II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 427

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22. berjungdardus
Maifestspiele in Prag.
Zum erstemale seit dem Tode Angelo Neu¬
manns sind heuer die Maifestspiele ohne die
persönliche Anteilnahme ihres Schöpfers in
Szene gegangen. In großen Umrissen stand
ihr Plan schon zu dessen Lebzeiten fest, die
Einzelheiten der Ausführung blieben aber seinem
Nachfolger Direktor Heinrich Teweles und dem
künstlerischen Stabe, Kapellmeister Otten¬
heimer und den Regisseuren Kurt Stern
und Dr. Paul Eger vorbehalten Die Schau¬
spielkunst hat heuer im Gegensatz zu den Maiz
festspielen der früheren Jahre den Sieg üben
die Oper davon getragen. Mit einem wuchtigen.
Akkord hat man begonnen. Max Reinhardt
führte zweimal den König Oedipus auf. Die
außerordentlichen Anforderungen der Regie
waren nur durch große bauliche Veränderungen¬
im Theater zu erzielen. Selten nur hat man
die Wirkungen einer glänzenden theatralischen
Aufmachung in einer die Nerven so brutal auf.
peitschenden Weise miterlebt wie diesmal. Un.
gleich edler durch seine Kultur, durch das auf
intimste harmonische Wirkungen eingestellte
Ensemble wirkte die Aufführung von Gerhart
Hauptmanns „Einsame Mlenschen“ durch das
— perliner Lessingtheater. Für stillere Men¬
Publikum oftmals in geradezu orgistische Ver¬
4éschen ein Feiertag, der sie hoch emporhob über
zückung versetzt, trotzdem seine Glanzrolle als
die Beschwerden des Alltagsspielplanes. Die
Hamlet in Thomas läppischer Veroperung des
letzte Schauspielaufführung war Artur Schniß. Shakespeare'schen Dramas gar nicht darnach
lers dramatische Historie „Der fünge Me¬
angetan ist, dramatisch ernst genommen zu
dardus“. Prag darf also auch diesmal das
werden. Auch Elvira de Hidalgo, diese zier¬
Verdienst in Anspruch nehmen, nach der Ur¬
liche Koloratursoubrette hat seif vorigem Jahre
aufführung im Wiener Burgtheater die erste
ganz bedeufende Fortschritte gemacht und mit
Bühne gewesen zu sein, die ihre Pforten einem
unserem ausgezeichneten lyrischen Tenor Alfred
Werk geöffnet hat, das an die Regie ganz un¬
Piccaver den Löwenanteil an allen Beifalls¬
gewöhnliche Aufgaben steilt, außerdem einen
äußerungen eingesteckt. Die übrigen Mitglieder
Reichtum an Personen verlangt, wie er nicht
des weischen Ensembles ragen über das Mittel¬
jeder Bühne zu Gebote steht. Bei uns wurden
maß nicht hinaus, weder die dramatisch sein
für kleinere Rollen die besten Sprecher aus dem
sollende Miß Lawrence, noch Signora Cere¬
Opernensemble herangezogen, so daß es mög¬
soli, noch der Bassist Navarrini, der seine
lich war, Doppelbesetzungen in diesem menschen¬
besten Zeiten schon hinter sich hat. Immerhin
reichen Drama zu vermeiden. „Der junge Me¬
standen auch seine Qualitäten noch in merk¬
dordus“ bleibt jetzt im Repertoir unseres Thea¬
lich weitem Abstand von dem, was die beiden
ters. Für die beiden Aufführungen im Rahmen
Damen geboten haben.
der Maifestspiele hattt man sich außerdem
E.Ruchnowskv.
der Mitwirbung namhafter Künstler nersichert
Tilla Durieux spielte die Helene mit leiden¬
schaftlicher Größe, Rlice Hetsey vom Wiener
Volkstheater die Frau Klähr, durch schlichte
Einfachheit zu antiker Größe wachsend, und
Bitte Kückseite beachtent —
Ferdinand Onno vom Wiener Volkstheater den
Titelhelden, nervös, sprunghaft, mit glühendem
—Telephon 12.801.
Temperament. — Die deutsche Musik war dies¬
mal nur mit zwei Werken Richard Wagners
vertreten, den Meistersingern und Tristan, die
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Ottenheimer zu lebendigster Wirkung er¬
stehen ließ. Eine Reihe namhafter Gäste gab diesen
JODSERVER
Vorstellungen wieder den äußerlich festlichen An¬
strich. Da aber die zu Gaste gebetenen Künstler
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im Wagnerstil zu Hause sind, so haben auch
Zeitungsausschnitte
diese beiden Abende ganz ungewöhnlich tiefe
Wien, I., Konkoreliaplate 2.
Eindrücke hinterlassen, obwohl gerade bei den
Vertretungen
Meistersingern die Gefahr nahe lag, daß das
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Massenaufgebot der Gäste eine Ensemblewir¬
Genf, Kopenhagen, London Madrid, Mailand, Minneapolis.
kung unmöglich machen werde. Den Tristan
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
sang Jacques Urlus aus Leipzig, die Isolde
burg, Toronto.
Frau Rüsche-Endorf, die Brangäne Frau
Preuse-Motzenauer aus München, das Euchen
(Cuellenangabe ohne Gewähr).
Frau Hafgreen-Waag aus Mannheim, den
Ausschnitt aus:
Walter Stolzing Sommer aus Berlin, den Hans
8#
Sachs und Kurwenal Anton van Rooy, den
vom:
980
FBeckmesser Josef Geiß aus München und den
Aun#
Pogner Paul Knüpfer aus Berlin, den David
Aus Prag wird uns unterm Gestrigen telegrapsickt.
Rüdiger aus Dresden. Der Rest der Maifest¬
Schnitzlers „Junger Medardus“ ging heute im Rahmenli
spiele gehörte wieder einer italienischen Sta¬
der Maifestspkele im Neuen deutschen Theater mit großem Erfolgss
gione, die unter der Leitung des hier nun schon
seit Jahren wohlbeglaubigten Maestro Arturo
in Szene. Um das Gelingen des Abends waren drei Gäste be=6
Vigna stand. Aufgeführt wurden Don Gio¬
müht: Frau Hetscy (Franziska Klähr), Herr Onno (Medar¬
banni, der Maskenball, Hamlet von
dus) und Frau Durieux aus Berlin (Prinzessin Helene).?
Thomas und Rigoletto. Der unvergleichliche
Alle drei ernteten rückhaltlose Anerkennung. Aber auch das heimische
Mattia Battistini, dieser herrlichste Typus
Ensemble wurde mit lautem Beifall bedacht. Arthur Schnitzler, I1
der Stimmkultur, dieses Musterbeispiel des bei
canto gehörte wieder zur Truppe. Er hat auch
welcher der Aufführung beiwohnte, bedankte sich am Schlusse derst
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diesmal Stürme des Beifalls entfesselt und das
Vorstellung mehrere Male für den warmen Beifall.
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