22. Derjunge Nedaruns
Sann
Wenn Schnitzler um
Zu seinen Wienern und Wienerinnen! Zurück zu einigen der schönster
m Wien der zweiten
Gestalten, zu Medardus' Freund, dem melancholisch=weichen, wenn
in und Wagram ge¬
auch schönrednerischen Etzelt, zu seinem männlichen Oheim Eschen¬
nd mehr als Pietät.
bacher! Und zu seiner Mutter, der herrlich gesehenen Frau Franziska
ewölk neu heran¬
Klähr. Küssen wir ihr die Hand, küssen wir ihr die Hände.
Alt=Oesterreich aus
Barnowsky, der Spielleiter (vor grauen Zeiten sagte man „Re¬
achtzig Bürgern
eht, selber halb ver¬
gisseur") hat eine sehr schwere und vielfältige Aufgabe mit Glück
bewältigt. Es galt in viereinhalb Theaterstunden eine Fülle wech¬
tarken auf. Er läßt
arken Stunden stark
selnder Szenen, Großwelt und Kleinwelt, Liebe, Haß und Tod,
Säuselndes und Schmetterndes einzuspannen. Daß die Darsteller
die noch schwächer
der kleinen Rollen, die wienerischen Männer und Frauen, sich mehr
helden, auf die Ge¬
einprägten, lag am Stück. Sie tragen eben das Menschliche, wenn
Es muß so gewesen
wird es stets geben.
auch nur in kleinen Zügen. Heinz Salfner, Guido Herz¬
iben für unsere jetzt
feld, John Gottowt, Paula Eberty. Kurt Götz,
Senta Sönelano, Max Adalbert und viele andere, hatten
d ihr von der Echt¬
Farbe und Stimme des Lebens. Herrn Theodor Loos hörte
auch schade, daß
man seinen vollen und ernsten Brustton etwas mühevoll in das leere
und ihre allgemein
glänzt werden, aus¬
Inn###e des Medardus füllen. Lina Lossen bot nicht minder
eine Kunst, die ihrer Natur nicht entsprach, mit all der Dämpfung.
die ihr Geschmack verlangte, für die unfromme Helene auf. Ilka
Hätte er doch ohne
Grüning war die Mutter des Medardus. Am Anfang schien sie
en wollen, als die
mir, ganz gegen ihre Art, de sonst immer sofort packt, gar zu
geht auf die Suche
kühl zu sein. Was Gesaßtheit sein sollte, war Frostigkeit. Am
nicht besitzt. Er
Schluß war sie, um es mit enem Wort zu sagen, Mutter.
r Schatten bleibt
und komplizierten
Fritz Engel.
und Fortinbras
gsam, bleiern und
Was hilft uns der
geben? Man kann
brechen, von der
will und es nicht
Emigrantenfamilie
dabei in diese
örder Napoleons
chen, der als
schließlich einen
uhigten Gewissens
nd sehen Theater,
dort ein wenig
höne Emigrantin,
ochter und blasse
virklichen Welt.
kenschenformer!
K
Zeitung: Deutsche Zeitung
Aarener Berlin 26 Oft 101.
Datum:
Theater und Musik.
„Der junge Medardus“
Dramatische Historie von Arthur Schnitzler.
Erstaufführung im Lessingtheater.
Es war eine Zumutung! 4½ Stunden! 14 Bilder und
59 Personen. Viele Köche verderben den Brei. Es war ein
plastischer und redender Film. Nach einem vorzüglich ge¬
lungenen, anheimelnden echt Wiener Biedermeierakt übelstes
Schauerdrama, dessen Entwicklung wiegerzugeben, ebenso un¬
möglich wie überflüssig ist. Mit einer richtig gehenden Be¬
erdigung eines Liebespaares auf einem richtiggehenden Kirch¬
hof begannen die Geschmacklosigkeiten, die sich von Akt zu Akt
steigerten und nur hin und wieder durch schemenhafte Ansätze
zum wirklichen Drama gemildert wurden. Die Geschichte des
Buchhändlers Palm, der auf Befehl Napoleons ermordet
wurde, hat den Grundton der mit dilettantenhafter Weit¬
schweifigkeit aufgebauten „dramatischen Historie“
die
keine ist, gegeben. Was hätte daraus gemacht wer¬
den können. O, Arthur Schnitzler, trotz Bundes¬
genossenschaft und Nibelungentreue muß es gesagt sein,
daß „der junge Medardurs“ so ziemlich das stümperhafteste
Stück ist, das je unter literarischer Flagge dem Berliner Publi¬
kum vorgesetzt wurde. Das patriotische Beiwerk allein, das vom
Jahre 1809 zum Jahre 1914 eine Brücke schlägt, berechtigte
Direktor Barnowsky noch lange nicht, uns ein derartiges Un¬
ding zuzumuten. Wenn nicht Ilka Grüning ergreifende
Herzenstöne gefunden und Friedrich Kayßler dem Ge¬
neral Rapp die typischen Zuge eines napoleonischen Feldsolda¬
#ten verliehen hätte, wäre der Abend ganz unerträglich gewesen.
Tenn Loos in der Titelrolle war so unnatürlich und ge¬
schraubt wie möglich und Lina Lossens großes Können
mußte vor der Unmöglichkeit der ihr zugemuteten Rolle die
Waffen strecken.
M. Sch.
Sann
Wenn Schnitzler um
Zu seinen Wienern und Wienerinnen! Zurück zu einigen der schönster
m Wien der zweiten
Gestalten, zu Medardus' Freund, dem melancholisch=weichen, wenn
in und Wagram ge¬
auch schönrednerischen Etzelt, zu seinem männlichen Oheim Eschen¬
nd mehr als Pietät.
bacher! Und zu seiner Mutter, der herrlich gesehenen Frau Franziska
ewölk neu heran¬
Klähr. Küssen wir ihr die Hand, küssen wir ihr die Hände.
Alt=Oesterreich aus
Barnowsky, der Spielleiter (vor grauen Zeiten sagte man „Re¬
achtzig Bürgern
eht, selber halb ver¬
gisseur") hat eine sehr schwere und vielfältige Aufgabe mit Glück
bewältigt. Es galt in viereinhalb Theaterstunden eine Fülle wech¬
tarken auf. Er läßt
arken Stunden stark
selnder Szenen, Großwelt und Kleinwelt, Liebe, Haß und Tod,
Säuselndes und Schmetterndes einzuspannen. Daß die Darsteller
die noch schwächer
der kleinen Rollen, die wienerischen Männer und Frauen, sich mehr
helden, auf die Ge¬
einprägten, lag am Stück. Sie tragen eben das Menschliche, wenn
Es muß so gewesen
wird es stets geben.
auch nur in kleinen Zügen. Heinz Salfner, Guido Herz¬
iben für unsere jetzt
feld, John Gottowt, Paula Eberty. Kurt Götz,
Senta Sönelano, Max Adalbert und viele andere, hatten
d ihr von der Echt¬
Farbe und Stimme des Lebens. Herrn Theodor Loos hörte
auch schade, daß
man seinen vollen und ernsten Brustton etwas mühevoll in das leere
und ihre allgemein
glänzt werden, aus¬
Inn###e des Medardus füllen. Lina Lossen bot nicht minder
eine Kunst, die ihrer Natur nicht entsprach, mit all der Dämpfung.
die ihr Geschmack verlangte, für die unfromme Helene auf. Ilka
Hätte er doch ohne
Grüning war die Mutter des Medardus. Am Anfang schien sie
en wollen, als die
mir, ganz gegen ihre Art, de sonst immer sofort packt, gar zu
geht auf die Suche
kühl zu sein. Was Gesaßtheit sein sollte, war Frostigkeit. Am
nicht besitzt. Er
Schluß war sie, um es mit enem Wort zu sagen, Mutter.
r Schatten bleibt
und komplizierten
Fritz Engel.
und Fortinbras
gsam, bleiern und
Was hilft uns der
geben? Man kann
brechen, von der
will und es nicht
Emigrantenfamilie
dabei in diese
örder Napoleons
chen, der als
schließlich einen
uhigten Gewissens
nd sehen Theater,
dort ein wenig
höne Emigrantin,
ochter und blasse
virklichen Welt.
kenschenformer!
K
Zeitung: Deutsche Zeitung
Aarener Berlin 26 Oft 101.
Datum:
Theater und Musik.
„Der junge Medardus“
Dramatische Historie von Arthur Schnitzler.
Erstaufführung im Lessingtheater.
Es war eine Zumutung! 4½ Stunden! 14 Bilder und
59 Personen. Viele Köche verderben den Brei. Es war ein
plastischer und redender Film. Nach einem vorzüglich ge¬
lungenen, anheimelnden echt Wiener Biedermeierakt übelstes
Schauerdrama, dessen Entwicklung wiegerzugeben, ebenso un¬
möglich wie überflüssig ist. Mit einer richtig gehenden Be¬
erdigung eines Liebespaares auf einem richtiggehenden Kirch¬
hof begannen die Geschmacklosigkeiten, die sich von Akt zu Akt
steigerten und nur hin und wieder durch schemenhafte Ansätze
zum wirklichen Drama gemildert wurden. Die Geschichte des
Buchhändlers Palm, der auf Befehl Napoleons ermordet
wurde, hat den Grundton der mit dilettantenhafter Weit¬
schweifigkeit aufgebauten „dramatischen Historie“
die
keine ist, gegeben. Was hätte daraus gemacht wer¬
den können. O, Arthur Schnitzler, trotz Bundes¬
genossenschaft und Nibelungentreue muß es gesagt sein,
daß „der junge Medardurs“ so ziemlich das stümperhafteste
Stück ist, das je unter literarischer Flagge dem Berliner Publi¬
kum vorgesetzt wurde. Das patriotische Beiwerk allein, das vom
Jahre 1809 zum Jahre 1914 eine Brücke schlägt, berechtigte
Direktor Barnowsky noch lange nicht, uns ein derartiges Un¬
ding zuzumuten. Wenn nicht Ilka Grüning ergreifende
Herzenstöne gefunden und Friedrich Kayßler dem Ge¬
neral Rapp die typischen Zuge eines napoleonischen Feldsolda¬
#ten verliehen hätte, wäre der Abend ganz unerträglich gewesen.
Tenn Loos in der Titelrolle war so unnatürlich und ge¬
schraubt wie möglich und Lina Lossens großes Können
mußte vor der Unmöglichkeit der ihr zugemuteten Rolle die
Waffen strecken.
M. Sch.