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22. berjungedardus
box 27/2
storie vom
gestalt des Etzell nicht ohne innere Eindringlichkeit. Als Wie¬
und bietet
ner Typen durften besonders die Herren Herzfeld und
kann den
Abalbert gefallen, der blinde Herzog von Valois des Herrn
von dem
Landa prägte sich der Erinnerung ein.
) beinahe
Das Publikum war dankbar und ungeduldig. Das sind
wir alle Schnitzlers Entwicklung gegenüber! Sie steht, scheint
ngeheuren
es, bei der Fahrt zu den Müttern. Doch ist, die sie ihm dies¬
berspitzten
mal freigaben, seine Helene von Valois, durchaus noch keine
Helena.
überhaupt
das Wort
erstörung
ungen, die
er Schule
wir alle
ödie des
leuchtend
iderschein
er ist bei
rs er es
ine Tra¬
ntragisch.
unsere
is“ neue
das nur
Kreise¬
ipliziert¬
tion ge¬
breite
Wien
ten, be¬
Zeitung: Deutsche Warte
auch
det auf
eStrei¬
Adresse: Berlin
werden.
mußten
fallen,
27. Okt. 1914
Datum:
icht nur
ufgabe,
Lessing=Theater.
Ende.
Nach¬
Zum ersten Male: „Der junge Medardus“. Dra¬
Men¬
matische Historie von Arthur Schnitzler. Spielleitung:
durfte
Viktor Barnowsky.
haltung
ßte sie
Schnitzlers Medardus ließ lange aufssich warten. Jetzt,
nnlich¬
wo er zu uns kommt, donnert die Weltgeschichte vor den Toren.
dardus
Deutsche und österreichische Schwerterkraft schlägt den gemein¬
gleich,
samen Feind; Keine Zeit war dem Schnitzler=Werke gunstiger
Frl.
als diese. Mit änderen Augen sieht man jetzt die „Historie“,
r als
die von österreichischen Nöten handelk und durch sich selbst den
nd ge¬
Fernstehenden nicht warm macht. Weltgeschichte auf der Bühne
rungs¬
fordert immer einen großen Gestalter. Schnitzler ist nur
te als
ein großer Erzähler. Der Stoff wuchs ihm unter den
burg¬
Fingern in riesenhafte Breiten. Es war ein Fehler, diesen
trefflichen Roman in Bühnenform zu zwängen. Ein Stück von
sechs Akten mit siebzehn Bildern und über siebzig Personen
ist schon äußerlich kein Bühnenstück. Barnowsky ließ drei
Bilder fallen. Trotzdem nahm das Spiel fast fünf Stunden in
Anspruch. An dem langen Abend gab es viel zu schauen und
zu hören. Es wurde getrommelt und geschossen, geliebt und
gelebt, geseufzt und gestorben. Wenig aber konnte erlebt
werden.
Schnitzler wollte zweierlei: Ein Geschichtsbild geben und
ein Lebensschicksal schildern. Eines wurde mit dem andern
verwoben. Medardus zieht als verbindender Faden durch die
Reihe der Geschehnisse. Sein Schicksal aber versinkt unter der
Flut der Nebenereignisse. Dem Stücke fehlt, wie Hauptmanns
„Webern“, der Held. Das Volk spielt die Hauptrolle. Der
eigentlich Führende bleibt unsichtbar: Napoleon Bonaparte. Er
zog 1809 als Eroberer in die Kaiserstadt Wien, er¬
ließ das Standrecht proklamieren und die Bürger füsilieren, er.
war das Unglück der Familien Klähr und Valois. Medardus
Klähr, der Buchhändlerssohn, will die Stadt vom Tyrannen
befreien; aber der Zufall macht den Patrioten und Rächer der
Familienehre zum Glücksritter und Abenteurer. Aus Haß
verfolgt er die schöne Prinzessin von Valois. Aus Haß wird
er ihr Geliebter und aus Eifersucht ihr Mörder. Man sagt!
Ralssmtmter
ihm, die Prinzessin sei Napoleons Geliebte. In Wahrheit ist
sie des Korsen ärgste Feindin. Wie sie hingeht, ihn zu töten,
wird sie von Medardus erstochen. Wider Willen wird er so
zum Retter Napoleons. Die kaiserliche Gnade will ihm das
Leben schenken, aber er will nicht. Er trotzt dem Gewaltigen
und geht in den Tod. Aus Männlichkeit? Aus Eigensinn?
Eher aus Ueberdruß. Er glaubt ein Märtyrer zu sein und ist
doch ein kindischer Schwächling. Haltlos taumelt er von Ge¬
nuß zu Begierde, klügelnd wie Hamlet, melancholisierend wie
Anatol. „Gott wollte ihn zum Helden schaffen, der Lauf der
Dinge machte einen Narren aus ihm.“
Der Dichter hat selbst die Schwächlichkeit dieser Hauptfigur
erkannt. Der Reiz seines Stückes liegt anderswo: in dem
Beiwerk, das es umrankt., Das scheinbar Nebensächliche ist
zur Hauptsache gemacht. Die Stimme der Stadt Wien spricht
aus den Szenen. Leicht spielerisch, wie immer bei Schnitzler.
Aber diesmal in menschlichen Typen, die scharf gesehen und
scharf gezeichnet sind. Das Spießertum mit allen Abarten.
gibt die köstlichsten Bilder ab.
Die echten und falschen
Patrioten marschieren auf, die Großmäuler, die Leise¬
treter und die Hasenfüße. In der Ausmalung dieser.
Kleinwelt offenbart Schnitzler seine Meisterschaft.
Die
rauhe Zeit wird mit seiner Wiener Sonnigkeit durchtrankt und
selbst der Tod verliert bei ihm seine Schrecken. Er bändigt die
Leidenschaft zur Besonnenheik. Er ist nicht der Dichter der
großen Tragödien, aber ein“ liebenswürdiger Mittler einer
liebenswürdigen Kultur.
Direktor Barnowsky hat in schwieriger Zeit das
schwierige Werk gut bewältigt. Walsers Bilder waren schön
erdacht. Das Schloß Schönbrunn mit seiner Tiefe war ein
Meisterwerk. Im Heer der Darsteller ragten einige Namen
heraus: Heinz Salfner der tapfere Eschenbacher, Friedrich
Kayßler, der mannliche General Rapp, Max Landa,
der steife und vornehme Herzog von Valois, und Ilka Grü¬
ning. die mütterlich fühlende Franziska Klahr. Den
schwankenden Flackergeist Medardus zu einer Einheit zu ge¬
stalten, vermöchte nur ein ganz großer Schauspieler. Theodor
Loos verzettelte seine Kraft in unbestimmtem Spiel. Und
Lina Lossen machte die kalte Prinzessin noch eisiger, als es
nötig war.
J. 2.
22. berjungedardus
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storie vom
gestalt des Etzell nicht ohne innere Eindringlichkeit. Als Wie¬
und bietet
ner Typen durften besonders die Herren Herzfeld und
kann den
Abalbert gefallen, der blinde Herzog von Valois des Herrn
von dem
Landa prägte sich der Erinnerung ein.
) beinahe
Das Publikum war dankbar und ungeduldig. Das sind
wir alle Schnitzlers Entwicklung gegenüber! Sie steht, scheint
ngeheuren
es, bei der Fahrt zu den Müttern. Doch ist, die sie ihm dies¬
berspitzten
mal freigaben, seine Helene von Valois, durchaus noch keine
Helena.
überhaupt
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ungen, die
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Adresse: Berlin
werden.
mußten
fallen,
27. Okt. 1914
Datum:
icht nur
ufgabe,
Lessing=Theater.
Ende.
Nach¬
Zum ersten Male: „Der junge Medardus“. Dra¬
Men¬
matische Historie von Arthur Schnitzler. Spielleitung:
durfte
Viktor Barnowsky.
haltung
ßte sie
Schnitzlers Medardus ließ lange aufssich warten. Jetzt,
nnlich¬
wo er zu uns kommt, donnert die Weltgeschichte vor den Toren.
dardus
Deutsche und österreichische Schwerterkraft schlägt den gemein¬
gleich,
samen Feind; Keine Zeit war dem Schnitzler=Werke gunstiger
Frl.
als diese. Mit änderen Augen sieht man jetzt die „Historie“,
r als
die von österreichischen Nöten handelk und durch sich selbst den
nd ge¬
Fernstehenden nicht warm macht. Weltgeschichte auf der Bühne
rungs¬
fordert immer einen großen Gestalter. Schnitzler ist nur
te als
ein großer Erzähler. Der Stoff wuchs ihm unter den
burg¬
Fingern in riesenhafte Breiten. Es war ein Fehler, diesen
trefflichen Roman in Bühnenform zu zwängen. Ein Stück von
sechs Akten mit siebzehn Bildern und über siebzig Personen
ist schon äußerlich kein Bühnenstück. Barnowsky ließ drei
Bilder fallen. Trotzdem nahm das Spiel fast fünf Stunden in
Anspruch. An dem langen Abend gab es viel zu schauen und
zu hören. Es wurde getrommelt und geschossen, geliebt und
gelebt, geseufzt und gestorben. Wenig aber konnte erlebt
werden.
Schnitzler wollte zweierlei: Ein Geschichtsbild geben und
ein Lebensschicksal schildern. Eines wurde mit dem andern
verwoben. Medardus zieht als verbindender Faden durch die
Reihe der Geschehnisse. Sein Schicksal aber versinkt unter der
Flut der Nebenereignisse. Dem Stücke fehlt, wie Hauptmanns
„Webern“, der Held. Das Volk spielt die Hauptrolle. Der
eigentlich Führende bleibt unsichtbar: Napoleon Bonaparte. Er
zog 1809 als Eroberer in die Kaiserstadt Wien, er¬
ließ das Standrecht proklamieren und die Bürger füsilieren, er.
war das Unglück der Familien Klähr und Valois. Medardus
Klähr, der Buchhändlerssohn, will die Stadt vom Tyrannen
befreien; aber der Zufall macht den Patrioten und Rächer der
Familienehre zum Glücksritter und Abenteurer. Aus Haß
verfolgt er die schöne Prinzessin von Valois. Aus Haß wird
er ihr Geliebter und aus Eifersucht ihr Mörder. Man sagt!
Ralssmtmter
ihm, die Prinzessin sei Napoleons Geliebte. In Wahrheit ist
sie des Korsen ärgste Feindin. Wie sie hingeht, ihn zu töten,
wird sie von Medardus erstochen. Wider Willen wird er so
zum Retter Napoleons. Die kaiserliche Gnade will ihm das
Leben schenken, aber er will nicht. Er trotzt dem Gewaltigen
und geht in den Tod. Aus Männlichkeit? Aus Eigensinn?
Eher aus Ueberdruß. Er glaubt ein Märtyrer zu sein und ist
doch ein kindischer Schwächling. Haltlos taumelt er von Ge¬
nuß zu Begierde, klügelnd wie Hamlet, melancholisierend wie
Anatol. „Gott wollte ihn zum Helden schaffen, der Lauf der
Dinge machte einen Narren aus ihm.“
Der Dichter hat selbst die Schwächlichkeit dieser Hauptfigur
erkannt. Der Reiz seines Stückes liegt anderswo: in dem
Beiwerk, das es umrankt., Das scheinbar Nebensächliche ist
zur Hauptsache gemacht. Die Stimme der Stadt Wien spricht
aus den Szenen. Leicht spielerisch, wie immer bei Schnitzler.
Aber diesmal in menschlichen Typen, die scharf gesehen und
scharf gezeichnet sind. Das Spießertum mit allen Abarten.
gibt die köstlichsten Bilder ab.
Die echten und falschen
Patrioten marschieren auf, die Großmäuler, die Leise¬
treter und die Hasenfüße. In der Ausmalung dieser.
Kleinwelt offenbart Schnitzler seine Meisterschaft.
Die
rauhe Zeit wird mit seiner Wiener Sonnigkeit durchtrankt und
selbst der Tod verliert bei ihm seine Schrecken. Er bändigt die
Leidenschaft zur Besonnenheik. Er ist nicht der Dichter der
großen Tragödien, aber ein“ liebenswürdiger Mittler einer
liebenswürdigen Kultur.
Direktor Barnowsky hat in schwieriger Zeit das
schwierige Werk gut bewältigt. Walsers Bilder waren schön
erdacht. Das Schloß Schönbrunn mit seiner Tiefe war ein
Meisterwerk. Im Heer der Darsteller ragten einige Namen
heraus: Heinz Salfner der tapfere Eschenbacher, Friedrich
Kayßler, der mannliche General Rapp, Max Landa,
der steife und vornehme Herzog von Valois, und Ilka Grü¬
ning. die mütterlich fühlende Franziska Klahr. Den
schwankenden Flackergeist Medardus zu einer Einheit zu ge¬
stalten, vermöchte nur ein ganz großer Schauspieler. Theodor
Loos verzettelte seine Kraft in unbestimmtem Spiel. Und
Lina Lossen machte die kalte Prinzessin noch eisiger, als es
nötig war.
J. 2.