II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 524

22. Derjunge -Madardus
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n der Zeit und am Ich kranken¬
beiessen ist, von ihm die Tat als Lohn der Liebesnächte
erwartet.
ißt Alt=Wien 1809. Was jedoch
Noch weiter geht die tragische Ironie. Medardus steht,
schuf die dekorative Kunst des
den Dolch im Gewande, an der Treppe von Schönbrunn,
it stillen Stuben, dem Glacis,
des Kaisers gewärtig. Da kommt Helene, von der jetzt
ensaal über allen Wipfeln, der
das Gerücht geht, sie sei Napoleons Geliebte. Medardus
rt gibt gut die Stimmung des
von Raserei gepackt, ersticht seine Feindin statt seines
die hier statt derberer Wirklich¬
Volksfeindes und
da ist der Schicksalswitz
rettet
lt, also der Vedute von Schön¬
damit ihm, dem Bonaparte, das Leben. Helene hatte,
Barnowskys Regie hinzu,
wie sich herausstellt, selbständiger Weise auch ein eigenes
r= und Zivilstandsgruppen, mit
Attentat vor.
ituren, den geblümten Umschlag¬
Diesen Hohn, als das Zerrbild eines Schutzengels
Kaffeebraun der bürgerlichen
für den großen Widersacher dazustehen, erträgt Medarous
Castorhüten. Schnitzlers In¬
nicht. Er weist alle Gnaden ab, erklärt seinen Entschluß,
hit den bequemsten Mitteln ge¬
nie von seiner Bedrohung des Kaisers abzulassen und
die Ehaubude zu bringen, die
wählt so, mit der Verurteilung zur Kugel, die reinliche
ie Leute klatschen herum, auf
Sicherheit des Todes gegenüber der bemakelnden, narren¬
egießern Napoleons Strategie,
den Ungewißheit des Lebens.
echt mit Teilnahme verkappten
Vielleicht wollte Schnitzler hier zeigen wie in einer
Nächsten; Randalmacher und
edlen, aber schwachen Natur die große, reine Miene der
und als ein recht mühsamer
Seele sich zur Grimasse verstellt, so daß der Mensch schau¬
rr“ auf, der überall, wo etwas
dernd vor sich selber flieht. Des Medardus Freund,
der Buchhändler Etzelt, der philosophische Kopf des Stückes,
heidensten Farben und die dünn¬
drückt das so aus: „Gott wollte ihn zum Helden schaffen,
hte in napoleonischer Sphäre zu
der Lauf der Dinge machte einen Narren aus ihm.“
ir auch nicht befriedigter, wenn
Von Schnitzler, dem scharfsinnigen und zugleich
in das helldunkle Extrakabinett
schöpferisch darstellenden Psychologen, hätte man freilich
junge Medardus“ treten.
verlangt, daß er nicht nur obenhin den „Lauf der Dinge“
die Schnitzler einmal das „weite
zeigt, sondern daß er uns einversetzt und zum Miterlebnis
erwirrung, sein Lieblingsthema,
der inneren Vorgänge seines „halben Helden“ macht. Dies
en Umrahmung welthistorischen
bleibt aus.
Noch schlimmer wirds, daß die Ankuxblerin der Schick¬
lähr ist wie seine Freunde, voll
salsmaschinerie, die Prinzessin, kein Wesen, sondern eine
für Vaterland und Recht und
mit Makulaturfetzen ausgestopfte Theaterschlange ist. Man !
Napoleon. Diese einfach gerad¬
schämt sich für Schnitzler, den Frauenmann, dieses pa¬
nzersetzt und ätzend durche
pierenen Zwitters, gezeugt vom Federhalter im Schmink¬
fühle, die aus dem verborgenen
topf. Lina Lossens Innerlichkeit war zu schade dafür.
Eeins emporwuchern. Haß und
Der Darsteller des Medardus, Herr Loos, wand sich
lichten sich gegen die vertriebene
krampfhaft durch die Vorgänge seiner Rolle, brachte aber
s, der „Cmigrierten“ in Wien,
nicht mehr zu Tage, als eben „halt“ seinen Schwächling,
hwester verführt und mit ihr ins
und der kann nicht fünf Stunden fesseln.
stadt=Melodramatische in diesem
„Nebenfiguren sind immer das beste“, sagt mal Fantane.
ußt als stilgemäßes Motiv des
So auch hier: Ilka Grünings tätig wirkende Wiener
Hausfrau, gut bürgerlich, aus der dann der elementare
kun darin: daß Medardus, der
Aufschrei des geängsteten Muttergeschöpfes erschütternd
Valois verfolgt, mit seinem
herausbricht. Heinz Salsners ehrenfester
Meister
öhere sein mützte, unfreiwillig
Enchenbacher, der aufrechte, wartkarge Märtyrer; Kay߬
annten Kronprätendenten und
lers General Rapp, kantig „sehnig, in stählerner Form,
rkömmlings“ wird. Und nicht
ein Charakter, wie er ihn gern gibt, mit scharfeunerbittlichem
Perkzeug und Handlanger. Denn
Ton und schmalen Lippen. Damals napoleonisch, heute
ogstochter und Prinzessin um¬
würde man sagen: Potsdam.
poleon mit seinen Händen als
Und Landas Herzog von Valois, das Royalisten¬
lens töten wollte, lauert ihm Phantom, glich im Soleil=Antlitz trotz blinder Augen mit
dem er haß- und liebezerfleischt“ Puderverücke. Brokat und Delphinkrückstock einem, dem
L en
schweifigen Goldrahmen entstiegenen Ahnenbild aus den
Korridoren von Versailles.
Felix Böppenberg.—
* (Das Deutsche Museum i