II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 488

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22. Der jungedus
dem Retter Napoleons, die höchste kaiserliche Gnade
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blüht, er aber freimütig unversöhnliche Feindschaft
„Extrablätter!“
gegen den Bedrücker gelobt und sich füsilieren lußt.
Medardus, dessen einzige kraftvolle Tat die
Die Kriegsposse des Berliner Theaters.
Selbstvernichtung war, bewegt nich die stocken¬
den Dinge dieser dramatischen Historie, er wird
Extrablätter bringen steis das Neueste
von ihrer Ebbe und Flut wechselnd gehoben und
— das kann man von der Kriegsposse des Ber¬
liner Theaters, zu der sich die bewährten Autoren
gesenkt. Er ist ein nur zu leicht ausschaltbarer
dieser Bühne Rudolf Bernauer und Rudolf
Mittelpunkt des figurenreichen Panoramas, das
Schanzer und als neuer Mann Heinz Gor¬
in die Atmosphäre Altwiens getaucht ist. Mit
zartgetönten Farben hat allerdings Schnitz¬
don zusammengetan haben, nicht immer sagen.
Was augenblicklich auf den Berliner Bühnen an
ler, der das Herz seiner Heimatstadt kennt und
innig liebt, das Wien der Basteien und des
aktuellen Stücken gespielt wird, taucht auch in
Glacis aquarelliert.
diesem Gelegenheitsstück auf — die Aufregungen¬
der Mobilmachung, der jüngste Sproß einer zahl¬
1809. Kriegstage Altwiens. Napoleons über¬
reichen Familie, der durchaus mit ins Feld will,
großer Schatten liegt düster über der hellheiteren
die rabiate Belgierin, die den Werbungen des
Stadt, in der Beethoven und Haydn schaffen, in
Feldgrauen gegenüber spröde bleibt, der öster¬
der der achtzehnjährige Grillparzer Jura studiert,
reichische Bundesbruder, der den Deutschen nicht
der Knabe Franz Schubert Hofkapellsänger ist,
versteht, der Berliner, der französische Worte in
der junge Ferdinand Waldmüller seine reizenden
seiner Manier interpretiert, das Brandenbur¬
Miniaturen malt. Die berühmten Feldherrn
ger Tor, vor dem feldgraue Soldaten defi¬
lenken weitab die Geschicke der Welt, von fernher
lieren, diesmal allerdings mit dem besonderen
schwebt nur als leichter Nebel der Pulverdampf
Trick, daß sie auf einer Seite Wiener, auf der
von Aspern und Wagram herüber, und gleichsam
anderen Berliner sind, usw. Indessen, die Ver¬
in den Ritzen der Weltgeschichte erfüllen sich die
fasser haben alle die eine Entschuldigung: den
Privatschicksale der Kleineren, der Medardusse,
gemeinsamen Stoff. Und wenn sie dem stets
der Prinzessinnen, der Bürger, die erschossen wer¬
gleich bleibenden Gerüst ein paar neue Ara¬
den, weil sie Landkarten verstecken. Viele dieser
besken anfügen, so ist man schon zufrieden. Die
kleinen braven Bürgersleute sind mit feinen
neuen Momente im Berliner Theater heißen das
Strichen lebendig gezeichnet, am interessantesten
Psychobarometer, durch dessen geheimnisvolle
die symbolische und doch ganz reale Figur des
Kräfte ein deutscher Flieger angeblich seine Er¬
„uralten Mannes“ der alle Jugend überdauert.
regung über die Entdeckung einer deutschen
Hier ist der echte Schnitzler am Wort, der nun
einmal für die großen Historien nicht die

Hand hat.
Schickt Euren Angehörigen
Und in der Darstellung solcher Figuren und
Zeitungen und Kriegskarten
Figürchen ist auch das Lessingtheater weitaus
glücklicher als in der Wiedergabe der großen
ins Feld.
Wortemacher des Stückes. Herr Götz als der

uralte Herr auf dem Kirchhof gibt eine kleine,
scharfe Studie; Herr Loos, der Medardus zu
Stellung verrät, während in Wahrheit die Un¬
sein hat, ist ein mißgestimmter, durchaus un¬
ruhe von der Invasion eines feindlichen In¬
jugendlicher „Raunzer“, der die schwankende Ge¬
sekts herrührt, ferner eine Szene im rollenden
stalt noch unleidlicher macht. Kayßlers ge¬
Eisenbahnwagen („40 Mann oder 6 Pferde“), und
messener Generaladjutant Napoleons und
Herr Meier, der ausgerechnet im Jahre 1914
Salfner als der ruhig=überlegene Sattler¬
in seidenen Blusen und in jüdischen Witzen macht.
meister, der mit verwundertem Lächeln in den
Extrablätter sollen anregen — das tun
Tod geht, halten das Niveau der Bühne. Fräu¬
die des Berliner Theaters, abgesehen von ein
lein Lossens Verhaltenheiten sind dem hekti¬
paar toten Punkten im zweiten Bild, in hohem
schen Flackerfeuer der vielseitigen Prinzessin
Maße. Die Revue — denn eine solche ist es, so¬
nicht günstig. Sie markiert nur nachdrücklich
zusagen eine „Reise um den Kriegsschauplatz in
die Dinge, auf die es ankommt. Bar¬
3½ Stunden“ — birgt eine Fülle von guten
nowsky hat die wesentlichsten Züge des Werkes

Scherzen und amüsanten Aperaus, unter denen
geschickt herausgeholt, und wenn er auch das
auch die übliche Bernauersche Redensart: „Das
Schönste des Ganzen, den Duft der wienerischen
war siebzig genau so!“ nicht fehlt. Sie ist in der
Stimmungen, nicht in Theaterparfüm umzuschaffen
leichten, geschmackvollen Manier gemacht, die das
vermochte, so hat er doch den Dichter nicht zu
schmerzlich verkürzt.
Berliner Theater über manches andere Possen¬
Norbert Falk.
theater erhebt. Sie ist natürlich auch wieder von
dem einen Verfasser Rudolf Bernauer geschickt in¬
Theater= und Konzertnachrichten.
szeniert, während der erfindungsreiche Ferry
In den Kammerspielen des Deutschen
Sigmund die Tänze beisteuerte. Die beiden
Theaters findet am Freitag die erste Aufführung
Lieblinge des Publikums, Lisa Weise und
von Kotzebues Lustspiel „Die deutschen Klein¬
Oskar
Sabo,
haben ihre richtigen
städter“ statt. Das Stück wird von Max Rein¬
Rollen. Die Weise ist die Kommerzien¬
hardt inszeniert.
ratstochter mir der Vorliebe fürs Fliegen.
Im Theater am Nollendorfplatz
Sabo spielt einen Militärflieger, einen
gelangt das Repertoirestück „Immer feste druff“
forschen Jungen mit losem Mundwerk, der sich
auch am heutigen Nachmittag 3¼ Uhr in der
Originalbesetzung zur Aufführung.
tapfer durch alle Gefahren durchschlängelt, in
Anton und Donat Herrnfeld haben eine
der Taube Seite an Seite mit dem Kommerzien¬
neue Komödie unter dem Titel „So leben wir!“
ratstöchterlein nächtens über Paris leuchtende
zwei Akte aus der Gegenwart — vollendet
Bomben wirft und nach Friedensschluß sicherlich
Die Novität, die eine Fortsetzung der Kriegs¬
mit seiner reizenden Gefährtin den Flug durchs
episode „Er kommt wieder“ bildet, wird Don¬
Leben antreten wird. Auch die drastische Jo¬
nerstag, den 29. d. M., im Gebrüder Herrnfeld¬
sefine Dora, die lebendige Verkörperung der
Theater ihre Erstaufführung haben. Die Autoren
sind die Träger der Hauptrollen.
alten, guten Possentradition, ist da, diesmal
als weiblicher Straßenbahnschaffner. Die Musik
„Das Ungeheuer“ die bekannte Satire des
verstorbenen Jon Lehmann, die russische Zu¬
ist in ihren Haupttreffern vom Hauskomponisten
stände geißelt und vor einigen Jahren am Neuen
Walter Kollo. Das oft wiederkehrende Walzer¬
Theater in Berlin aufgeführt worden ist, hatte
duett: „Ich glaube, da fliegt ’ne Taube“ ist ein
am Neuen Schauspielhaus in Königsberg i. Pr.
hübscher Einfall, ebenso der Tanz zu dem von
einen lebhaften Erfolg.
I Sabo und der niedlichen Erna Ritter pikant
A
getanzten Duett: „Mamsellchen!“ Ein Marsch
vom „deutschen Storch“, der das erste Bild be¬
schließt, ist mir eine zu wörtliche Kopie von
Kollos Linden=Marsch.
Extrablätter sind endlich zumeist rasch
vergriffen — das wünsche ich von Herzen auch
den „Extrablättern“ des Berliner Th aters!
Erich Urban.