II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 345

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22. Der junge
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Telephon 12.801.

„OBSERVER
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für
Zeitungsausschnitte
Wien, I, Konkordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania.
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis.
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr).
Ausschnitt aus:
vom: 26. PEB 18001
—*
Zun Schluß soll hier noch kurz vom Burgtheater die Rede:
sein. Venn es nach der Voraussicht derer gegangen wäre, die
in jedem Wechsel einé Andglung zum Bessern erkennen, so mußte
das Burgtheateg“ unter der „Direktion des Frhrn. v. Berger jetzt
in schönster Blüte stehen.Leiderist das nicht der Fall. Worauf
es in erster Linie ankommt, weil da dus Obersthofmeisteramt ein
gewichtiges Wort mitzusprechec hat: — die Einnahmen des Theaters
haben sich seit Schlenthers Abgang nicht gebessert, eher verschlech¬
tert. Das Fundamenium, auf dem Frhr. v. Berger steyt, ist
also nicht sehr stark. Es sind aber auch die künstierischen Er¬
folge nur mäßia. Nach den Anpreisungen seiner Lobredner
S
hätte Frhr. v. Berger wie ein literarischer Messias das
Burgtheater auf eine nie erreichte geistige und künstlerische Höhe
erheben müssen. Über ein Jahr seiner Tätigkeit ist nun aber
schon vergangen, und nichts dergleichen ist geschehen. Namentlich
permißt man sehr die Pflege der Klassiker, die Frhr. v. Berger
versprochen hatte. In der Neueinstudierung klassischer Stücke er¬
reicht er nicht einmal das Maß Schlenthers, dem man seine
Zurückhaltung auf diesem Gebiete heftig zum Vorwurf gemacht
hatte. Der Grund dafür ist eben die non Schlenther gemachte
Erfahrung, daß klassische Stücke in Wien keine Kassenstücke sind.
Statt dessen versucht es Frhr. v. Berger mit Neuheiten. Aber
die meisten seiner Neuheiten sind nicht literarisch wertvoll und
obendrein nicht einmal zukräftig gewesen. „Der junge Medardus“.
erscheint so ziemlich als der einzige Treffer. Teils wegen die es
Versagens, teils aber auch aus Grundsatz bringt Frhr. v. Berger
seine Neuheiten schneller nacheinander als sein Vorgänger. Nicht
jedoch zum Vorteil der Aufführungen. Die Hast der Arbeit drückt
die Leistungen der Schauspieler herab; es fehlt die Durchseilung,
die bei Schlenther mit großer Sorgfalt und bis ins Kleinste vor
Schlenther, Fehlbesetzungen der Rollen. Schließlich noch die
Inszenierung. Was hatte man da alles unter Schlenther aus¬
zusetzen gehabt! Da war zu viel Detail, zu viel Nebensächliches,
zu viel Naturalismus, zu viel Historisch=Treues, kurz, zu viel,
was die Aufmerksamkeit des Zuschauers auf sich zog und von
dem geistigen Gehalt des Stückes ablenkte. Gerade hierin sollte
unter Frhrn. v. Berger ein gründlicher Wandel bevorstehen.
Nun, auch das war eine Täuschung für die Leute, die so Un¬
mögliches erwartet hatten. Fihr. v. Berger „meiningert“ ebenso
wie Paul Schlenther, wenn nicht noch mehr; diese szenischen Künzte¬
beherrscht er ganz virtuos, und das ist, wie das Theater sich nun
einmal entwickelt yt, gewiß der geringste Schaden. Was bleibt
also von den Messiastaten des neuen Direktors noch übrig?
Nichts als Worte. Es kann daher auch nicht ausbleiben — und
die Anzeichen dafür mehren sich fast täglich — daß die einst so
Begeisterten Frhrn v. Berger ebenso in den Orkus werfen wie
seinen vielgehaßten Vorgänger Schienthei.

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I. österr. behördl. konz. Unternehmen für
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burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr).
Ausschnitt aus:
3a. F5B crpische
vom:
Vom Wiener Thealer.
& Wien. Mitte Februar.
Die heurige Wiener Theaterspielzeit hat ei namhafte künst¬
reicht in seiner
lerische Ereignisse gebracht. Das eine dee
Wirkung weit über seinen Wiener Ursprung#erd hinaus und hat
den ganzen deutschen Kulturkreis in seinen Sann gezogen. Das
andere entbehrt zu sehr rein menschlicher Anklänge und setzt zu
viel Kenntnis des Wiener Milieus voraus, um auch außerhalb
Österreichs als Ereignis empfunden zu werden. Das erste ist
die Aufführung von Karl Schonherrs Tragödie eines Volkes
„Glaube und Heimat“ im Deuischen Volkstheater, das zweite die
von Arthur Schnitzlers dramatischer Historie „Der junge Medardus“
im Hofburgtheater. Beide Aufführungen bedeuten für die beiden
Bühnen nicht nur einen literarischen, sondern auch einen Kassen¬
erfolg, was bekanntlich nicht immer zusammenfällt. Dennoch wäre
es verkehrt, dieser Spielzeit nachzurühmen, sie stünde unter dem
beherrschenden Eindruck dieser beiden Ereignisse. Wer das tun
wollte, zeigte, daß er den Charakter des Wiener Publikums nicht
kennte. Das Wiener Publikum ist nämlich ganz und gar nicht
#terarisch. Deshalb hat es nie viel von Klassikervorstellungen ge¬
halten, und heute gar sino in Wien Klassikervorstellungen, wenn
sie nicht gute Schauspielerleistungen in Aussicht stellen, verlorene
Liebesmüg'. Das Wiener Publikum sucht im Theater vorwiegend
Unterhaltung und gute schauspielerische Darbietungen. Niemand
hat diese Eigentümlichkeit des Wiener Publikums besser erkannt
gehabt als Wiens großter Theaterdirektor Heinrich Laube. Gerade
unter ihm, der heute stets in den Himmel gehoben und allen
seinen Nachfolgern als leuchtendes Vorvild vorgehalten wird, hat
am Burgtheater das Unterhaltungsstück den breitesten Raum ein¬
genommen und haben die französischen Salonstückjaorikanten
sowie Roderich Benedix und. die Birch=Pfeiffer zu den Haupt¬
lieferanten für den „Hausbedarf“ gehört. Der dauernde Erfolg
der beiden neuen Werte von Schönyerr und Schnitzler in Wien
erklärt sich dayer weniger aus ihrer literarischen Wertschätzung
als aus ihrem Neuigreitsreiz. Bei Schönherrs „Glaube und
Heimat“ ergab sich dieser aus der Kühnheit in der Wahl des
Stoffes, die für österreichische Verhältnisse gewiß groß genannt
werden muß; bei Schnitzlers Medarons aber aus der behaglichen
Schilderlng des belieoten „Altwiener“ Milieus und der ironisch¬
saprischen Behandlung des Wiener Volkscharakters, die wie ein
„Spiegelbild der Gegenwart wirkt.