II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 523

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22. Derjunge edurdus
mchlegane: Badische Landen Pestung
in:
K119 Mannheim
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Schnitzlers „Junder Medardus“.
1Enthüllung der zerrisssenen, an der Zeit und am Ich kranken= besessen ist, von ihm die Tat als
den Seele.
erwartet.
Zur- Eerstllfiührung im Verliner Lesingtheater.
Schnitzlers Panorama heißt Alt=Wien 1809. Was jedoch
Noch weiter geht die tragische I
anschaulich an ihm, das schuf die dekorative Kunst des
(Von unserem Korrespondenten.)
den Dolch im Gewande, an der Tr
Malers Karl Walser mit stillen Stuben, dem Glacis,
des Kaisers gewärtig. Da kommt
E Berlin, 25. Oktober.
den Parkmauern, dem Gartensaal über allen Wipfeln, der
das Gerücht geht, sie sei Napoleon
Bedute (das altmodische Wort gibt gut die Stimmung des
Schmerzlich zu sagen für den, dem Schnitzler als Wis¬
von Raserei gepackt, ersticht seine
Bild= und Schildereihaften, die hier statt derberer Wirklich¬
ler und Deuter menschlicher Gefühlsgewebe viel bedeutet,
Volksfeindes und —
da ist der
keitstäuschung entrückend spielt, also der Vedute von Schön¬
doch diese Historie aus österreichischer Franzosenzeit ist wohl
damit ihm, dem Bonaparte, das
brunn. Und wirksam kam Barnowskys Regie hinzu,
gründlichst verfahren und vertan. Und es bleibt eine der
wie sich herausstellt, selbständiger a
mit lebhaft bewegten Militär= und Zivilstandsgruppen, mit
Urüben (die Blicken trübenden) Folge=Erscheinung des Krieges,
Attentat vor.
dem Blau und Weiß der Monturen, den geblümten Umschlag¬
daß man dies in der heimatlichen „Burg“ an der Donau
Diesen Hohn, als das Zerrbi
tüchern der Frauen, dem Kaffeebraun der bürgerlichen
bereits vor Jahren aufgeführte Stück nicht im schonenden
für den großen Widersacher dazusteh
Glockenröcke unter schweisigen Castorhüten. Schnitzlers In¬
Schatten ließ, sondern jetzt hervorholte, nur weil es auf
nicht. Er weist alle Gnaden ab, erh
halt dieser Volksszenen ist mit den bequemsten Mitteln ge¬
dem Hintergrund der Schlachten gemalt ist. Kein Berliner
nie von seiner Bedrohung des K
macht, er zieht, um Leben in die Schaubude zu bringen, die
Theater wollte vorher an diese neugeartete Heimatskunst
wählt so, mit der Verurteilung zur
ollgemeinsten Register: seine Leute klatschen herum, auf
Schnitzlers glauben, nun baute nur aus den äußerlichen
Sicherheit des Todes gegenüber der
Straßen und Plätzen, bekannegießern Napoleons Strategie,
Gründen waffenklappernder Nebengeräusche das Lessing¬
den Ungewißheit des Lebens.
sind voll zudringlicher, schlecht mit Teilnahme verkappten
theater den mühsamen und riesengroßen Apparat dieses
Vielleicht wollte Schnitzler hier
Neugier für die Unglücke des Nächsten: Randalmacher und
Spektaculums mit seinem Massen=Aufgebot unter Mobil¬
edlen, aber schwachen Natur die ara
Angstmeier werden vorgeführt, und als ein recht mühsamer
machung vieler Reservem auf. Für das Haus eine gewiß! „Clown“ tritt der „uralte Herr“ auf, der überall, wo etwas
Seele sich zur Grimasse verstellt, so
ehrenvolle, aber doch nutzlose Verschwendung; für die Zu¬
dernd vor sich selber flieht.
los ist, sein Gemecker erhebt.
schauer durch die Endlosigkeit der Vorstellung (von sieben bis
der Buchhändler Etzelt, der philosophi
Das sind nun doch die bescheidensten Farben und die dünn¬
Mitternacht) ein zweifelhaftes „theatralisch Vergnügen“, mit
drückt das so aus: „Gott wollte ihn
lauem Beifall beantwortet und deutlicher Lichtung der Reihen;
sten Züge um Wiener Geschichte in napoleonischer Sphäre zu
der Lauf der Dinge machte einen N#
malen. Und leider werden wir auch nicht befriedigter, wenn
für den Dichter, der die Reise nicht gescheut, eine peinliche
Von Schnitzler, dem scharfsinn
Enttäuschung. Anfangs sah man ihn noch mit seinem
wir aus dem großen Raum in das helldunkle Extrakabinett
schöpferisch darstellenden Psychologen
mit der Aufschrift: „Der junge Medardus“ treten.
weichen Anatolgesicht, das dem Mann von fünfzig Jahren
verlangt, daß er nicht nur obenhin d
noch fast unverändert blieb, am Logenrand im Vordertreffen,
Das Zwielicht der Seele, die Schnitzler einmal das „weite
zeigt, sondern daß er uns einversetzt
Land“ genannt, die Gefühlsverwirrung, sein Lieblingsthema,
dann zog er sich allmählich ins Dunkel zurück. Miv
war es leid um ihn. ...
der inneren Vorgänge seines „halben
soll hier in einer ungewohnten Umrahmung welthistorischen
bleibt aus.
Geschehens behandelt werden.
Noch schlimmer wirds, daß die A
Der junge Medardus Klähr ist wie seine Freunde, voll
Was ist es — fragt man sich, nachdem man die schwere
salsmaschinerie, die Prinzessin, kein
Inbrunst und Begeisterung für Vaterland und Recht und
niederdrückende Abspannung dieses Abends überwunden —
mit Makulaturfetzen ausgestopfte The#
um diesen Schritt Schnitzlers, den Schritt vom einsamen
voll brennendem Haß gegen Napoleon. Diese einfach gerad=schämt sich für Schnitzler, den Fr##
Wege in eine bewegte Volksgewühl=Dramatik?
linige Leidenschaft wird ihm zersetzt und ätend durche pierenen Zwitters, gezeugt vom Fede
Vielleicht reizte den Dichter dieses: bunte Kulissen öffent¬
einander gewirbelt durch Gefühle, die aus dem verborgenens topf. Lina Lossens Innerlichkeit
licher Schauplätze in altertümlicher Luft mit der Bewegung
Boden seines innerlichsten Seins emvorwuchern. Haß und Der Darsteller des Medardus, Herr
vieler Menschen (Massentypen, Zeitstimmungsvertreter) hin¬
Rachesucht spalten sich und richten sich gegen die vertriebene] krampfhaft durch die Vorgänge seiner
herzogliche Familie der Valois, der „Emigrierten“ in Wien,
zustellen, also den äußerlichen Bilderbogen, die Panoramen¬
nicht mehr zu Tage, als eben „halt“
deren Sohn des Medardus Schwester verführt und mit ihr ins
bühne eines geschichtlichen Volksstücks; in diesem Panoptikum
und der kann nicht fünf Stunden ses
Wasser gegangen (Das Vorstadt=Melodramatische in diesem
aber gleichzeitig an einer besonderen Figur mit Schnitz¬
„Nebenfiguren sind immer das best
Motiv brachte Schnitzler bewußt als stilgemäßes Motiv des
lerischer Seelenanatomie verwickelt widerspruchsvolle Gefühls¬
„Volksstücks“)
So auch hier: Ilka Grünings t
vorgänge aufzuzeigen, das Durcheinander der von den Er¬
Hausfrau, gut bürgerlich, aus d
Tragische Ironie liegt nun darin: daß Medardus, der
regungen des Kriegsgeschehn und der von persönlich innerstem
Aufschrei des geängsteten Mutterges
mit seinem Privathaß die Valois verfolgt, mit seinem
Liebes=Erlebnis aufgewühlten Leidenschaften in einem jungen
Menschen.
herausbricht. Heinz Salfners
Napolconhaß, der ihm der höhere sein müßte, unfreiwillig
der Parteigänger
Enchenbacher, der auftechte, wartkarge
Grob ausgedrückt: Schaubude mit Extrakabinett, worin
der verbannten Kronprätendenten und
eine Nacktheit —
lers General Rapp, kantig „sehnig,
Feinde des „korsischen Emporkömmlings“ wird Und nicht
Nacktheit der Seele natürlich
ein Charakter, wie er ihn gern gibt, mi
nur Parteigänger, sondern Werkzeug und Handlanger. Denn
Aussicht gestellt wird. Diese Vereinigung unter ein Dach zu
Ton und schmalen Lippen. Damals
Helene von Valois, die Herzogstochter und Prinzessin um¬
bringen, gelang nicht, aber auch die Einzelteile gerieten strickt ihn, und er, der Navoleon mit seinen Händen als
würde man sagen: Potsdam.
Und Landas Herzog von Val
nicht, weder das Schaubudenhafte, noch, was viel mehr ein Vollstrecker höheren Willens töten wollte, lauert ihm Phankom, glich im Soleil=Antlit tron
wunder nimmt, das eigentlich Schnitzlerische, die kennerische jetzt auf, weil das Weib, von dem er haß= und liebezerfleischt Puderperücke, Brokat und„Delphink#