II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 494

hnitzler um
der zweiten
Lagram ge¬
als Pietät.
eu heran¬
erreich aus
Bürgern
halb ver¬
Er läßt
unden stark
schwächer
uf die Ge¬
so gewesen
stets geben
unsere jetzt
n der Echt¬
schade, daß
allgemein
erden, aus¬
doch ohne
en, als die
die Suche
besitzt. Er
ten bleibt
mplizierten
Fortinbras
leiern und
ft uns der
Man kann
von der
nd es nicht
tenfamilie
in diese
Ne
de

22. Derjunge Medundus
Zu seinen Wienern und Wienerinnen! Zurück zu einigen der schönsten
Gstalten, zu Medardus' Freund, dem melancholisch=weichen, wenn
auh schönrednerischen Etzelt, zu seinem männlichen Oheim Eschen¬
baher! Und zu seiner Mutter, der herrlich gesehenen Frau Franziska
Kühr. Küssen wir ihr die Hand, küssen wir ihr die Hände.
Barnowsky, der Spielleiter (vor grauen Zeiten sagte man „Re¬
giseur") hat eine sehr schwere und vielfältige Aufgabe mit Glück
bavältigt. Es galt in viereinhalb Theaterstunden eine Fülle wech¬
sender Szenen, Großwelt und Kleinwelt, Liebe, Haß und Tod,
Säuselndes und Schmetterndes einzuspannen. Daß die Darsteller
der kleinen Rollen, die wienerischen Männer und Frauen, sich mehr
einprägten, lag am Stück. Sie tragen eben das Menschliche, wenn
auch nur in kleinen Zügen. Heinz Salfner. Guido Herz¬
feld, John Gottowt, Paula Eberty. Kurt Götz
Senta Söneland, Max Adalbert und viele andere, hatten
Farbe und Stimme des Lebens. Herrn Theodor Loos hörte
man seinen vollen und ernsten Brustton etwas mühevoll in das leere
Innere des Medardus füllen. Lina Lossen bot nicht minder
eine Kunst, die ihrer Natur nicht entsprach, mit all der Dämpfung,
die ihr Geschmack verlangte, für die unfromme Helene auf. Ilka
Grüning war die Mutter des Medardus. Am Anfang schien sie
mir, ganz gegen ihre Art, die sonst immer sofort packt, gar zu
kühl zu sein. Was Gefaßtheit sein sollte, war Frostigkeit. Am
Schluß war sie, um es mit einem Wort zu sagen, Mutter.
Fritz Engel.
box 27/2
orgente
Adresse: Berlin
Datum:
Lessingtheater.
Artur Schnitzler: „Der junge Medardus“.
Die fast fünfstündige Dauer dieser „Dramatischen Historie“
war nicht allein daran schuld, daß ihr eine tiefere Wirkung ver¬
sagt blieb. Schnitzler hat zwar mit geschicktem Griff einen dank¬
baren Stoff gewählt, der sich in Wien, auf dem Hinter¬
grunde des unglücklichen Krieges gegen Napoleon 1809, wirk¬
sam abheben könnte. Aber es fehlt gerade bei solchem Vor¬
wurf diesem feinen Künstler die fest zupackende Faust, der das
Wesentliche heraushebende Griff. Er sucht den geschichtlichen
Stoff durch Spannungen edler Art zu vertiefen, aus ver¬
borgenen Quellen strömen ihm die Geschehnisse, und mit liebe¬
vollem Blick sucht er durch Einfügung wertvoller Kleinmalerei
ein vielseitiges Zeitbild zu geben. Aber er verzweigt da, wo
er nur verästeln sollte. Er löst die kräftigen Akzente auf, indem #
er die Grundtöne gedämpfter und ihre Aufeinanderfolge melodi¬
scher macht. Aber gerade in der heutigen Zeit ist unser Ohr
gewöhnt an schlichte und starke Töne, wir lieben das Ver¬
träumte nicht, und es scheint, daß für die Literatur der halben
Laute keine günstige Stunde ist.
Vielleicht hat indessen Schnitzler den Stoff weniger um
seines geschichtlichen Hintergrundes gewählt, obwohl er das
Stück— gerade für das Jahr 1909, wenn ich nicht irre, ge¬
schrieben hatte, sondern weil ihm dieser junge Medardus so
recht „liegt“, einer jener problematischen Helden, deren Re¬
gungen man mehr ahnen als erkennen soll; nicht minder dessen
Gegenspielerin, die Prinzessin Helene von Valois, eine adel¬
stolze, gewalttätige und doch von leiser Edelfäule umwitterte
Schönheit. Beide ihrer Naturanlage nach trefflich geeignet
zu dem echt Schnitzlerschen Spiel zwischen Tod und Liebe, die
er gern zusammen beim Leben zu Gast kommen läßt. Thanatos;
und Eros feiern ihr erstes gemeinsames Fest bei den Ge¬
schwistern der beiden, Francois und Agathe, die sich lieben
und gemeinsam in die Donau gehen, da die Schranken der Ge¬
burt sie trennen. Sie feiern ihr zweites Fest etwas umständ¬
licher bei diesen beiden, die nach kurzem Liebesrausch in den
Strudel der politischen Geschehnisse wild hineingerissen wer¬
den. Der Dolchstoß des jungen Medardus, der für Napoleon
bestimmt war, trifft die Prinzessin, die den Kaiser gleichfalls
ermorden wollte. So ist Napoleon gerettet, und er will den
verhafteten Medardus begnadigen. Der aber weist diese Gnade
zurück und bekennt, daß sein Werkzeug dem Kaiser galt. Er
hat in diesem letzten Entschluß etwas von der Starrköpfigkeit
des Michael Kohlhaas, „dessen Rechtsgefühl einer Gold¬
wage glich“
ist in der Charakterzeichnung viel zartes Filigran,
das leider in der Vergröberung durch das Bühnenlicht nicht
immer voll zur Geltung kommen kann. Auch ist die Zeit¬
stimmung gut getroffen, und wunderschön hebt sich die Lebens¬
und Liebeslust Altwiens aus den Bedrängnissen des politischen
Unglücks heraus. Aber wir sind nun einmal ernster in solchen
Dingen, namenklich heute. Ein Held, der sich mit Taten
schminkt, aus Laune stirbt, sagt uns so wenig zu wie des
Lebens Gebrochenheit und schwermütiges Verzichten. Das
große Drama, das wir heute erleben, wirkt nun einmal stärker
als die bunte Traumbildnerei jungösterreichischer Sonder¬
kunst, die den Schleier so liebt, weil sie ihn braucht.
In einige Verlegenheit gerät der Berichterstatter, sobald
er sich der Darstellung zuwendet. Mehr als sechzig Namen
zöhlt der Zettel auf — wohin mit dieser Armee um Mitter¬
nacht? In das enge Tor der Zeitungsspalte dürfen nur die
wenigsten noch zu kurzer Musterung hineingelassen werden:
Fräukein Lossen als Helene, hervorragend wie immer nur
für diese zusammengesetzte, hochmütig verschlagene Aristokratin
mit der leisen Edelfäule, zu rein, zu strahlend von wirklichem“
Adel, zu sehr Juno. Herr Loos verwirklicht mehr und mehr
die Hoffnungen, die wir seit zwei Jahren auf ihn setzen, gerade
so dämmerhafte, neuromantische, rätselvolle Gestalten wie dieser.
junge Medardus gelingen ihm vortrefflich. Fräulein Ilka
Grüning war, wie zu erwarten, eine Frau Klähr wie von
Leibls Stift gezeichnet, wundervoll in der lebenswahren Klein¬
malerei und ergreifend in ihrem Schmerz. Herr Kayßler
als General Rapp männlich bedeutend, Herr Salfner als
aufrechter Bürgersmann und Märtyrer nicht minder. Mit¬
vieler Sorgfalt hatte die von Direktor Barnowsky geleitete!
Darstellung sich der kleinen, sauber gezeichneten Charakter¬
rollen angenommen (Herr Herzberg, Adalbert u. a.).
Aber gerade dadurch entglitt der Ariadnefaden der Handlung
noch mehr den Händen der Aufmerkenden und es machte sich
einige Ermüdung geltend. Immerhin war die Aufnahme zum
Schluß freundlich, und der anwesende Dichter konnte für einen
Achtungserfolg danken.
I Strecker.