II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 585

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22. Der junge u.dardus
Berliner Theaterbrief.
eine Schande, was sich dieser furchtbare, aber auch herrlich= Stoff geholt hat, höchst gefähr
D. Berlin Abfang Mörember. — Von allen „aktuellen“ gewaltige Krieg vom Theater alles aufbürden lassen muß an solchen Stücken wie der Semel#
Kriegsstücken,
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der schnellfertige Witz auf die Berliner Albernheiten, Geschmack= und Taktlosigkeiten! Da werden alte Göttervaters dahinschmelzen mu
Bühne geworst#####t keinem auch nur annähernd die Gegen¬
Theatergäule, die längst das Gnadenbrot der Vergessenheit
unverhüllten Macht und Herrlich
wartswirkung beschieden dewesen wie ein gewisser Friedrich
verdient hätten, aus dem Stall gezerrt, mit neuen Schellen
feiern der Befreiungskriege, wie
Schiller sie mit dem „Wallenstein“ gerade jetzt wieder im
und Schabracken aufgezäumt und mit Musik „mobil“ gemacht,
auffaßten, mag Schnitzlers Stüll
„Deutschen Theater“ erzielt hat. Es steht vielleicht kein Wort
daß sie tänzeln und hüpfen als liefen sie in der Manege des aber wie sich schon vor einem
in der ganzen Trilogie, das sich auf die politische und kriegerische
Zirkus; da werden junge Füllen, die kaum auf ihren Beinen
Ahnung des Kommenden aufg
Situation des Augenblicks deuten ließe, und doch spricht und
stehen können, vor den Thespiskarren gesperrt und mit Hüh
fühl gegen Hauptmanns Bresla
knistert jeder Vers von einer Energie männlicher Tapferkeit,
und Hott in den Trab der Kriegsaktualitäten gepeitscht — ein
recht jetzt das Bewußtsein der ###
daß man sich bis in die letzte Fiber und Faser elektrisiert
Anblick zum Herzerweichen! An den alten, wiederaufgewärmten
matische Bilderfolge, die nirge
fühlt. Wo ist der zeitgenössische Dramatiker, jung oder alt,
Schmarren verdirbt einem der Sauerteig der Sentimentalität
Kriegsstimmung hineindringt, g##
der sich mit diesem seit hundert Jahren in der Weimarer
den Geschmack, so wenn das Kleine Theater Georg Engels
punkt rührt. Was begibt sich
Fürstengruft gebetteten in den Wettstreit wagen dürfte?
„Hexenkessel“ eine romanhafte, soldatisch gewürzte Ver- verwöhnte Wiener Buchhändlers
Schon Ruhmes genug, wenn einer in seine Nachbarschaft
führungsgeschichte aus dem Jahre 1806, aus bald zwanzig¬
nebst Vorspiel getauft sind, zieht
treten darf, ohne versengt zu werden. Wilhelm Schmidt¬
jähriger Vergessenheit befreit und wieder auf den Herd der
Altersgenossen die Uniform an
bonn, der Rheinländer, ein Poet bodenständiger Heimats¬
Gegenwart stellt, oder wenn das Künstlertheater Hugo Mül¬
schwört dem sein Vaterland be
liebe und verzückter Gefühlsinbrunst, kommt gewiß aus einem
lers Volksstück Gewonnene Herzen“ neubearbeiten und
Verderben — damit aber ist
andern Neste als der adlergleich in die Höhe und Weite
mit Musik „bestücken“ läßt. Die neuen Kriegspossen aber,
auch schon erschöpft. Was sonst
strebende Willens= und Gedankendichter aus Schwaben. Aber
wie sie im Theater am Nollendorsplatz, im Residenz= und
sehr viel Abenteuerliches, Roma##
was man sonst keinem der übervielen Aktualitätenjäger von
Thaliatheater ihr schamloses Wesen treiben — ihre Titel und
gehört zu dem, was Schnitzler un
heute raten möchte, der Dichter der „Mutter Landstraße“
Verfassernamen decke das Schweigen! — sind mit ihrem Rühr¬
Schule in vermeintlich höherem 8#
des „Grafen von Gleichen“ und des „Zorns des Achilles“
brei von Operettenklimbim und todernsten Motiven aus den
nennt: ein immer mit dem Tod
darf seinen szenischen Prolog „1914“ zu Wallensteins
Erlebnissen dieser ersten Kriegsmonate vollends von einer
kokettierendes Spiel, das aber d#
Lager“ gesellen, und wenn auch kein vollendeter Akkord daraus
unerträglichen Ranzigkeit. 1870 — das sagt man uns zum
als das liebe Ich, als egoist
wird, so doch ein Zweiklang, der zu ertragen ist, weil ein
Trost — war es nicht viel besser um den Spielplan der deut¬
Wenn man ihn im ersten Akt so
Dichter neben dem Dichter steht. Die szenische Erfindung
schen Bühnen bestellt, wenn auch die deklamatorischen Alle-schmucken Uniform, den jungen
freilich, die Schmidtbonn aufgebracht hat, ist bescheiden und
gorien, die damals den Geschmack der Gebildeten für sich ist man wohl einen Augenblick
nicht einmal ihrem eigenen Stil getreu. Unsre Augen ver¬
hatten, das Pflaster der Harmlosigkeit auf die Wunden legten.
zu denken; aber bald schämt m
tragen ungern die Bluse des Fabrikarbeiters und den Geh¬
Das eine ist richtig, heute wie damals: nir brauchen nicht zu
entschlossenem Tatenmut lebt g
rock des Fabrikherrn, wo eben noch der Krieg in der ent¬
fürchten, daß diese theatralischen Geschäftsmachenschaften das
und Zauderer; was ihn in
setzenerregenden Gestalt eines zeitlos wüsten, weit übers
Geringste mit dem deutschen Volksgeist zu schaffen hätten. Der
nicht mehr als eine romantisch
Irdische hinausgehobenen Dämons Bauer und Bauersfrau
wird draußen in den Schützengräben erprobt, nicht im Parkett
sucht, die von dem Dichter m
aus dem Frieden ihrer Arbeit aufgeschreckt hat, und unsre
unserer Berliner Amüsierbühnen. Aber schon um der Rein¬
treu und überzeugend mit verweg
Ohren sträuben sich gegen die freien Rhythmen, in die der
heit der Atmosphäre willen wäre es gut, wenn die Quellen
wicklungen genährt wiro. Das
Vaterlandsschwur der vier jäh und plötzlich übergeht, als sie
solcher Giftdünste verstopft werden könnten. Man hat nach
sich aus einem Vaterlundsverteid
sich aus der Gebundenheit ihres natürlichen Daseins zu dem
dem Zensor, sogar nach dem Oberbefehlshaber der Marken
Schwester verwandelt, die geme
Haßgesang gegen England versteigen, dessen Grundgefühl tief
gerufen, sie möchten uns von diesen Unsauberkeiten befreien.
stimmten Liebhaber in die Don##
aus dem Herzen des Volkes kommt dessen Worte aber im
Ich glaube, auch hier kann nur das Publikum sich selber
Liebhaber hat es eine eigene B#
Munde dieser Menschen nach künstlichen Pathos klingen.
helfen. Je ernster dieser Krieg wird, desto mehr wird es
ein Valois, und er hat eine
Schmidtbonn hat anderswo bewiesen, daß ihm einzeln für
dahinter kommen, daß man sich vor solchen Hurra=Hoch=Stücken
von dem königlichen Shicksal u
sich auch der Stil erhöhter Symbolik nicht fremd ist, wenn
nur weiter und weiter von seinem Sinn und seiner Größe
Geschlechts. Das hinder sie frei
auch lange nicht so vertraut wie die Schollenkraft erdwüchsiger
entfernt.
gensätze, so liegen bei Schnitzler a
Wirklichkeit — beides vereint in eine künstlerische Einheit
Eis und Feuer eng beieinander —
Als das Lessinatheater sich jetzt, fünf Jahre nach der Ent¬
zu zwingen, ist ihm noch nicht gegeben. Trotzdem ist sein
dem Beleidiger ihres Stolzes, nach
stehung des Stückes, zu der Aufführung des „Jungen
Gelegenheitsstück ein reines dichterisches Werkchen, das, ohne
bürtigen Verlobten im Duell ihn
Medardus“ von Arthur=Schnitzler entschloß, hegte es
zu erröten, in die Nähe Schillers und vor den Altar dieser
wohl die Hoffnung, der Wertkrieg erdm Wien des
hafter Anwandlung hinzugeben.
Zeit treten darf.
Jahres 1809 spielenden Drama unter die Arme greifen und
deren Ansichten bei dem Liebesspic
Unter den andern dramatischen, teils ernsten, teils
ihm die Wirkung ganz verschaffen, die das Gedenkjahr ihm
die Seine geworden, will er hing
schon recht ungeniert lustigen Zeitstücken, die noch immer
nur halb gegönnt hatte. Aber darin täuschte es sich. Ein
aller Welt ausschreien. Aber auch
in wachsender Zahl wie ein Fieber über unsere Bühnen
Krieg von der Größe des gegenwärtigen stellt Maßstäbe des
weil er selbst zu sehr zum Skla
schleichen, findet dieses „1914“ jedenfalls keinen auch nur
Gefühls und der Gesinnung auf, die allem, was sich vorher,
wird, teils weil er sich von ihr
einigermaßen würdigen Kameraden. Es ist ein Jammer und ohne Kenntnis dieses Erlebnisses, aus der Kriegsphäre seinen wird ruchbar, daß die stolze Hél#
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