Kutschera! Don Carlos — Herr
Aus dem Rollengewirr — wie sollte man da anfangen
guten Geister. Ich hab's!
Klitsch. Natürlich der Liebling des Publikums. Hior
oder aufhören — nenne ich nur eine Wiedergabe: die der
Operette werde ich sie
ist es umgekehrt. Man fühlt, wie sich dieser Künstler sagt:
Helene. Weil in ihr etwas leuchtet und leuchten wird, un¬
Geist im „Grafen von
Um Gotteswillen nur natürlich, keine Schreierei. Das ist
vergeßlich. Unvergeßlich wird die Künstlerin für jeden, der
Vermont, so ist sie es jetzt
im Prinzip äußerst sympathisch. Aber es gibt eben
sie einmal gesehen oder besser gehört hat — trotz ihrer
in Leo Falls neuem Wer
Momente, in denen die menschliche Stimme rast wie ein
Fehler, trotzdem die Bewegungen dieser etwas mächtigen
das im Theater an de
Orkan, brüllt, meinetwegen wie ein Stier, gemein, roh, aber
Gestalt zuweilen unbeholfen, noch undiszipliniert erscheinen.
da, wo die Kartonsch ihren L
daß einem die letzte Seelenfaser zittert — und in denen
Elsa Wohlgemuth. Ich sah sie zuerst am Hoftheater
kann, im zweiten Akt, schmei
irgend ein gewollter Schönklang wie eine Ohrfeige ist. Und
in Schwerin. Ein wundervoller Kopf mit römischem Profil,
romantisch schwärmerischer
das ist für Don Carlos ein solcher Moment, da man ihm
Angen wie aus glühender Sommernächte dunklem Samt,
Henz. Reizende Einfäll:
den liebsten Freund erschossen, da er in Raserei sein Geheim¬
von langen Wimpern überschattet. Eine edle Stirn, ein
Melodien. Auch das Textbu
nis preisgibt, da er den Degen zieht gegen seinen Vater
fein gezeichneter weicher Mund und bebende Nasenflügel.
lich und voll heiterer Erfin
und König. Hier aber geschieht etwas Furchtbares. Vor
(Wie liebe ich dieses Beben der Nasenflügel!) Aber das ist
Bühne aber wetteifert die
den Worten: „Dein Geruch ist Mord“, neigt sich Herr Klitsch
es nicht. In der Stimme liegt der Zauber. In dieser
schreiblich drolligen Beweg
dicht zum König (Kinder, Kinder!), dann arbeitet er mit
Stimme!
ponist in lachenden Einfälle
Verhalten, mit Pausen, „macht“ in Natürlichkeit! Und wie
Als ob jemand im Dunklen auf einem Cello spielt —
Teufelsaugen scheinen im
er den Degen zieht, natürlich auch verhalten — ziehen die
/0 klingt diese Stimme, ein solches Zittern von verhaltener
wollen. Freilich hat sie einer
Granden — nebenbei stehen diese Granden hübsch in zwei
Kraft ist darin. Sehnsucht singt in ihr, wenn sie bittet,
gen Wien: Herrn Willen
Reihen halbfront — ziehen die Granden mit schöner Gleich¬
Flammen lodern jäh empor, wenn sie liebt, und wenn sie
als ihr Vater Thomasius II
mäßigkeit vom Leder. Man hört förmlich, wie sie „eins.
klagt, schluchzt fern in Frühlingsgärten irgendwo eine
zwerchsollerschütternder Kom
zwei, drei, Königsmord“ sagen. Aber alles, ohne sich von
Nachtigall. Vieles glaubt man dieser Stimme, tiefrote
eines alten Serenissimus au
der Stelle zu rühren. Nachher, wenn der König Philipp
Leidenschaft und stille Tränen. Immer aber ist es, als wenn
ich dieses schretbe, muß ich l
(nimmermohr glaube ich, daß dieser Philipp — Herr Weiß
jemand im Dunkeln auf einem Cello spielt. Schon damals
als Wallenstein irgend erschüttern kann) sagt: „Tretet alle lachen.
in Schwerin schien sie aus der Welt derer, die offenbaren.
Hier als Helene war üe ein Erlebnis. Wie lebte das, wenn! einen Schritt zurück“, erinnert sich einer oder der andere, daß