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22. Der junge dandus
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WIENER MITTEILUNGEN.
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KARTA T
K
Mg
Burgtheater.
chht
Das erste Jahr der Bergerschen Direktionsführung ist zu Ende. Ein
Zeitraum, zu kurz, um zu einem abschließenden Urteile über die Frage
zu gelangen, ob der neue Leiter die in ihn gesetzten Hoffnungen erfüllt
hat, aber lange genug, um Einsicht in seine Fähigkeiten zu gewinnen.
Wir haben hierbei nur das künstlerische Ergebnis des verflossenen Jahres
im Auge, denn das finanzielle gehört nicht vor den kritischen Areopag
eines literarischen Blattes.
Wenn wir nun von diesem Standpunkte aus feststellen müssen, daß
Baron Berger enttäuscht hat, so möchten wir nicht ihm allein hierfür
die Verantwortung auferlegen. Seine Tätigkeit begann mit dem Verlust
von Josef Kainz. Die stärkste Persönlichkeit seines künstlerischen Kreises
ging ihm verloren, das hat seine Hände gebunden. Verschiedene Ver¬
suche, einen Ersatz zu finden, konnten in so kurzer Zeit nicht gelingen;
denn Künstler solchen Schlages bringt nicht jede Epoche hervor, und
wenn sie vorhanden sind, so sind sie nicht immer zu haben. Darüber
darf man sich eben nicht täuschen: Die Zeiten, wo es für jeden Schau¬
spieler deutscher Zunge das einzige erstrebenswerte Ziel war, im Burg¬
theater zu wirken, sind vorüber. Politische Gründe, die Berlin zum
Mittelpunkt deutschen Kunstlebens emporgehoben haben, und noch mehr
wirtschaftliche Gründe, die es der Wiener Hoftheaterverwaltung unmög¬
lich machen, mit den Angeboten anderer Bühnen gleichen Schritt zu halten,
haben es bewirkt, daß odie Burge nicht mehr wie früher jeden großen
Künstler in ihren Kreis aufnehmen und darin festhalten kann. So mußte
denn die Hauptarbeit darauf verwendet werden, die verwaisten Kollen
mit den vorhandenen Kräften so gut zu besetzen, als es eben ging, und
daß dies in den wenigsten Fällen gelang, ist nur das kleinere Ubel. Das
größere liegt darin, daß viele kostbare Zeit, die auf den Ausbau des
vernachlässigten Spielplanes hätte verwendet werden können, durch diese
Ersatzarbeit verloren ging. Und so kam es, daß mit Ausnahme von
Hebbels Herodes und Mariannes kein einziges wertvolles Stück dem
Spielplan gewonnen wurde. Der Versuch, den Manen des hingeschiedenen
Kinz durch eine Aufführung seines nachgelassenen Fre# entes =Saul¬
ein Opfer zu bringen, war, insoweit es sich um eine pe ume Ehrung
des schmerzlich entbehrten Künstlers handelte, gewiß zu rechtfertigen.
Ein künstlerischer Gewinn ist darin umsoweniger erblicken, als es
nicht einmal gelang, eine vierte Aufführung d Werkes heraus¬
zubringen.
Fuldas ausgeklügeltes Schauspiel „Herr und Dienere kann eben¬
sowenig wie des Engländers Sutro seichte Komödie -Dorothys Rettung¬
als eine besondere Verschönerung des Spielplanes bezeichnet werden.
Auch Eßmanns bereits im Raimund-Theater gespieltes Lustspiel
„Vater und Sohne muß unter dem Gesichtspunkte der künstlerischen
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WIENER MITTEILUNGEN.
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Burgtheater.
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Das erste Jahr der Bergerschen Direktionsführung ist zu Ende. Ein
Zeitraum, zu kurz, um zu einem abschließenden Urteile über die Frage
zu gelangen, ob der neue Leiter die in ihn gesetzten Hoffnungen erfüllt
hat, aber lange genug, um Einsicht in seine Fähigkeiten zu gewinnen.
Wir haben hierbei nur das künstlerische Ergebnis des verflossenen Jahres
im Auge, denn das finanzielle gehört nicht vor den kritischen Areopag
eines literarischen Blattes.
Wenn wir nun von diesem Standpunkte aus feststellen müssen, daß
Baron Berger enttäuscht hat, so möchten wir nicht ihm allein hierfür
die Verantwortung auferlegen. Seine Tätigkeit begann mit dem Verlust
von Josef Kainz. Die stärkste Persönlichkeit seines künstlerischen Kreises
ging ihm verloren, das hat seine Hände gebunden. Verschiedene Ver¬
suche, einen Ersatz zu finden, konnten in so kurzer Zeit nicht gelingen;
denn Künstler solchen Schlages bringt nicht jede Epoche hervor, und
wenn sie vorhanden sind, so sind sie nicht immer zu haben. Darüber
darf man sich eben nicht täuschen: Die Zeiten, wo es für jeden Schau¬
spieler deutscher Zunge das einzige erstrebenswerte Ziel war, im Burg¬
theater zu wirken, sind vorüber. Politische Gründe, die Berlin zum
Mittelpunkt deutschen Kunstlebens emporgehoben haben, und noch mehr
wirtschaftliche Gründe, die es der Wiener Hoftheaterverwaltung unmög¬
lich machen, mit den Angeboten anderer Bühnen gleichen Schritt zu halten,
haben es bewirkt, daß odie Burge nicht mehr wie früher jeden großen
Künstler in ihren Kreis aufnehmen und darin festhalten kann. So mußte
denn die Hauptarbeit darauf verwendet werden, die verwaisten Kollen
mit den vorhandenen Kräften so gut zu besetzen, als es eben ging, und
daß dies in den wenigsten Fällen gelang, ist nur das kleinere Ubel. Das
größere liegt darin, daß viele kostbare Zeit, die auf den Ausbau des
vernachlässigten Spielplanes hätte verwendet werden können, durch diese
Ersatzarbeit verloren ging. Und so kam es, daß mit Ausnahme von
Hebbels Herodes und Mariannes kein einziges wertvolles Stück dem
Spielplan gewonnen wurde. Der Versuch, den Manen des hingeschiedenen
Kinz durch eine Aufführung seines nachgelassenen Fre# entes =Saul¬
ein Opfer zu bringen, war, insoweit es sich um eine pe ume Ehrung
des schmerzlich entbehrten Künstlers handelte, gewiß zu rechtfertigen.
Ein künstlerischer Gewinn ist darin umsoweniger erblicken, als es
nicht einmal gelang, eine vierte Aufführung d Werkes heraus¬
zubringen.
Fuldas ausgeklügeltes Schauspiel „Herr und Dienere kann eben¬
sowenig wie des Engländers Sutro seichte Komödie -Dorothys Rettung¬
als eine besondere Verschönerung des Spielplanes bezeichnet werden.
Auch Eßmanns bereits im Raimund-Theater gespieltes Lustspiel
„Vater und Sohne muß unter dem Gesichtspunkte der künstlerischen