hox 27/2
22. Derjunge -Medandus
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eigentliche Kern des Vorganges wird, muß doch in jedem
Sinne hervorragend unzeitgemäß heißen. Denn
lugler und der Krieg.
so, ausschließlich so sind ja die Dinge, gottlob, weder in Wien
Von Julius Bab.
noch anderswo, und selbst, wenn sie so wären, so wäre es
zeitgemäß, erzieherische Gegenbeispiele auf die Bühne zu
(Nachdruck verboten.)
stellen, statt die Schwäche der Menschen dem Interesse dar¬
Mitarbeiter in Berlin schreibt uns:
zubieten.
der reinste und in seiner Reinheit
Ein Theaterdirektor aber merkt all dergleichen nicht: er
merkt nur, da wird geschossen, und also ist es ein Kriegsstück.
Repräsentant eines epikuräisch
ein Skeptiker von Geblüt, ein leicht¬
Und allerdings richtet er das rienge Buch vom jungen
Medardus so zu. daß die besten, das heißt, die künstlerisch
hat mehr als einmal den Krieg in
charaktervollsten Stücke, eben die bitter ironischen Volks¬
uchten lassen. Nicht, weil er ihn als
szenen auf der Bastei, fortfallen; es fällt auch noch sonst so
haftlich heroischer Kräfte erleben und
vieles fort, daß man kaum den äußerlichen Zusammenhang
dern weil die Anhäufung von Krisen,
noch festhalten kann, ja, daß immerfort Anspielungen auf
er denen sich weiche Gemüter von
Dinge gemacht werden, die niemand auf der Bühne hat wahr¬
lick verwandeln, ihn, den großen Lieb¬
nehmen können. Das letztere ist natürlich grobes dramatur¬
ung, reizten. So hat er auch einmol
gisches Ungeschick; im ganzen aber ist es doch die Schuld des
ageschrieben, eine dramatische Historie
Dichters. Denn dieses Riesengebäude ist nicht in einem
ardus“. Ein Monstrum von einem
Theaterabend unterzubringen, ganz einfach, weil es nicht als
rzig Druckseiten umfaßt es und sechs
Drama gedacht und empfunden ist, sondern weil ein Mensch,
st aus mehreren Szenen zusammen¬
ein Dichter, der für den kriegerisch handelnden Menschen ohne
er die Länge eines normalen Theater¬
Sinn ist, mit epischer Breite die Schwäche von Kreaturen,
gar Jahren ließ das Wiener Burg¬
die der Krieg verwirrt hat, darstellen wollte, und dabei leider
len als eine Art Parade über seinen
statt zum Roman zur szenischen Form griff. Die Geschichte
ischen und Material. Jetzt im Kriegs¬
des jungen Medardus, der sich von Akt zu Akt immer ent¬
arnowsky im Berliner Lessing¬
schiedener entschließt, nichts zu tun, konnte erst ganz zuletzt,
gewaltigen Einsatz von Mitteln und
als sich der scharfe Kontrast auf eine heroisch närrische Art
Aufführung. Der etwas kurze Sinn
schließlich aus der Welt schafft, einiges Gefühl bei uns er¬
hält das Stück offenbar für „zeit¬
wecken. Die Geschichte der Familie Valois aber, der hoff¬
nschüsse ertönen, weil von Ausmarsch
nungslosen französischen Kronprätendenten, die wohl zu der
sagerung und Okkupation die Rede ist.
hoffnungslosen, schwachen Schwärmerei des Bürgersohnes
ersehen, daß dies Stück, wie es bei
eine aristokratische Parallele bilden soll, und die durch eine
sein kann, eine melancholisch=skeptische
Reihe gröbster erotischer Zusammenstöße mit dem Geschick des
war das Wiener Bürgertum in dem
Medardus verknüpft wird, läßt vollends kalt, weil sie in einer
arstellt, aber nur, um zu zeigen, wie
romanhaften, verstiegenen Sprache, ohne alle lyrische Stim¬
klichkeit, wie viel feigmütige Schwach¬
mungsgewalt, vorgeführt wird.
Sensationslust hinter den kriegerischen
So lag es großenteils an Schnitzler, wenn das Publikum
ckt. Einzelne Züge, die den feigen
sich ganz überwiegend langweilte. Ein wenig lag es auch an
etwa, wie er, zur Masse geballt, in
der Besetzung. Denn Theodor Loos, der doch ein großes
Parlamentär erschlägt, aber nach den
Talent schien, hat entweder nicht den rechten Regisseur ge¬
stürmisch die weiße Fahne verlangt,
funden, oder er ist ärmer, als wir dachten. Sein Medardus
uns nachdenkliche Vergleiche mit Vor¬
war schwunglos, nüancenlos, weinerlich=monoton. Die
en Zeit stellen zu lassen. Aber ein
Nervosität, die als Untergrund die Tugend dieses Künstlers
ttere Skepsis nicht die besinnende Ein¬
en, positiven Leidenschaft, sondern der I war, ist als Ersatz für jeden Oberbau bereits ein Laster. Und
Lina Lossen spielte die dämonische Prinzessin Valois zwar
mit wunderschöner Haltung und vielem schauspielerischen
Können; aber geschaffen ist sie doch (goltlob) für solche
Salomevariationen nicht. Um so prachtvoller gab Ilka
Grüning die kräftige Mutter des Schwächlings. Kayßler
repräsentierte großartig als napoleonischer General, und auch
sonst gab es unter den zahllosen Figuren des Stückes viel
mehr Gutes als Schlechtes. Karl Walser hatte ent¬
zückende Bilder aus dem alten Wien geschaffen, und die Regie
gab den Straßenszenen ein sehr echtes Leben. Aber all die
bunten Fäden konnten auf dem brüchigen Kaneva Schnitzlers
kein fesselndes und bedeutsames Bild erzeugen. Das Ver¬
hältnis dieses Dichters zum Drama wie zur Historie ist ein
durchaus problematisches. Er kann szenische Elegien oder
einaktige Aufschreie von tiefer Wirkung schaffen. Für den
breiten Aufbau eines historischen Dramas, eines theatralischen
Kriegsgedichts fehlt es ihm an Notwendigkeit und also an
Kraft. Er gerät in breite, romanhafte Geschwätzigkeit. Es
war unzeitgemäß und auch künstlerisch unnötig, den jungen
Medardus zu spielen.
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22. Derjunge -Medandus
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eigentliche Kern des Vorganges wird, muß doch in jedem
Sinne hervorragend unzeitgemäß heißen. Denn
lugler und der Krieg.
so, ausschließlich so sind ja die Dinge, gottlob, weder in Wien
Von Julius Bab.
noch anderswo, und selbst, wenn sie so wären, so wäre es
zeitgemäß, erzieherische Gegenbeispiele auf die Bühne zu
(Nachdruck verboten.)
stellen, statt die Schwäche der Menschen dem Interesse dar¬
Mitarbeiter in Berlin schreibt uns:
zubieten.
der reinste und in seiner Reinheit
Ein Theaterdirektor aber merkt all dergleichen nicht: er
merkt nur, da wird geschossen, und also ist es ein Kriegsstück.
Repräsentant eines epikuräisch
ein Skeptiker von Geblüt, ein leicht¬
Und allerdings richtet er das rienge Buch vom jungen
Medardus so zu. daß die besten, das heißt, die künstlerisch
hat mehr als einmal den Krieg in
charaktervollsten Stücke, eben die bitter ironischen Volks¬
uchten lassen. Nicht, weil er ihn als
szenen auf der Bastei, fortfallen; es fällt auch noch sonst so
haftlich heroischer Kräfte erleben und
vieles fort, daß man kaum den äußerlichen Zusammenhang
dern weil die Anhäufung von Krisen,
noch festhalten kann, ja, daß immerfort Anspielungen auf
er denen sich weiche Gemüter von
Dinge gemacht werden, die niemand auf der Bühne hat wahr¬
lick verwandeln, ihn, den großen Lieb¬
nehmen können. Das letztere ist natürlich grobes dramatur¬
ung, reizten. So hat er auch einmol
gisches Ungeschick; im ganzen aber ist es doch die Schuld des
ageschrieben, eine dramatische Historie
Dichters. Denn dieses Riesengebäude ist nicht in einem
ardus“. Ein Monstrum von einem
Theaterabend unterzubringen, ganz einfach, weil es nicht als
rzig Druckseiten umfaßt es und sechs
Drama gedacht und empfunden ist, sondern weil ein Mensch,
st aus mehreren Szenen zusammen¬
ein Dichter, der für den kriegerisch handelnden Menschen ohne
er die Länge eines normalen Theater¬
Sinn ist, mit epischer Breite die Schwäche von Kreaturen,
gar Jahren ließ das Wiener Burg¬
die der Krieg verwirrt hat, darstellen wollte, und dabei leider
len als eine Art Parade über seinen
statt zum Roman zur szenischen Form griff. Die Geschichte
ischen und Material. Jetzt im Kriegs¬
des jungen Medardus, der sich von Akt zu Akt immer ent¬
arnowsky im Berliner Lessing¬
schiedener entschließt, nichts zu tun, konnte erst ganz zuletzt,
gewaltigen Einsatz von Mitteln und
als sich der scharfe Kontrast auf eine heroisch närrische Art
Aufführung. Der etwas kurze Sinn
schließlich aus der Welt schafft, einiges Gefühl bei uns er¬
hält das Stück offenbar für „zeit¬
wecken. Die Geschichte der Familie Valois aber, der hoff¬
nschüsse ertönen, weil von Ausmarsch
nungslosen französischen Kronprätendenten, die wohl zu der
sagerung und Okkupation die Rede ist.
hoffnungslosen, schwachen Schwärmerei des Bürgersohnes
ersehen, daß dies Stück, wie es bei
eine aristokratische Parallele bilden soll, und die durch eine
sein kann, eine melancholisch=skeptische
Reihe gröbster erotischer Zusammenstöße mit dem Geschick des
war das Wiener Bürgertum in dem
Medardus verknüpft wird, läßt vollends kalt, weil sie in einer
arstellt, aber nur, um zu zeigen, wie
romanhaften, verstiegenen Sprache, ohne alle lyrische Stim¬
klichkeit, wie viel feigmütige Schwach¬
mungsgewalt, vorgeführt wird.
Sensationslust hinter den kriegerischen
So lag es großenteils an Schnitzler, wenn das Publikum
ckt. Einzelne Züge, die den feigen
sich ganz überwiegend langweilte. Ein wenig lag es auch an
etwa, wie er, zur Masse geballt, in
der Besetzung. Denn Theodor Loos, der doch ein großes
Parlamentär erschlägt, aber nach den
Talent schien, hat entweder nicht den rechten Regisseur ge¬
stürmisch die weiße Fahne verlangt,
funden, oder er ist ärmer, als wir dachten. Sein Medardus
uns nachdenkliche Vergleiche mit Vor¬
war schwunglos, nüancenlos, weinerlich=monoton. Die
en Zeit stellen zu lassen. Aber ein
Nervosität, die als Untergrund die Tugend dieses Künstlers
ttere Skepsis nicht die besinnende Ein¬
en, positiven Leidenschaft, sondern der I war, ist als Ersatz für jeden Oberbau bereits ein Laster. Und
Lina Lossen spielte die dämonische Prinzessin Valois zwar
mit wunderschöner Haltung und vielem schauspielerischen
Können; aber geschaffen ist sie doch (goltlob) für solche
Salomevariationen nicht. Um so prachtvoller gab Ilka
Grüning die kräftige Mutter des Schwächlings. Kayßler
repräsentierte großartig als napoleonischer General, und auch
sonst gab es unter den zahllosen Figuren des Stückes viel
mehr Gutes als Schlechtes. Karl Walser hatte ent¬
zückende Bilder aus dem alten Wien geschaffen, und die Regie
gab den Straßenszenen ein sehr echtes Leben. Aber all die
bunten Fäden konnten auf dem brüchigen Kaneva Schnitzlers
kein fesselndes und bedeutsames Bild erzeugen. Das Ver¬
hältnis dieses Dichters zum Drama wie zur Historie ist ein
durchaus problematisches. Er kann szenische Elegien oder
einaktige Aufschreie von tiefer Wirkung schaffen. Für den
breiten Aufbau eines historischen Dramas, eines theatralischen
Kriegsgedichts fehlt es ihm an Notwendigkeit und also an
Kraft. Er gerät in breite, romanhafte Geschwätzigkeit. Es
war unzeitgemäß und auch künstlerisch unnötig, den jungen
Medardus zu spielen.
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