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22. Der—junge Medardug
Seite 271
Die Freistatt.
Aummer 17
nach der Natur gezeichnet und die unschulds¬
den Sagenkreis von König Artus kein anderes
volle Marie der Medelsky. Bei dieser Auf¬
Motiv als den schon zum Ueberdruß verbrauch¬
führung fiel mir auch ganz besonders eine Neu¬
ten Ehebruch finden konnte. Immerhin, ein
besetzung auf, Valaithy in der Rolle des Holz¬
recht interessantes Drama.
hüters Weiler, ein Musterstück feinster Charak¬
Esmanns „Vater und Sohn“ das eine
terisierungskunst.
durchaus gesunde Lebensauffassung predigt und
„Der Richter von Zalamea“ mit dem gran¬
das in der wahrhaft grandiosen Darstellung
des Burgtheaters mit Hartmann und Treßler
diosen Pedro Crespo Baumeisters, dem scharfen
lebensfaftigen Hauptmann Devrients, dem pol¬
den stärksten Eindruck auf die Zuschauer aus¬
ternden General Pittschans und der spanischen
übt.
Gretchenfigur Isabel der Medelsky,
Fuldas „Herr und Diener“ das in geist¬
Dann erwähne ich noch den „Kaufmann
reicher Weise das Verhältnis zwischen den Herr¬
schenden und Untertanen uns vor Augen führt
von Venedig“ in einer höchst stimmungsvollen
und das im Burgtheater namentlich für die
Aufführung: Treßler als Shylock, ein ausge¬
weiblichen Hauptrollen in den Damen Bleibtren
zeichneter Charakterdarsteller, was ihm, übri¬
und Wohlgemuth die herrlichsten Vertreterin¬
gens bemerkt, der größte Teil der Presse ab¬
nen fand.
spricht, sie will einfach nicht, daß Treßler ein
Also im Vergleich zum Volkstheater muß
Charakterspieler sei, er darf nur immer der
man dem Burgtheater eine bessere Auslese von
Komiker sein und nichts mehr. Und ich finde
gerade, daß die Komik Treßlers fast immer
Novitäten zugeben. Ich spreche natürlich der
Kürze halber nur von der letzten Zeit.
einen tragischen Unterton hat, was den Künst¬
Und was nun die ständigen Stücke des
ler selbst auch auf anderes Rollengebiet hin¬
Burgtheaters, insbesondere das klassische Re¬
reißen muß; um nun in der Aufzählung der
pertoire betrifft, wer wird da behaupten können,
Rollen im „Kaufmann“ fortzufahren: die rei¬
daß an einer anderen deutschen Bühne auch
zende Porzia der Frau Witt, die niedliche Ne¬
nur annähernd gleiche Leistungen geboten wer¬
rissa der Retty, der liebenswürdige Bassanio
Geraschs und der köstliche Graziano Zeskas und
den. Ich will da auch nur aus der letzten Saison
so weiter.
einiges herausheben, Dramen, die ich vor nicht
langer Zeit selbst wieder einmal anschaute: Da
Und so könnte ich noch viele herrliche un¬
sah ich zum Beispiel „Die Jungfrau von Or¬
vergeßliche Abende anführen, von denen allen
leaus“ in einer wunderbaren Besetzung. Wenn
man ruhig behaupten kann, daß sie an keiner
anderen deutschen Bühne zu finden sind.
auch der herrliche Karl VII. des uns leider so
Also dürfte auch die Auswahl und der
jäh entrissenen Kainz fehlte, so darf die Er¬
innerung an den genialen Mimen uns nicht
Grundstock des Repertoirs nach meiner Mei¬
ungerecht machen gegen den jetzigen Darsteller
nung keine Ursache geben zu dem argen Mi߬
der Rolle, Herrn Gerasch, der den Geist der
kredit, in den das Burgtheater in der letzten Zeit
ganz ungerechtfertigt gekommen ist.
Rolle ganz erfaßt hatte. Dann die Trägerin
der Titelrolle, Frau Medelsky, eine grandiose
Ist das Schauspielpersonal Schuld daran?
Leistung, die berückende Sorel der Wohlgemuth
Sehen wir uns dasselbe in geoßen Zügen an:
und nicht zu vergessen der feurige Dunois des
Zunächst die Schauspieler: Baumeister mit
Herrn Reimers sowie der naturwahre Talbot
seinen 83 Jahren noch unübertroffen und herr¬
lich, Hartmann, der Grandseigneur des Burg¬
Deprients, so echt der kalt in den Tod blickende
Engländer.
theaters, ein fesselnder Künstler, Thimig mit
Dann eine weitere derartige Aufführung:
seinem wirksamen, behäbigen Humor, Devrient,
„Wilhelm Tell“ mit Reimers in der Titelrolle,
der überwältigende Bösewicht, Reimers, die edle
die er, besonders in der Apfelschußszene mei¬
Heldengestalt, Treßler, der derzeit vielseitigste
sterhaft darstellt, mit Devrient als Geßler,
Künstler des Burgtheaters, Löwe, der nie ver¬
einer so dämonischen Gestalt, daß es einem
sagende Sprecher klassischer Rollen, Heine, der
kalt über den Rücken läuft und mit demg eisen
der Burg gottlob wieder zurückgewonnen wurde
Baumeister als Altinghausen, der mit seiner
und der am ehesten Lewinskys Nachfolger zu
schlichten und hier so wehmütigen Art die Her¬
werden verspricht, Korff, der geniale und ele¬
zen aller Zuschauer ergreift. Unbedingt zu er¬
gante Charakterdarsteller, Zeska, der frische Ko¬
wähnen von dieser Tellaufführung sind noch
miker, Gerasch, der jugendliche Held, Arndt,
die erhabene Frauengestalt der Bleibtren als
der richtige Ersatz für den leider verstorbenen
Gattin Stauffachers und die leidenschaftliche
Römpler, Paulsen, der für mannhafte, treu¬
Armgard der Medelsky.
herzige Rollen besonders verwendbar ist, der
Sodann „Der Erbförster“ mit Baumeister
in komischen Rollen nie versagende Baumgart¬
ner usw.
in der Titelrolle, eine schier unglaubliche Mei¬
sterleistung des greisen Künstlers, Frau
Dann die Schauspielerinnen: Zunächst die
Schmittlein in der Rolle der Försterin, ganz Bleibtreu, die wunderbare Heroine der Burg,
22. Der—junge Medardug
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Die Freistatt.
Aummer 17
nach der Natur gezeichnet und die unschulds¬
den Sagenkreis von König Artus kein anderes
volle Marie der Medelsky. Bei dieser Auf¬
Motiv als den schon zum Ueberdruß verbrauch¬
führung fiel mir auch ganz besonders eine Neu¬
ten Ehebruch finden konnte. Immerhin, ein
besetzung auf, Valaithy in der Rolle des Holz¬
recht interessantes Drama.
hüters Weiler, ein Musterstück feinster Charak¬
Esmanns „Vater und Sohn“ das eine
terisierungskunst.
durchaus gesunde Lebensauffassung predigt und
„Der Richter von Zalamea“ mit dem gran¬
das in der wahrhaft grandiosen Darstellung
des Burgtheaters mit Hartmann und Treßler
diosen Pedro Crespo Baumeisters, dem scharfen
lebensfaftigen Hauptmann Devrients, dem pol¬
den stärksten Eindruck auf die Zuschauer aus¬
ternden General Pittschans und der spanischen
übt.
Gretchenfigur Isabel der Medelsky,
Fuldas „Herr und Diener“ das in geist¬
Dann erwähne ich noch den „Kaufmann
reicher Weise das Verhältnis zwischen den Herr¬
schenden und Untertanen uns vor Augen führt
von Venedig“ in einer höchst stimmungsvollen
und das im Burgtheater namentlich für die
Aufführung: Treßler als Shylock, ein ausge¬
weiblichen Hauptrollen in den Damen Bleibtren
zeichneter Charakterdarsteller, was ihm, übri¬
und Wohlgemuth die herrlichsten Vertreterin¬
gens bemerkt, der größte Teil der Presse ab¬
nen fand.
spricht, sie will einfach nicht, daß Treßler ein
Also im Vergleich zum Volkstheater muß
Charakterspieler sei, er darf nur immer der
man dem Burgtheater eine bessere Auslese von
Komiker sein und nichts mehr. Und ich finde
gerade, daß die Komik Treßlers fast immer
Novitäten zugeben. Ich spreche natürlich der
Kürze halber nur von der letzten Zeit.
einen tragischen Unterton hat, was den Künst¬
Und was nun die ständigen Stücke des
ler selbst auch auf anderes Rollengebiet hin¬
Burgtheaters, insbesondere das klassische Re¬
reißen muß; um nun in der Aufzählung der
pertoire betrifft, wer wird da behaupten können,
Rollen im „Kaufmann“ fortzufahren: die rei¬
daß an einer anderen deutschen Bühne auch
zende Porzia der Frau Witt, die niedliche Ne¬
nur annähernd gleiche Leistungen geboten wer¬
rissa der Retty, der liebenswürdige Bassanio
Geraschs und der köstliche Graziano Zeskas und
den. Ich will da auch nur aus der letzten Saison
so weiter.
einiges herausheben, Dramen, die ich vor nicht
langer Zeit selbst wieder einmal anschaute: Da
Und so könnte ich noch viele herrliche un¬
sah ich zum Beispiel „Die Jungfrau von Or¬
vergeßliche Abende anführen, von denen allen
leaus“ in einer wunderbaren Besetzung. Wenn
man ruhig behaupten kann, daß sie an keiner
anderen deutschen Bühne zu finden sind.
auch der herrliche Karl VII. des uns leider so
Also dürfte auch die Auswahl und der
jäh entrissenen Kainz fehlte, so darf die Er¬
innerung an den genialen Mimen uns nicht
Grundstock des Repertoirs nach meiner Mei¬
ungerecht machen gegen den jetzigen Darsteller
nung keine Ursache geben zu dem argen Mi߬
der Rolle, Herrn Gerasch, der den Geist der
kredit, in den das Burgtheater in der letzten Zeit
ganz ungerechtfertigt gekommen ist.
Rolle ganz erfaßt hatte. Dann die Trägerin
der Titelrolle, Frau Medelsky, eine grandiose
Ist das Schauspielpersonal Schuld daran?
Leistung, die berückende Sorel der Wohlgemuth
Sehen wir uns dasselbe in geoßen Zügen an:
und nicht zu vergessen der feurige Dunois des
Zunächst die Schauspieler: Baumeister mit
Herrn Reimers sowie der naturwahre Talbot
seinen 83 Jahren noch unübertroffen und herr¬
lich, Hartmann, der Grandseigneur des Burg¬
Deprients, so echt der kalt in den Tod blickende
Engländer.
theaters, ein fesselnder Künstler, Thimig mit
Dann eine weitere derartige Aufführung:
seinem wirksamen, behäbigen Humor, Devrient,
„Wilhelm Tell“ mit Reimers in der Titelrolle,
der überwältigende Bösewicht, Reimers, die edle
die er, besonders in der Apfelschußszene mei¬
Heldengestalt, Treßler, der derzeit vielseitigste
sterhaft darstellt, mit Devrient als Geßler,
Künstler des Burgtheaters, Löwe, der nie ver¬
einer so dämonischen Gestalt, daß es einem
sagende Sprecher klassischer Rollen, Heine, der
kalt über den Rücken läuft und mit demg eisen
der Burg gottlob wieder zurückgewonnen wurde
Baumeister als Altinghausen, der mit seiner
und der am ehesten Lewinskys Nachfolger zu
schlichten und hier so wehmütigen Art die Her¬
werden verspricht, Korff, der geniale und ele¬
zen aller Zuschauer ergreift. Unbedingt zu er¬
gante Charakterdarsteller, Zeska, der frische Ko¬
wähnen von dieser Tellaufführung sind noch
miker, Gerasch, der jugendliche Held, Arndt,
die erhabene Frauengestalt der Bleibtren als
der richtige Ersatz für den leider verstorbenen
Gattin Stauffachers und die leidenschaftliche
Römpler, Paulsen, der für mannhafte, treu¬
Armgard der Medelsky.
herzige Rollen besonders verwendbar ist, der
Sodann „Der Erbförster“ mit Baumeister
in komischen Rollen nie versagende Baumgart¬
ner usw.
in der Titelrolle, eine schier unglaubliche Mei¬
sterleistung des greisen Künstlers, Frau
Dann die Schauspielerinnen: Zunächst die
Schmittlein in der Rolle der Försterin, ganz Bleibtreu, die wunderbare Heroine der Burg,