II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 330

22. Derjunge Medandus
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aufführung beantwortet. Ein ganzer Chor von Stim¬
Berlin, besser und schneller durchsetzen kann als hier starb in Oberburg Frau Fanny Sarh
men kam zum Worte. So wie bei uns in Wien nur,
in Wien. Denn draußen sind sie wach, begierig nach
Obmannes der Bezirksvertretung und Ka
wenn es sich um die Rauch= und Staubplage oder den
allem Neuen, draußen passen sie ständig auf, ob nicht
Oberburg. Die Verstorbene war die Schwe
Meldezettel handelt. Und in die gleichen Tage fiel in
wieder einer etwas Brauchbares, Tüchtiges oder Großes
zirksschulinspektors Alois Schechel in Win
Wien die Uraufführung des Medardus. Ein hervorragen¬
bringt. Draußen hat man jene Freude an der Tat,
Postmeister in Oberburg und Tüsser.
des Ereignis, das in der Geschichte des Wiener Burg¬
jene Begeisterung für das Werk, die uns hier „drin¬
* Leichenbegängnis. Von der Eins
#theaters bedeutend dastehen wird. Denn immer noch
nen“ fehlt. Man ist hier nicht mehr gelaunt, ein klei¬
vor dem Paulustor aus wurde gestern um
kann keine andere deutsche Bühne 80 Rollen mit 80
nes Ganzes dankbar hinzunehmen, darauf zu warten,
mittags Rechtsanwalt Dr. Robert Glüch
Spielern besetzen, von denen jeder einzelne eine künst¬
daß sich aus der Summierung einzelner Brauchbarkei¬
St. Peter=Friedhose geleitet. An der Ein
lerische Schöpfung bietet. Wer dabei war, stand unter
ten eine bessere Zukunft ergebe. Man will auf einmal
ein Priester der Stadtpfarre vollzog,
dem Eindruck einer überragenden Größe. Man hatte
das erlösende Wunder, das Wunderbare. Und so lange
Oberlandesgerichts=Präsident Dr. Ritt. v.
das Gefühl: hier ist eine künstlerische Tat vollbracht.
das nicht kommt, was nie der Fall sein wird, so
Leiter des Strafgerichts Hofrat Ritt. v. K
Man hatte das Gefühl: dieses Ereignis ist groß genug,
lange ist alles andere belanglos, wird alles andere ohne
Landesgerichtspräsident Kleß, die Oberlande
um für ein paar Tage eine ganze Stadt zu erfüllen,
Beachtung bei Seite geschoben. Einst hat man hier in
Aichelberg und Taschner, Staatsanwalt Dr
ium auf allen Plätzen, in allen Ecken und Winkeln
einem ewigen Sonntag gelebt, hat man jedes Gescheh¬
Landesgerichtsräte Dr. Wittmann und D
von sich reden zu machen. Aber dieser schöne Optimismus
nis zum Fest emporposaunt, einst hat sich immer das
die Präsidenten=Stellvertreter der Advokaten
wurde katzenjämmerlich enttäuscht. Der Beifall ist ver¬
Huhn am Spieße gebreht; heute verklingt auch der
Max Ritt. v. Kaiserfeld und Dr. Uranitsch
klungen. Wien hat jede Kraft der Resonanz verloren.
Choral des wirklichen Festes im nivellierenden und er¬
Rechtsanwälten, der Präsident der Nota#
Den Ton, den einer anschlägt, und sei er noch so stark,
müdenden Charakter des Alltags. Und der Refrain dieses
Nedwed, Notar Rintelen, Oberbaurat Reh#
fängt keine Seele auf, tönt keine Seele wider. Er
Alltagsgassenhauers heißt: es geschieht halt nichts.
i. R. Röster, Landeshilfsämterdirektor Krat
verhallt in der allgemeinen großen Leere. Es fehlt die
Es geschieht schon etwas, nur daß es die Leute nicht
Dr. Ott, die Mühlenbesitzer Dr. Harter un
Stimme der Erwiderung.
merken wollen, nur daß sie zu schwach und zu mi߬
Harter, Apotheker Dinstl, Leopold Dett
Und diese Tatsache gibt zu denken. Denn sie ist
launig sind, um das Lied, das einer anschlägt, weiter
Hauptmann der freiwilligen Feuerwehr Böh
keine vereinzelte Ausnahme, sondern nur der Aus¬
klingen zu lassen und durch ihre Resonanz in seiner
Müller, Südbahn=Oberoffizial Prasch, Stat
druck einer Regel, die sich in den letzten Jahren bei
Klangstärke zu erhöhen.
Pfeiffer, Gesangsschulinhaber Kraemer, Ho
jedem Ereignis von irgendwelcher allgemeineren Be¬
Das beste Beispiel ist das Burgtheater. Kaum
Weikhard, die Kaufleute Braun und Krasc
deutung immer wieder gezeigt hat. Und diese Regel
fangenaufseher u. a. Zwei Blumenwagen de
vor mehr als Wochenfrist hat dieses fast zweieinhalb
könnte man in das Wort zusammenfassen: da und dort
Jahrhunderte alte Theater gezeigt, daß seine Spielkraft
Bestattungsanstalt bedeckten zahlreiche Krä
versteht in Wien einer etwas zu machen, aber die
keineswegs versintert ist, wie man es tausendmal
* Vierzigjähriges Doktorjubiläum
Allgemeinheit versteht es nich etwas daraus zu ma¬
gesagt, gehört und gelesen hat. Ich rede nicht von der
sche Bezirksarzt Herr Dr. Franz Pacher
ichen, Herold und Verkünder, Bewahrer und Vermeh¬
sein 40jähriges Doktoxjubiläum.
Dichtung Schnitzlers, rede nur von ihrer Bühnenwieder¬
rer der Tat und ihres Klanges zu sein. Man hört die
(gabe, und da ist festzustellen, daß wir eine gleichgroße
Volkstümliche Universitätsvortr
Klage oft: hier kann sich keiner durchsetzen. Denn et¬
Schauspielleistung seit Jahrzehnen nicht
hält Assistent Dr. Fritz Knoll den erst
was Wahres steckt in diesem Wort, wenn es auch fast
erlebt haben. Aber dieses Ereignis hat nicht die
über Bau und Leben der Pflanze (mit E
immer nur ein Ausdruck jenes typisch wienerischen
kleinste Spur in die Mienen der Stadt gezeichnet. Man
und Projektionen). Ort: Hörsaal des phar
Raunzens ist, das zu greinen und zu schimpfen anfängt,
hat diese unerhörte schöpferische Tat mit Herablassung,
pharmakognostischen Institutes, Universitätspf
wenn einem nicht beim ersten Armbewegen Anerkennung,
mit gleichgültiger Gelassenheit, wie etwas Selbstver¬
Stock. Beginn 8 Uhr abends. — Morge
Ruhm und Reichrum vom Boume des Erfolges in den
ständliches hingenommen. Draußen jubeln sie um Max
Kapfenberg Professor Dr. Richard M
aufgesperrten Mund fallen. Etwas Wahres steckt schon
Reinhardt, hier bleibt es still, auch wenn Großes ge¬
Bosnien und die Herzegowina (eigene Reisen
in dem Wort, daß man sich im Deutschen Reich, inschieht.
Dr. H. W. Projektionen) sprechen.