II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 550

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22. Derjunge -Medandus
vomé IK 1974
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eigentliche Kern des Vorganges wird, muß doch in jedem
Arthur Schuißsen und der Krieg.
Einne hervorragend unzeitgemäß heißen. Denn
so, ausschließlich so sind ja die Dinge, gottlob, weder in Wien
Von Julius Bab.
noch anderswo, und selbst, wenn sie so wären, so wäre es
(Nachdruck „verboten.)
zeitgemäß, erzieherische Gegenbeispiele auf die Bühne
zu
stellen, statt die Schwäche der Menschen dem Interesse dar¬
Unser ständiger Mitarbeiter in Berlin schreibt uns:
zubieten.
Arthur Schnißzler, der reinste und in seiner Reinheit
Ein Theaterdirektor aber merkt all dergleichen nicht: er!
künstierisch wertvolle Repräsentant eines epikuräisch
merkt nur, da wird geschossen, und also ist es ein Kriegsstück.
weichen Wieneriums, ein Skeptiker von Geblüt, ein leicht¬
Und allerdings richtet er das riesige Buch vom jungen
sinniger Melancholikus, hat mehr als einmal den Krieg in
Medardus so zu. daß die besten, das heißt, die künstlerisch
seine Gedichte hineinleuchten lassen. Nicht, weil er ihn als
charaktervollsten Stücke, eben die bitter ironischen Volks¬
ein Entfesseln leidenschaftlich heroischer Kräfte erleben und
szenen auf der Bastei, fortfallen; es fällt auch noch sonst so
darstellen machte, sondern weil die Anhäufung von Krisen,
vieles fort, daß man kaum den äußerlichen Zusammenhang
von Katastrophen, unter denen sich weich Gemuter von
noch festhalten kann, ja, daß immerfort Anspielungen auf
Augenblick zu Augenblick verwandeln, ihn, den großen Lieb¬
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Dinge gemacht werden, die niemand auf der Bühne hat wahr¬
haber aller Verwandlung, reigten. So hat er auch einmel
nohmen können. Das letztere ist natürlich grobes dramatur¬
ein großes Kriegsdrama geschrieben, eine dramatische Historie
gisches Ungeschick; im ganzen aber ist es doch die Schuld des
„Der junge Medardus“. Ein Monstrum von einem
Dichters. Denn dieses Riesengebäude ist nicht
Stück: Zweihundertvierzig Druckseiten umfaßt es und sechs
in einem
Theaterabend unterzubringen, ganz einfach, weil es nicht als
Akte. aber jeder Akt ist aus mehreren Szenen zusammen¬
Drama gedacht und empfunden ist, sondern weil ein Mensch,
gesetzt, deren jede wieder die Länge eines normalen Theater¬
ein Dichter, der für den kriegerisch handelnden Menschen ohne
aktes hat. Vor ein paar Jahren ließ das Wiener Burg¬
Sinn ist, mit epischer Breite die Schwäche von Kreaturen,
theater dies Stück spielen als eine Art Parade über seinen
die der Krieg verwirrt hat, darstellen wollte, und dabei leider
üppigen Besitz an Menschen und Material. Jetzt im Kriegs¬
statt zum Roman zur szenischen Form griff. Die Geschichte
jahr brachte Viktor Barnowsky im Berliner Lessing¬
des jungen Medardus, der sich von Akt zu Akt immer ent¬
theater mit einem gewaltigen Einsatz von Mitteln und
schiedener entschließt, nichts zu tun, konnte erst ganz zuletzt,
Arbeit die Historie zur Aufführung. Der etwas kurze Sinn
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als sich der scharfe Kontrast auf eine heroisch närrische Art
eines Theaterdirektors hält das Stück offenbar für „zeit¬
schließlich aus der Welt schafft, einiges Gefühl bei uns er¬
gemäß", weil Kanonenschüsse ertönen, weil von Ausmarsch
wecken. Die Geschichte der Familie Valois aber, der hoff¬
und Schlacht, von Belagerung und Okkupation die Rede ist.
nungslosen französischen Kronprätendenten, die wohl zu der
Er scheint ganz zu übersohen, daß dies Stück, wie es bei
hoffnungslosen, schwachen Schwärmerei des Bürgersohnes
Schnitzler nicht anders sein kann, eine melancholisch=skeptische
eine aristokratische Parallele bilden soll, und die durch eine
Tendenz hat, daß es zwar das Wiener Bürgertum in dem
Reihe gröbster erotischer Zusammenstöße mit dem Geschick des
Schlachtenjahr 1809 darstellt, aber nur, um zu zeigen, wie
Medardus verknüpft wird, läßt vollends kalt, weil sie in einer
viel egoistische Bequemlichkeit, wie viel feigmütige Schwach¬
romanhaften, verstiegenen Sprache, ohne alle lyrische Stim¬
heit, wie viel bloße Sensationslust hinter den kriegerischen
mungsgewalt, vorgeführt wird.
Phrasen der Masse steckt. Einzelne Züge, die den feigen
So lag es großenteils an Schnitzler, wenn das Publikum
Pöbel charakterisieren, etwa, wie er, zur Masse geballt, in
sich ganz überwiegend langweilte. Ein wenig lag es auch an
sinnloser Wut einen Parlamentär erschlägt, aber nach den
der Besetzung. Denn Theodor Loos, der doch ein großes
ersten Kanonenschüssen stürmisch die weiße Fahne verlangt,
Talent schien, hat entweder nicht den rechten Regisseur ge¬
sind allerdings geeignet, uns nachdenkliche Vergleiche mit Vor¬
funden, oder er ist ärmer, als wir dachten. Sein Medardus
kommnissen der jüngsten Zeit stellen zu lassen. Aber ein
war schwunglos, nüancenlos, weinerlich=monolon. Die
Stück, in dem diese bittere Skepsis nicht die besinnende Ein¬
Nervosität, die als Untergrund die Tugend dieses Künstlers
schränkung einer großen, positiven Leidenschaft, sondern der I war, ist als Ersatz für jeden Oberbau bereits ein Laster. Und

Lina Lossen spielte die dämo
mit wunderschöner Haltung
Können; aber geschaffen
Salomevariationen nicht. Un
Grüning die kräftige Mutter
repräsentierte großartig als naß
sonst gab es unter den zahllo
mehr Gutes als Schlechtes.
zückende Bilder aus dem alten A
gab den Straßenszenen ein sehr
bunten Fäden konnten auf dem
lein fesselndes und bedeutsame
hältnis dieses Dichters zum Dr
durchaus problematisches. Er
einaktige Aufschreie von tiefer
breiten Aufbau eines historischen
Kriegsgedichts fehlt es ihm an
Kraft. Er gerät in breite, rom
war unzeitgemäß und auch kün
Medardus zu spielen.