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22. Derjunge Medandus
Ein Theaterbrief aus Wien. 283334334882288] 407
Gerücht hört, daß Helene die Geliebte des Werk von fünfstündiger Spieldauer und mit
in Schönbrunn residierenden Napoleon sei, einem Theaterzettel von achtundsiebzig Per¬
fängt er an, sich zu ermuntern. Dazu kommt sonen. Das Vorspiel und die fünf Akte zer¬
noch die ungerechte Hinrichtung seines Oheims, fallen in fünfzehn Verwandlungen, und da
des biederen Sattlermeisters Eschenbacher, gibt es eine Anzahl wunderschöner Bühnen¬
und Medardus' gärende Jugend und sein bilder zu sehen: eine Altwiener Wohnung,
Nachegelüste haben ein neues, größeres Ziel einen kleinen Gasthof an der Donau, ein
gefunden: Napoleon. Auf der Freitreppe aristokratisches Gartenpalais, den Wäh¬
im Schönbrunner Schloß trifft er mit Helene ringer Friedhof, die Burgbastei im Belage¬
zusammen. Durch ihren Hochmut gereizt, rungszustand und die Sehenswürdigkeit des
Abends, den großen Schönbrunner Schlo߬
ersticht er sie in einer eifersüchtigen Auf¬
wallung. Ohne es zu wollen, hat er damit hof. Es wirken sämtliche Herren des Burg¬
Napoleon gerettet, dem die ehrgeizige Helene theaters mit, mit Ausnahme des alten Bau¬
nach dem Leben trachtete. Man will Me= meister. Die schwierige Titelrolle spielt Herr
dardus deshalb freilassen, sogar belohnen; Gerasch, etwas farblos und unpersönlich.
aber er bekennt freimütig seine eigene mör= Dagegen trat die Darstellerin der Helene,
derische Absicht, er weigert sich, dieses Be= Fräulein Else Wohlgemuth, die auch über
kenntnis zurückzunehmen
und wird daraufhin vor
den Augen seiner Mutter
erschossen. Auf Befehl
des Kaisers soll er mit
allen Ehren begraben
werden, „als dieses Krie¬
ges letzter und seltsamster
Held“.
Diese Schlußszene ist die
einfachste, aber die stärkste
des ganzen Dramas. Hier
erkennt man auch, wie der
Dichter diesen Medardus
eigentlich gemeint hat.
Als einen, den Gott zum
Helden schaffen wollte;
„der Lauf der Dinge mach¬
te einen Narren aus ihm.“
Einen wirren, ehrlichen
und idealen Schicksals¬
narren, der alles zu schwer
nimmt, der träumend
durchs Leben taumelt, zu
großen Taten sprungbe¬
reit, ohne sie jemals wirk¬
lich zu vollbringen — wor¬
in vielleicht eine tiefere
österreichische Symbolik
steckt. Die Sprache des
Stückes ist teils schwung¬
voll und feierlich, teils
zwanglos wienerisch und
enthält manches schöne
und tiefe Wort. Vieles
wirkt freilich ermüdend.
Dagegen gehören andere
Stellen, zum Beispiel der
Schluß des Vorspiels, die
nächtliche Gartenszene und
der Schluß des dritten und
vierten Aktes zum Stärk¬
sten, was Schnitzler ge¬
schrieben hat.
PD adad
Auch in der Bearbei¬
tung, die Schnitzler für
die Aufführung vorge¬
nommen hat, ist „Der
junge Medardus“, noch
Else Wohlgemuth als Helene von Valois in „Der junge Medardus“.
Nach einer Aufnahme von F. X. Setzer in Wien.
immer ein kompliziertes
22. Derjunge Medandus
Ein Theaterbrief aus Wien. 283334334882288] 407
Gerücht hört, daß Helene die Geliebte des Werk von fünfstündiger Spieldauer und mit
in Schönbrunn residierenden Napoleon sei, einem Theaterzettel von achtundsiebzig Per¬
fängt er an, sich zu ermuntern. Dazu kommt sonen. Das Vorspiel und die fünf Akte zer¬
noch die ungerechte Hinrichtung seines Oheims, fallen in fünfzehn Verwandlungen, und da
des biederen Sattlermeisters Eschenbacher, gibt es eine Anzahl wunderschöner Bühnen¬
und Medardus' gärende Jugend und sein bilder zu sehen: eine Altwiener Wohnung,
Nachegelüste haben ein neues, größeres Ziel einen kleinen Gasthof an der Donau, ein
gefunden: Napoleon. Auf der Freitreppe aristokratisches Gartenpalais, den Wäh¬
im Schönbrunner Schloß trifft er mit Helene ringer Friedhof, die Burgbastei im Belage¬
zusammen. Durch ihren Hochmut gereizt, rungszustand und die Sehenswürdigkeit des
Abends, den großen Schönbrunner Schlo߬
ersticht er sie in einer eifersüchtigen Auf¬
wallung. Ohne es zu wollen, hat er damit hof. Es wirken sämtliche Herren des Burg¬
Napoleon gerettet, dem die ehrgeizige Helene theaters mit, mit Ausnahme des alten Bau¬
nach dem Leben trachtete. Man will Me= meister. Die schwierige Titelrolle spielt Herr
dardus deshalb freilassen, sogar belohnen; Gerasch, etwas farblos und unpersönlich.
aber er bekennt freimütig seine eigene mör= Dagegen trat die Darstellerin der Helene,
derische Absicht, er weigert sich, dieses Be= Fräulein Else Wohlgemuth, die auch über
kenntnis zurückzunehmen
und wird daraufhin vor
den Augen seiner Mutter
erschossen. Auf Befehl
des Kaisers soll er mit
allen Ehren begraben
werden, „als dieses Krie¬
ges letzter und seltsamster
Held“.
Diese Schlußszene ist die
einfachste, aber die stärkste
des ganzen Dramas. Hier
erkennt man auch, wie der
Dichter diesen Medardus
eigentlich gemeint hat.
Als einen, den Gott zum
Helden schaffen wollte;
„der Lauf der Dinge mach¬
te einen Narren aus ihm.“
Einen wirren, ehrlichen
und idealen Schicksals¬
narren, der alles zu schwer
nimmt, der träumend
durchs Leben taumelt, zu
großen Taten sprungbe¬
reit, ohne sie jemals wirk¬
lich zu vollbringen — wor¬
in vielleicht eine tiefere
österreichische Symbolik
steckt. Die Sprache des
Stückes ist teils schwung¬
voll und feierlich, teils
zwanglos wienerisch und
enthält manches schöne
und tiefe Wort. Vieles
wirkt freilich ermüdend.
Dagegen gehören andere
Stellen, zum Beispiel der
Schluß des Vorspiels, die
nächtliche Gartenszene und
der Schluß des dritten und
vierten Aktes zum Stärk¬
sten, was Schnitzler ge¬
schrieben hat.
PD adad
Auch in der Bearbei¬
tung, die Schnitzler für
die Aufführung vorge¬
nommen hat, ist „Der
junge Medardus“, noch
Else Wohlgemuth als Helene von Valois in „Der junge Medardus“.
Nach einer Aufnahme von F. X. Setzer in Wien.
immer ein kompliziertes