P2. Der junge Medardus box 27/1
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vor diesem lebendigen Verhänguis seines Daseins, zogs und seiner Schatlenverschwörung ist schon ge=Dialog. Sie verdichtet sich zu warmer lebendiger
sticht sie nieder. Gefangen und verhört, behauptet er zeigt worden. Auch der Wille der Prinzessin, der
Menschlichkeit in den drei besten Figuren des
seine Absicht, Napoleon zu ermorden, weist Ver¬
uns als besonders stark und lebendig vorgestellt wer= Stückes, in den Personen, die der Weisheit dieser
sprechungen der Gnade zurück und will nur gerichtet
den soll, ist so abstralt, daß er nur auf der politi= Lehre stark und schlicht nachleben und mit der ver¬
werden als einer, der dem Kaiser nach dem Leben
schen Seite funktioniert und mit dem menschlichen
derblichen Schicksalsangst, die sonst allem Wesen
trachtet. Nun hat er endlich seinen Weg gefunden
Trieb, der ihren Leib an den des jungen Medardus
und Treiben hier zugrunde liegt, wenig oder nichts
und auch die standhafte Kraft, ihn zu Ende zu gehen.
drängt, nicht in die leiseste Berührung zu kommen
zu tun haben. Das ist die tüchtige, tapfere Mutter
Sein irres und mißleitetes Leben erhält erst Wert
scheint. Sie hat keine menschenmögliche Form; ist Klähr, der unpathetisch mannhafte Eschenbacher und
ein zweiteiliger Mechanismus. An ihrem politischen
in diesem heldisch festen Tod. (Der nur freilich, wie
Etzelt, der ehrliche und kluge Freund. Ihre Umrisse
man weiß, auch nicht sein eigener Heldentod ist,
Zweck und an ihrer privaten Leidenschaft hängt diese
sind von keiner heftigen Geberde entstellt und von
sondern derjenige des jungen Friedrich Staps.)
Figur wie an zwei separierten Drähten, die nicht
keiner zerstörenden Selbstbetrachtung angefressen.
Das ist Medardus Klähr, der stets nachdenkliche
gleichzeitig gezogen werden können. In der Starr¬
Ihr Wille ist, nach ihrer Art menschlich zu sein;
Besinner ungetauer Taten, der Narr seiner heroischen
heit und Einzigkeit ihres Willens sieht sie dem Ge¬
den erfüllen sie ganz. Sie sind wirkliche Menschen,
Phantasien, die sich nur so lange ungehemmt aus¬
häuse zu einer Hebhelschen Gestalt nicht unähnlich;
mit einer dichterischen Liebe geschaffen, die sich
wie ja auch der Schauspieler Medardus dem Schau¬
leben, als ihnen bloß starke Worte entgegenstehen.
von ihrer verstörten Angst auf kurze Strecken
„Einer, der kaum geschaffen ist, anderes zu erleben,
spieler Hjalmar in einigem verwandt ist. Annähe¬
wenigstens befreit hat.
rungen der Form.
als den Klang von Worten,“ sagt Onkel Eschen¬
Jus Feinste kultviert und im Tiefsten mutlos,
bacher von ihm; und hat recht. Aber General Rapp,
Auch darin Aehnlichkeiten, daß ein gemessenes
aus hingebender Betrachtung des Lebens und aus
der ihn im Auftrag Napoleous erschießen läßt, sagt
Pathos der größeren Figuren mit der einfachen
unüberwindlicher Scheu vor dem Leben geschaffen,
nachher: „Mich dünkt, dieser junge Mensch hätte
Sprache der Volksszenen in schönem Rhythmus
gut kostümiert, von stilisiertem Pathos und
an anderer Stelle stehen sollen.“ Das dünkt mich
stilisierter Natürlichkeit —
wechselt. Das Pathos freilich mauchmal erzwungen,
ist dieser „Junge
auch; und meine bescheideue Meinung ist, daß er
uneigen, allzu absichtlich auf Bedeutung gestellt.
Medardus“ ein wahres Musterbeispiel dessen,
bestimmt war, einer der vorzüglichsten Hofburgschau= Dann aber wieder — und zumal da, wo der
was heute gemeinhin als Wiener moderne Dichtung
spieler zu werden. Denn sein innerstes Wesen ist
Dichter seiner eigenen Meinung das Wort gibt,
bezeichnet wird. Diese Gattung hat manches stärkere
durchaus schauspielerisch.
Sätze von einer wunderbar stillen und klaren Weis¬
und tiefere, manches leuchtendere Werk. Aber keines,
Annäherungen der Form: In die Bewegung
heit, wie etwa diese hier: „Ob sie Erwartung, ob
in dem aller Vorzug und alle Schwäche jetziger
des Volkes und in die Leidenskämpfe der Einzelnen
sie Erfüllung bedeutet, weiß es denn die Stunde
Wiener Dichtung so ausführlich und so nachdrücklich
sind, wie in jenen anderen Historien, mancherlei po¬
selber? Man könnte einer Krone entgegenträumt,
miteinbezogen wäre. Sieht es doch oft danach
litische Intrigen eingerankt und versponnen. Aber
aus, als sei diese Wiener Historie nur eine pro¬
ja, man könnte sie errungen haben — und an
nicht als ein planvoll feindseliges Hinübergreifen von
einem späten Tag eutdecken, daß der reichste Augen= grammatische Ausprägung und Verkündigung der
Willen zu Willen, sondern, da in der Weltanschauung
blick von allen einer war, da man in einem
großen, großen Feinheit, die für das literarische
dieses Gedichtes das menschliche Wollen ganz herab¬
Frühlingsgarten nach Schmetterlingen haschte. Die
Wien von heute so rühmlich und so verderblich ge¬
gedrückt und unter die blinde Gewalt des Unnenn¬
worden ist. In dieser vollkommenen Typik wird
schlimmste Art, ein Glück zu versäumen ist, es nicht
baren gestellt ist, nur wie ein Spiel von Puppen an
glauben, da man es erlebt.“ Solche Feinheit des dereinst, so meine ich, der historische Wert dieser
Wilh Handl.
ihren Drähten. Die Marionettenhaftigkeit des Her= Gedankens blüht an mancher schönen Stelle im Historie gefunden werden.
—
vor diesem lebendigen Verhänguis seines Daseins, zogs und seiner Schatlenverschwörung ist schon ge=Dialog. Sie verdichtet sich zu warmer lebendiger
sticht sie nieder. Gefangen und verhört, behauptet er zeigt worden. Auch der Wille der Prinzessin, der
Menschlichkeit in den drei besten Figuren des
seine Absicht, Napoleon zu ermorden, weist Ver¬
uns als besonders stark und lebendig vorgestellt wer= Stückes, in den Personen, die der Weisheit dieser
sprechungen der Gnade zurück und will nur gerichtet
den soll, ist so abstralt, daß er nur auf der politi= Lehre stark und schlicht nachleben und mit der ver¬
werden als einer, der dem Kaiser nach dem Leben
schen Seite funktioniert und mit dem menschlichen
derblichen Schicksalsangst, die sonst allem Wesen
trachtet. Nun hat er endlich seinen Weg gefunden
Trieb, der ihren Leib an den des jungen Medardus
und Treiben hier zugrunde liegt, wenig oder nichts
und auch die standhafte Kraft, ihn zu Ende zu gehen.
drängt, nicht in die leiseste Berührung zu kommen
zu tun haben. Das ist die tüchtige, tapfere Mutter
Sein irres und mißleitetes Leben erhält erst Wert
scheint. Sie hat keine menschenmögliche Form; ist Klähr, der unpathetisch mannhafte Eschenbacher und
ein zweiteiliger Mechanismus. An ihrem politischen
in diesem heldisch festen Tod. (Der nur freilich, wie
Etzelt, der ehrliche und kluge Freund. Ihre Umrisse
man weiß, auch nicht sein eigener Heldentod ist,
Zweck und an ihrer privaten Leidenschaft hängt diese
sind von keiner heftigen Geberde entstellt und von
sondern derjenige des jungen Friedrich Staps.)
Figur wie an zwei separierten Drähten, die nicht
keiner zerstörenden Selbstbetrachtung angefressen.
Das ist Medardus Klähr, der stets nachdenkliche
gleichzeitig gezogen werden können. In der Starr¬
Ihr Wille ist, nach ihrer Art menschlich zu sein;
Besinner ungetauer Taten, der Narr seiner heroischen
heit und Einzigkeit ihres Willens sieht sie dem Ge¬
den erfüllen sie ganz. Sie sind wirkliche Menschen,
Phantasien, die sich nur so lange ungehemmt aus¬
häuse zu einer Hebhelschen Gestalt nicht unähnlich;
mit einer dichterischen Liebe geschaffen, die sich
wie ja auch der Schauspieler Medardus dem Schau¬
leben, als ihnen bloß starke Worte entgegenstehen.
von ihrer verstörten Angst auf kurze Strecken
„Einer, der kaum geschaffen ist, anderes zu erleben,
spieler Hjalmar in einigem verwandt ist. Annähe¬
wenigstens befreit hat.
rungen der Form.
als den Klang von Worten,“ sagt Onkel Eschen¬
Jus Feinste kultviert und im Tiefsten mutlos,
bacher von ihm; und hat recht. Aber General Rapp,
Auch darin Aehnlichkeiten, daß ein gemessenes
aus hingebender Betrachtung des Lebens und aus
der ihn im Auftrag Napoleous erschießen läßt, sagt
Pathos der größeren Figuren mit der einfachen
unüberwindlicher Scheu vor dem Leben geschaffen,
nachher: „Mich dünkt, dieser junge Mensch hätte
Sprache der Volksszenen in schönem Rhythmus
gut kostümiert, von stilisiertem Pathos und
an anderer Stelle stehen sollen.“ Das dünkt mich
stilisierter Natürlichkeit —
wechselt. Das Pathos freilich mauchmal erzwungen,
ist dieser „Junge
auch; und meine bescheideue Meinung ist, daß er
uneigen, allzu absichtlich auf Bedeutung gestellt.
Medardus“ ein wahres Musterbeispiel dessen,
bestimmt war, einer der vorzüglichsten Hofburgschau= Dann aber wieder — und zumal da, wo der
was heute gemeinhin als Wiener moderne Dichtung
spieler zu werden. Denn sein innerstes Wesen ist
Dichter seiner eigenen Meinung das Wort gibt,
bezeichnet wird. Diese Gattung hat manches stärkere
durchaus schauspielerisch.
Sätze von einer wunderbar stillen und klaren Weis¬
und tiefere, manches leuchtendere Werk. Aber keines,
Annäherungen der Form: In die Bewegung
heit, wie etwa diese hier: „Ob sie Erwartung, ob
in dem aller Vorzug und alle Schwäche jetziger
des Volkes und in die Leidenskämpfe der Einzelnen
sie Erfüllung bedeutet, weiß es denn die Stunde
Wiener Dichtung so ausführlich und so nachdrücklich
sind, wie in jenen anderen Historien, mancherlei po¬
selber? Man könnte einer Krone entgegenträumt,
miteinbezogen wäre. Sieht es doch oft danach
litische Intrigen eingerankt und versponnen. Aber
aus, als sei diese Wiener Historie nur eine pro¬
ja, man könnte sie errungen haben — und an
nicht als ein planvoll feindseliges Hinübergreifen von
einem späten Tag eutdecken, daß der reichste Augen= grammatische Ausprägung und Verkündigung der
Willen zu Willen, sondern, da in der Weltanschauung
blick von allen einer war, da man in einem
großen, großen Feinheit, die für das literarische
dieses Gedichtes das menschliche Wollen ganz herab¬
Frühlingsgarten nach Schmetterlingen haschte. Die
Wien von heute so rühmlich und so verderblich ge¬
gedrückt und unter die blinde Gewalt des Unnenn¬
worden ist. In dieser vollkommenen Typik wird
schlimmste Art, ein Glück zu versäumen ist, es nicht
baren gestellt ist, nur wie ein Spiel von Puppen an
glauben, da man es erlebt.“ Solche Feinheit des dereinst, so meine ich, der historische Wert dieser
Wilh Handl.
ihren Drähten. Die Marionettenhaftigkeit des Her= Gedankens blüht an mancher schönen Stelle im Historie gefunden werden.