II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 420

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der Liebhaber der Frau Dr. Kelemen, wie er vergeblich versucht Darsteller k
n,
habe, Karriere zu machen. Er sei weder der große Feldherr ge¬
Rollen durch
worden, wie er es sich erträumt hatte, noch der hervorragende
Lachens, we
m Diplomat, noch der bedeutende Künstler, noch auch ein Lakai. Als
immer komi
er zur Assentierung reif gewesen, sei er von Paris in die Heimat
zwischen kalt
in
gefahren im Gegensatz zu den Serben, die sich stets auf ihrer
weniger schu
Botschaft zur Assentierung melden. Die Angebetete wendet darauf
qualen. Erst
ein, die Serben hätten doch keine Botschaft, sondern nur eine
An dieses
Gesandtschaft. Diese Bemerkung erregte sofort ängstliches
Soupers, dic
Kopfschütteln — aber nicht im Publikum, denn dieses hörte am
Abend der Premiere gar nicht mehr das Wort von den Serben.
An die Stelle unserer heißblütigen Nachbarn hatte man die uns
befreundeten Rumänen eingeschaltet. Vorsicht war entschieden
angezeigt. Wenn die großmachtlüsternen Serben gehört hätten,
daß man ihnen in Wien nicht bloß das Recht auf den adriatischen
Hafen, sondern auch auf die Bezeichnung ihrer diplomatischen Ver¬
tretungen als Botschaft bestreite — der Krieg wäre unvermeidlich
gewesen. Die friedliebenden Völker Oesterreichs werden der Burg¬
theaterleitung Dank dafür wissen.
Die modernste Inszenierungskunst schwankt zwischen dem
„intimen Raume“ und dem „Theater der Fünftausend“. Beiden
Formen des Theaterraumes muß sich die Schauspielkunst an¬
passen. Der Schauspieler muß sich im kleinen Raume dessen
bewußt sein, daß ihm das Publikum schärfer auf die Finger sieht
als sonst, während im Riesenraum die Körperlichkeit des Dar¬
stellers dem Publikum fast völlig entrückt ist. Interessant ist es
nun, daß es sich sehr häufig auch in Theatern von ganz
normaler Größe ereignet, daß Schauspieler das Empfinden dafür
verlieren, wie weit die Beobachtungsgabe und Kritikfähigkeit des
Publikums reicht. Man kann es schließlich verstehen,
daß auch wahre Künstlernaturen nicht immer restlos in ihren
Rollen „aufgehen“, daß sich auch auf der Bühne ihr eigenes Ich
in Berlin, Budapest, Chicago,—Christiania, Gen.,
nebeu die dargestellte Figur stellt, dieser lächelnd über die
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vora,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
schulter blickt. Nie aber darf das auf einer disziplinierten Bühne
(Quelienengube ehme Gewe#.
weit gehen, daß das momentane private Empfinden eines
Ausschnitt aus: Heuos Wiener Journal, Wien
inzen Ensembles einen Abend lang allzu merklich neben dem
stücke herläuft. Nichts ist illusionsstörender, als sehen zu müssen,
ie Schauspieler auf dem Theater untereinander Privatgespräche
vom: 20.0EL 1912
ihren, um aufs Stichwort mit einem Ruck ihre Physiognomie zu
——
krändern und wieder ein bißchen Komödie zu spielen. Ein böses
Beispiel für diese Art von Theaterunfug war die Vorstellung des
Theater und Kunst.
„Jungen Medardus“ von Artur Schnitzler am letzten Sonntag
im Burgtheater.
Vielfach wurde im Publikum bereits früher bemerkt, daß
pinker den Kulissen.
jede Vorstellung des „Jungen Medardus“ von den Mitgliedemn
(Von Fer Hoseftadt ins Bilsihecter.
Das übersiedelte Stück.
des Burgtheaters, die ja in diesem Stück vollzählig beschäftigt
Die lockende Rolle,Ein Erwerbung mit Hindernissen. — Warum
sinld, als eine Art heiteres Familienfest betrachtet wird.
Molnars „Liliom“ im Volkstheater nicht gespielt wird. — Der vermißte
Gesellschaftsanzug. Der spaßige Medardus. —
Das Konversations¬
bißchen gar zu weit wurde nun diese Auffassung diesmal g
zimmer auf der Bühne. — Ein unerwünschtes Souper.)
trieben. Auf der Bühne herrschte auch in vielen tragischen
Durch eine merkwürdige Verkettung von Umständen gelangt
Szenen ungezwungene Fröhlichkeit. Gleich im ersten Bilde trieben
in der nächsten Zeit ein französischer Autor im Burgtheater zum
mehrere Damen und Herren mit dem Säbel, der an der Seits
Wort. Es ist Herr Darion Nicodemi, der Dramaturg der Frau
des jungen Medardus hängt, mehr oder minder handgreifliche
Rejane in Paris, und sein Stück heißt „Die goldene Geliebte“
Scherzchen, durch die sich Herr Gerasch allerdings nicht beein¬
Vor einem Jahre lernte Herr Jarno dieses goldene Liebchen
trächtigt fühlte. Privatgespräche wurden auf der Bühne während
kennen und lud es in sein Josefstädter Heim. Aber der Schatz des ganzen Abends ungestört abgewickelt, und es ereignete sich im#
wurde ihm wieder entführt. Eines Tages traf er Fräulein Laufe des Abends dabei auch mehrfach, daß jemand sein Stichworts!
Marberg, die sich diesmal noch über den Mangel an gutsitzenden überhörte, so daß durch reichliche Extemporierungen der anderen Mit=?
Rollen beschwerte. „Sie klagen, daß Sie so wenig beschäftigt spieler ausgeholfen werden mußte. Es kann schließlich einem Requisiteur,
werden,“ meinte er bedauernd, „daß Sie keine Rolle finden der gerade hinter der Szene eine Salve vorbereitet, passieren, daß?
können? Sehen Sie, da habe ich gerade ein Stück erworben und
ein Schuß unversehens zur unrechten Zeit losgeht. Es schien aber
da wäre eine prächtige Rolle für Sie!“ Fräulein Marberg ließ sich
überflüssig, daß sich dann, wie dies am Sonntag während der
die Sache nicht zweimal sagen und eilte schnurstraks zu Baron Berger.
tieftragischen Gefängnisszene der Fall war, alle auf der Bühne
„Herr Baron“ jammerte sie, „in der ganzen Saison habe ich nur
stehenden Herren wie auf Kommando dem Hintergrunde zuwandten,
eine einzige Rolle im „Weiten Land“ gehabt. Ich bitte Sie schon
um ihre Lachsalven nach Herzenslust loslassen zu können. Aller¬
die ganze Zeit um eine Rolle. Jetzt wäre was für mich da!“
dings müßte es vielleicht auch nicht sein, daß der Offizier der
Voll Feuer und Flamme begann sie ihm nun von dem Jarnoschen
Wache, die Eschenbacher zum Tode führt, mit der auf der Bühne
Fang zu berichten und knüpfte die Bitte daran, ihr doch die
stehenden Tragödin beim Auftreten noch rasch ein Witzwort
Rolle zu verschaffen. Baron Berger wurde ebenfalls von der wechselte. Zu den Wunderlichkeiten dieser Vorstellung gehörte es
„goldenen Geliebten“ geblendet oder auch von der Beredsamkeit auch, daß einer der Hauptdarsteller, obwohl seine Rolle noch nie
des Fräuleins Marberg. Er wandte sich an Direktor Jarno und ein anderer gespielt hatte, so sehr „schwamm“, daß er das Wort
bat ihn, die französische Dame freizugeben. Inzwischen war auch vielfach, insbesondere im siebenten Bilde, dem Souffleur allein über¬
Fräulein Marberg nicht
untätig; sie erinnerte Herrn lassen mußte. Nicht ganz gewöhnlich war es auch, daß dem Publikum
Jarno daran, daß er
selber es war, der ihr die zwar durch Anschlagzettel im Theater selbst mitgeteilt wurde, daß in
Rolle so anpries, und bewirkte es, daß er ihr versprach, der kleinen Rolle des Desolteux Herr Siebert durch Herrn Stre¬
auf die „goldene Geliebte“ ihr zulieb zu verzichten. Ehe binger ersetzt werde, aber nicht, daß in der Rolle der Elisabeth
noch das Stück von der Josefstadt ins Burgtheater übersiedelte, für Frau Orloff diesmal Fräulein Schopf einspringen werde. Es
starb Baron Berger, und Fräulein Marberg mußte befürchten, mag sein, daß diese Ungezwungenheit der Burgtheatermitglieder
daß ihr die Rolle wieder verloren gehe. Da hieß es energisch darauf zurückzuführen ist, daß auch der gegenwärtige Leiter der