22. Derjunge -Medardus
dem im 18. Jahrhundert hiefür be¬
sonders beliebten Ausdruck „Hand¬
lung“) gelten läßt, verrät uns am
deutlichsten die Spur, woher der
Wind weht.
Und richtig, das Krämervolk der
Engländer hat uns dieses dürf¬
tige Lied beschert; es ist nichts an¬
deres als die englische Königshymne
„God save the king“ die Henry
Carey“ in London (F 1745) kompo¬
niert hat und dessen Text nach
H. Harries (1790) eingerichtet ist.
Für die Engländer, die ja — von
dem einzigen Shakespere abge¬
sehen — auf allen Kunstgebieten,
auch in der Musik, so wenig schöpfe¬
risch sind, mag die Hymne auch in
der Folgezeit genügen. Aber haben
wir, deren Musik die Welt beherrscht,
es wirklich nötig, auch in Zukunft
dieses zweifelhafte Geschenk in Ehren
zu halten?
Das Verhalten Albions in unsren
Tagen legt es gewiß ohnehin nahe,
auf die Gemeinsamkeit der Herr¬
scherhymnen zu verzichten, da doch
weit wichtigere beiderseitige Kultur¬
interessen rücksichtslos zerschnitten
worden sind. Wir stehen wieder
Schulter an Schulter mit der alten,
deutschen Ostmark an der Donau und
täten schon darum viel besser, die
unvergleichliche, ehrwürdige Volks¬
hymne von Haydn von Staats wegen
zu übernehmen. War doch in ihrem
Geburtsjahr noch Deutschland und
Österreich ein zusammengehöriges
Reich.
Daß der Originaltext von L. L.
Haschka „Gott erhalte Franz den
Kaiser“ heute nicht mehr geeignet
ist, liegt auf der Hand; ist er doch
auch in Österreich seit einem halben
Jahrhundert erneuert worden. Auch
Früher hat man auch den eng¬
lischen Tonsetzer Henry Purcell für den
Komponisten gehalten, doch gilt heute
Carey wohl allgemein als der
Schuldtragende.
box 27/2
der gegenwärtige österreichische Text
ist selbstverständlich für das Deutsche
Reich nicht brauchbar. Wir haben
aber längst die schönsten Worte zur
Haydn=Melodie; dafür hat Hoff¬
mann von Fallersleben (1841) ge¬
sorgt, als er uns „Deutschland,
Deutschland über alles“ schenkte, ein
Lied, das man nicht erst volkstümlich
zu machen braucht, da es neben der
„Wacht am Rhein“ jedem geläufig
ist und gerade in den jetzigen Zeiten
schon überall als richtiges Volkslied
mit Begeisterung gesungen wird.
Eine gemeinsame Volkshymne
mit Österreich — wenn auch mit ver¬
schiedenen Texten — könnte dem
Politiker ebenso erwünscht sein, wie
dem Kunstfreunde. Zu der alten „God
save the king“=Melodie könnte man
dann wieder — mit einem besonde¬
ren Seitenblick auf die weitherzige
den „geist¬
Moral Englands
reichen“ Text singen, der schon oft
im Scherze für diesen Zweck verwen¬
det worden ist, nämlich — Gummi
elasticum.
G. E. Pazaurek=Stuttgart
Abseits vom Kriege
ege, auf denen noch die Näder
Wvon Mörsern und Munitions¬
wagen knirschen, soll der Thespis¬
karren meiden: all die zeitgefälligen
Kriegsstücke, die es in den letzten
Monaten auf unsern ungeduldigen
Bühnen zu sehen gab, haben uns
nur immer wieder gezeigt, zu welch
erbärmlichem Rumpelkasten er da¬
mit wird. Die ihn führen, sehen
das nachgerade selbst ein und suchen
abseits laufende Nebenwege; die
einen möglichst fern vom Kriegs¬
getümmel, ja von jedem Kriegs¬
gedanken, die andern in jenem mitt¬
leren Vorsichtsabstande, der wohl
die Gefahr, nicht aber den Gewinn
aus den großen Ereignissen ver¬
schmäht. Haubitzenfeuer ist ein un¬
angenehmer Nachbar, aber ein bi߬
chen Widerhall kann nicht schaden.
1°9
U
dem im 18. Jahrhundert hiefür be¬
sonders beliebten Ausdruck „Hand¬
lung“) gelten läßt, verrät uns am
deutlichsten die Spur, woher der
Wind weht.
Und richtig, das Krämervolk der
Engländer hat uns dieses dürf¬
tige Lied beschert; es ist nichts an¬
deres als die englische Königshymne
„God save the king“ die Henry
Carey“ in London (F 1745) kompo¬
niert hat und dessen Text nach
H. Harries (1790) eingerichtet ist.
Für die Engländer, die ja — von
dem einzigen Shakespere abge¬
sehen — auf allen Kunstgebieten,
auch in der Musik, so wenig schöpfe¬
risch sind, mag die Hymne auch in
der Folgezeit genügen. Aber haben
wir, deren Musik die Welt beherrscht,
es wirklich nötig, auch in Zukunft
dieses zweifelhafte Geschenk in Ehren
zu halten?
Das Verhalten Albions in unsren
Tagen legt es gewiß ohnehin nahe,
auf die Gemeinsamkeit der Herr¬
scherhymnen zu verzichten, da doch
weit wichtigere beiderseitige Kultur¬
interessen rücksichtslos zerschnitten
worden sind. Wir stehen wieder
Schulter an Schulter mit der alten,
deutschen Ostmark an der Donau und
täten schon darum viel besser, die
unvergleichliche, ehrwürdige Volks¬
hymne von Haydn von Staats wegen
zu übernehmen. War doch in ihrem
Geburtsjahr noch Deutschland und
Österreich ein zusammengehöriges
Reich.
Daß der Originaltext von L. L.
Haschka „Gott erhalte Franz den
Kaiser“ heute nicht mehr geeignet
ist, liegt auf der Hand; ist er doch
auch in Österreich seit einem halben
Jahrhundert erneuert worden. Auch
Früher hat man auch den eng¬
lischen Tonsetzer Henry Purcell für den
Komponisten gehalten, doch gilt heute
Carey wohl allgemein als der
Schuldtragende.
box 27/2
der gegenwärtige österreichische Text
ist selbstverständlich für das Deutsche
Reich nicht brauchbar. Wir haben
aber längst die schönsten Worte zur
Haydn=Melodie; dafür hat Hoff¬
mann von Fallersleben (1841) ge¬
sorgt, als er uns „Deutschland,
Deutschland über alles“ schenkte, ein
Lied, das man nicht erst volkstümlich
zu machen braucht, da es neben der
„Wacht am Rhein“ jedem geläufig
ist und gerade in den jetzigen Zeiten
schon überall als richtiges Volkslied
mit Begeisterung gesungen wird.
Eine gemeinsame Volkshymne
mit Österreich — wenn auch mit ver¬
schiedenen Texten — könnte dem
Politiker ebenso erwünscht sein, wie
dem Kunstfreunde. Zu der alten „God
save the king“=Melodie könnte man
dann wieder — mit einem besonde¬
ren Seitenblick auf die weitherzige
den „geist¬
Moral Englands
reichen“ Text singen, der schon oft
im Scherze für diesen Zweck verwen¬
det worden ist, nämlich — Gummi
elasticum.
G. E. Pazaurek=Stuttgart
Abseits vom Kriege
ege, auf denen noch die Näder
Wvon Mörsern und Munitions¬
wagen knirschen, soll der Thespis¬
karren meiden: all die zeitgefälligen
Kriegsstücke, die es in den letzten
Monaten auf unsern ungeduldigen
Bühnen zu sehen gab, haben uns
nur immer wieder gezeigt, zu welch
erbärmlichem Rumpelkasten er da¬
mit wird. Die ihn führen, sehen
das nachgerade selbst ein und suchen
abseits laufende Nebenwege; die
einen möglichst fern vom Kriegs¬
getümmel, ja von jedem Kriegs¬
gedanken, die andern in jenem mitt¬
leren Vorsichtsabstande, der wohl
die Gefahr, nicht aber den Gewinn
aus den großen Ereignissen ver¬
schmäht. Haubitzenfeuer ist ein un¬
angenehmer Nachbar, aber ein bi߬
chen Widerhall kann nicht schaden.
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