box 26//7
22. Derjunge Medandus
Ein Theaterbrief aus Wien. 13323431333343 411
Schwachen und Verächtlichen, die Guten,
wie die Schlechten. Von seinem ersten klei¬
nen Einakter, den „Bildschnitzern“, einer
„Tragödie braver Leute“, ist Schönherr zu
dieser mächtigen Tragödie eines Volkes ge¬
langt. Und schon diese beiden Untertitel
zeigen deutlich seine grandiose dichterische
Entwicklung. Das Werk wurde im Deut¬
schen Volkstheater sehr schön dargestellt, von
einem Ensemble, in dem jeder einzelne ein
Künstler ist und jeder sein Bestes gibt. Aber
sie alle überragte die prachtvolle monumen¬
tale Leistung Willi Thallers, der in der
Figur des sittlich ringenden Bauern Christoph
Rott eine kraftvolle, echte Gestalt zeichnete.
Sonst sind wenig literarische Theater¬
ereignisse zu verzeichnen. Auf der Neuen
Wiener Bühne die sich in den ersten zwei
Jahren ihres Bestehens so gut eingeführt
hat, lastet heuer ein gewisses Mißgeschick.
Sie hat mit keiner ihrer Novitäten besonde¬
res Glück. Otto Anthes' Schauspiel „Frau
Juttas Untreue“ erwies sich als ein stellen¬
7i4 Matée
Willi Thaller als Christoph Rott in dem Stück
„Glaube und Heimat“ am Deutschen Volkstheater.
Nach einer Aufnahme von V. Angerer in Wien.
weise interessantes, aber schwerfälliges und
monotones Werk eines dichterischen Dilet¬
tanten. Reboux' und Nozières spanisches
Sensationsstück „Das Tanzhaus“ brachte statt
des erwarteten großen Erfolges eine emp¬
findliche Niederlage, an der zum Teil auch
verfehlte Bearbeitung, Inszenierung und
Besetzung schuld waren.
Das Theater in der Josefstadt kultiviert
wie immer mit mehr und weniger Glück den
französischen Schwank, ab und zu unter¬
brochen von interessanten Strindbergabenden.
Der Genauigkeit halber sei auch eine Ko¬
mödie „Die Puderquaste“ von Ludwig Hirsch¬
feld und Siegfried Geyer erwähnt, ein sehr
unpassendes, demimondaines Stück, als dessen
Mitautor ich mich errötend bekennen muß.
Ich bin infolgedessen nicht in der Lage, mich
zu entrüsten oder zu begeistern. Ich weiß
auch gar nicht mehr, was an der Sache daran
ges. Konlen-
war, denn die kritischen Meinungen sind sehr
auseinandergegangen. Einige nannten es
„
eine saubere Arbeit, andere meinten, das
imi Marlow in dem Werk „Der unsterbliche Lump“
Stück würde besser „Der Kehrichthaufen“ hei¬
von Felir Dörmann am Bürgertheater.
Nach einer Aufnahme von L. Gutmann in Wien, ßen — ich kenne mich wirklich nicht mehr aus...
22. Derjunge Medandus
Ein Theaterbrief aus Wien. 13323431333343 411
Schwachen und Verächtlichen, die Guten,
wie die Schlechten. Von seinem ersten klei¬
nen Einakter, den „Bildschnitzern“, einer
„Tragödie braver Leute“, ist Schönherr zu
dieser mächtigen Tragödie eines Volkes ge¬
langt. Und schon diese beiden Untertitel
zeigen deutlich seine grandiose dichterische
Entwicklung. Das Werk wurde im Deut¬
schen Volkstheater sehr schön dargestellt, von
einem Ensemble, in dem jeder einzelne ein
Künstler ist und jeder sein Bestes gibt. Aber
sie alle überragte die prachtvolle monumen¬
tale Leistung Willi Thallers, der in der
Figur des sittlich ringenden Bauern Christoph
Rott eine kraftvolle, echte Gestalt zeichnete.
Sonst sind wenig literarische Theater¬
ereignisse zu verzeichnen. Auf der Neuen
Wiener Bühne die sich in den ersten zwei
Jahren ihres Bestehens so gut eingeführt
hat, lastet heuer ein gewisses Mißgeschick.
Sie hat mit keiner ihrer Novitäten besonde¬
res Glück. Otto Anthes' Schauspiel „Frau
Juttas Untreue“ erwies sich als ein stellen¬
7i4 Matée
Willi Thaller als Christoph Rott in dem Stück
„Glaube und Heimat“ am Deutschen Volkstheater.
Nach einer Aufnahme von V. Angerer in Wien.
weise interessantes, aber schwerfälliges und
monotones Werk eines dichterischen Dilet¬
tanten. Reboux' und Nozières spanisches
Sensationsstück „Das Tanzhaus“ brachte statt
des erwarteten großen Erfolges eine emp¬
findliche Niederlage, an der zum Teil auch
verfehlte Bearbeitung, Inszenierung und
Besetzung schuld waren.
Das Theater in der Josefstadt kultiviert
wie immer mit mehr und weniger Glück den
französischen Schwank, ab und zu unter¬
brochen von interessanten Strindbergabenden.
Der Genauigkeit halber sei auch eine Ko¬
mödie „Die Puderquaste“ von Ludwig Hirsch¬
feld und Siegfried Geyer erwähnt, ein sehr
unpassendes, demimondaines Stück, als dessen
Mitautor ich mich errötend bekennen muß.
Ich bin infolgedessen nicht in der Lage, mich
zu entrüsten oder zu begeistern. Ich weiß
auch gar nicht mehr, was an der Sache daran
ges. Konlen-
war, denn die kritischen Meinungen sind sehr
auseinandergegangen. Einige nannten es
„
eine saubere Arbeit, andere meinten, das
imi Marlow in dem Werk „Der unsterbliche Lump“
Stück würde besser „Der Kehrichthaufen“ hei¬
von Felir Dörmann am Bürgertheater.
Nach einer Aufnahme von L. Gutmann in Wien, ßen — ich kenne mich wirklich nicht mehr aus...