II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 498

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ter
22. Der jun
das Sattlermeistergewerbe zugunsten der nebensäch¬
lichen Spinettliebhaberei in den Hintergrund drängte.
Auch Adalbert als Denunziant machte Spaß,
und eine aparte Arztfigur brachte Gottowt mit
aller Delikatesse heraus.
Ich erwähne noch Frl.,
v. Hausen und Emmi v. Emmering als an¬
genehme Vertreterinnen des weichen, planderseligen
Wienertums, wozu sich sogar das sonst Urberlinerische
der Frau Eberty bereit fand.
Schade, daß bei so viel gutem und wirksamem
Aufwand sich Barnowsky um ein paar Schwie¬
rigkeiten der Juszenierung gedrückt hat. Es hätte der
Abend ganz anders ausfallen können.
Emil Faktor.
keitung: Berliner Allgemeine Zeitung
Adresse: Berlin
25
Datum:
„Der junge Medardus“.
Schnitzlers Drama im Lessingtheater.
Eine gewaltige Regiearbeit, die Victor Bar¬
nowsky mit großer Hingabe geleistet, ist auf¬
geboten worden, um dem Schnitzlerschen Drama den
Sieg zu bringen. Doch der Abend verlief matt
und lau, die Bilder — vierzehn an der Zahl —
schleppten sich gequält dahin, von einem Erfolg ist
nicht zu sprechen.
Schuld an dem Mißlingen trugen zum Teil die
Schauspieler, insbesondere Lina Lossen und
Theodor Loos — die sich im Ton vergriffen
und das Schauspiel gedämpft und geheimnisvoll
behandelten, wie wenn sie ein Ibsensches Problem¬
drama zu bewältigen hätten. Den größten Teil
des Erfolges aber untergrub sich das Stück selbst
das, aus Dutzenden von Szenen — etliche ergreifend
und packend —
zusammengesetzt, nicht zu etwas
Seinem Vorhaben,
Einheitlichem gediehen
Weltgeschichte und Liebe zusammengeschweißt
formen,
zu
einem großen Drama zu
zeigte sich Schnitzlers zarte Kunst nicht gewachsen.
Auch diese „dramatische Historie in einem
Vorspiel und fünf Aufzügen“ wächst auf Wiens
Boden. Es ist das Wien des Jahres 1809, der
Zeit des Napoleonischen Krieges. Die Landwehr
ist einberufen, und auch der junge Medardus
Klähr, der Feuerkopf, gehört dazu. Doch anstatt
ins Feld zu marschieren, bleibt er zurück. Seine
Schwester Agathe ist gemeinsam mit ihrem Ge¬
liebten, dem Sohn des ehemaligen Herzogs von
Valois, des erblindeten Anwärters auf Frank¬
reichs Königsthron, in die Donau gegangen, weil
der alte Herzog die Einwilligung zu einer
Heirat seines Sohnes mit der Bürgerlichen ver¬
sagt hat. Diese seine teure Schwester aber will
Medardus an der adelsstolzen Sippe rächen.
Und nun vollzieht sich in fünf bunten und
gedehnten Akten des jungen Medardus seltsam
verfehltes Rachewerk.
Wie François Agathe,
so verführt Medardus des jungen Herzogs
Schwester, Helene. Doch diese scheinbare Ver¬
geltung gedeiht ihm zum Verderben, aus dem
Nächer wird ein Verliebter und damit ein Ver¬
lorener. Seine Liebe ist ein Konzert rasender
Leidenschaften, die an eine Unwürdige ver¬
schwendet werden. Denn die Herzogstochter, die
sich berufen fühlt, Frankreichs Herrscherin zu
werden, zögert nicht, sich zu Napoleons Maitresse
herabzuwürdigen, als er in Schönbrunn ein¬
zieht. Nun verquicken sich in des Medardus
Schwärmerhirn Welthistorie und Liebesgeschichte,
und er, der nebenbei die Welt vom Tyrannen
befreien wollte, schiebt die Staatsaffäre beiseite.
Anstatt im Park zu Schönbrunn den verhaßten
Korsen zu töten, zieht er den romantischen Dolch
und stößt ihn der treulosen Geliebten ins Herz.
Das Drama konnte damit zu Ende sein. Doch
Schnitzler flickt noch einen romanhaften und un¬
klaren fünften Akt an. Napoleon läßt dem jungen
Medardus Begnadigung zusichern, sofern er nichts
gegen des Kaisers Leben unternehmen will. Doch
Held Medardus lehnt ab und wird somit erschossen.
Das figurenreiche Schauspiel enthält nur wenige
Rollen von Bedeutung. Ich erwähnte es bereits,
daß der gar zu neurasthenische Herr Loos (Medar¬
dus) und das schemenhafte Fräulein Lossen
(Helene) versagten. Aber Frau Grüning, des
Medardus Mutter, hatte Adel und Empfinden,
Heinz Salfner gab in kräftigen Konturen einen
patriotischen Sattlermeister, und Alfred Abel,
Agathes Brackenburg und des Medardus Posa, war
wohltnend in seiner ruhigen, bestimmten Geklärt¬
heit.
Julius Knopf.