II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 545

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22. Deundandus
In
ANANA
keit, Napoleon niederzuringen, glaubt, und der über Vaterland
weiß Medardus es wohl selbst nicht recht, ob sein, der Großmut
ion.
und Heldentum sehr ketzerische Meinungen hegt — ein musik¬
des Franzosenkaisers abgetrotzter Opfermut dem Vaterland (dem
begabter Sattlermeister — der einzige, der hier eine kühne Tat
er nicht mehr nützen kann) oder der erotischen Enttäuschung eines
wagt, den Geboten Napoleons trotzt und stolz den Tod dafür er¬
Jünglings galt, der bei jeder noch so dürftigen Gelegenheit seine
apoleon.
leidet. Und der einzige, der von Anbeginn bis zum Schluß fest
ganze Existenz aufs Spiel gesetzt hat. Auch uns selbst läßt er im
seinen Charakter wahrt, ist ein alter Narr, der Herzog von Valois,
rthur Schnitzlers im
Zweifel darüber, und wohl auch seinen besten Freund, einen armen
dem von seinen Ansprüchen auf den Thron Frankreichs nichts übrig
eater.
Brackenburg, der nach seiner Abweisung als Schutzengel des
geblieben ist, als eine fixe Idee, die ein Irrenarzt sehr behutsam
Bruders der Geliebten immerzu über die Bretter schleichen muß.
en Künstlers, in Berlin noch
pflegt. (Vielleicht dachte Schnitzler dabei an einen Hofstaat, der
Das Lessing=Theater hatte sich des Dramas, das so schwer
griff darnach. Warum es
bis in die jüngste Zeit hinein in Habsburgs Schutz Träume von
ein Ende und ein Ziel finden konnte, nicht nur mit geschärfter
n der gar nicht faule Blau¬
scheinbar ähnlicher Hoffnungslosigkeit starr, aber am Ende doch
Schere, sondern auch mit großer Zärtlichkeit für die sehr reichen
ergriffen hat? Trotz 1809?
mit besserem Erfolg behütete).
Ueberbleibsel angenommen. Schöne, wohlgeordnete Bilder gab's.
Begeisterung der Kriegs¬
Aber welche mondscheinüberglänzten Widersprüche ringsum!
Der dunklen, geheimnisvollen Schönheit Lina Lossens konnte
n, erschütternden Füsilierun¬
Vorklang: ein französischer Prinz und ein Wiener Bürgermädchen
man zuweilen sogar die Prinzessin glauben, die so unsinnlich
er nicht Seele, sondern De¬
spielen Ferdinand und Luise. Zwei Wasserleichen. An ihrer Bahre
alles über einen Königstraum vergißt und heimlich doch vom
ist ein entmannter, ein zer¬
der Bruder des Doppelselbstmord=Mädchens. Halb Valentin, halb
Zucker der Genüsse nascht. Herr Loos gab dem Medardus in
in verschämter, ein holdver¬
Laertes, aber ganz von aller Logik verlassen, beschließt er unmittel¬
erfreuender Erscheinung noch mehr Kränklichkeit, als Schnitzler
mer wieder den Hauch der
bar nach seinem Todesschwur gegen Napoleon, nicht als Frei¬
schon in seiner zerschäumenden Jugend gedacht hat. Man fühlte,
d Gärten, auch der Wiener
williger gegen die heranrückenden Franzosen zu ziehen, sondern die
wie sehr diesem bürgerlichen Hamlet wahre Größe fehlt, und wie
ien verkünden den Dichter.
Tote zu rächen. An wem? Am Grabe lernen sich der brüderliche
sehr seine Entschlußkraft immer nur in Fieberwirrnis erwacht.
schaulich verliebten Erzähler,
Medardus und die schwesterliche Prinzessin kennen. „Hinweg mit
Bescheiden und doch königlich (wie die alte Viktoria) schritt als
n achtet, alles durch den
den Blumen, Sie Hochmütige, die sollen in Ihren mörderischen
des Medardus Mutter Ilka Grüning über die Szene, und
t, wenn er gestaltet, zugleich
Fingern welken!“ Prinzessin zu einem herzukommenden Mar¬
Herr Götz ließ den Neunzigjährigen, der kopfschüttelnd, ver¬
das geistige Band, fehlt nur
quis! „Töten Sie ihn, dann will ich Ihre Frau werden“. Nach
ständnislos, fast gleichgültig zwei Frauen, Kinder und scharen¬
Der Held, Medardus, hat
dem Duell schickt ihm die Stolze (die keine andere Wichtigkeit auf
weis Enkelkinder in die Gruft sinken sieht und alle überlebt, zu
l wie der Dichter über sein
Erden anerkennt als die sehr schwachfüßigen Ansprüche ihres
einer dauernden Erinnerung werden.
Ein starkes dramatisches
es Gedicht. Im Grunde ist
Papas auf die Krone Frankreichs) dieselben Blumen, die er vom
Epigramm eines dichtenden Arztes.
tgrößerer Ehrlichkeit gegen
Grabhügel geschleudert hat. Noch am selben Abend liegt der ver¬
Josef Adolf Bondy.
lut, dessen Wärmegrad hin¬
wundete Medardus in ihren erhabenen Armen. Die tödlich Ver¬
liebten, die Nacht um Nacht sich trunken einander hingeben (trotz¬
hatürlich fließende Bürger¬
dem das konsequente Prinzeßchen inzwischen Marquise geworden
in Bündel sehr scharf ge¬
ist, um später einmal — bei gegebener Gelegenheit — einem
scheidtheit uns darüber hin¬
Valois, einem König von Frankreich, das Leben zu schenken) bleiben
dsamkeit und Prinzessinnen¬
Todfeinde. Wirklich? Medardus will Napoleon töten, in heiligem
keinem Wesen nach ein ver¬
vaterländischen Zorn. Vielleicht auch nur um seiner krankhaften
bman ist. Es ist bezeichnend
Unruhe ein neues Erruptionsziel zu geben. Tuts nicht, weil die
s und Ironie, zwischen Be¬
Geliebte dieselbe Tat zu anderem Zweck, zum Besten den Valois,
er gaukelnden Geist dieses
von ihm verlangt. Ersticht sie selbst aus Eifersucht, als sie zu
Napoleons Empfang nach Schönbrunn geht. (Eine sehr üppig
aus der Zeit des zweiten
aufgebaute Opernszene, an deren Schluß Bonaparte in Person —
st der Mann, der nicht recht beinahe — erscheint.) Napoleon begnadigt ihn, weil die Valois
tismus und an die Möglich= selbst den Dolch im Gewande trug. Noch in seiner letzten Stunde!