II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 589

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Wenn es Frieden wäre, so wäre von großen Dingen zu be-#%
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richten, denn was bedeutete uns nicht sonst eine Neueinstudierung
von Max Reinhardt, die Aufführung eines neuen Stückes von
Schnitzler, ja sogar die neue Posse im Berliner Theater. Jetzt geht “)
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das alles vorüber, und mit dem Gedanken an die Aisne und an
Nieuport und an Kiautschon steht man auf und geht man schlafen,

und im Theater sucht man unwillkürlich, obwohl man doch ein
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kurzes Weilchen die Gegenwart vergessen möchte, nach Beziehungen
zu ihr. Deshalb vielleicht ergriff das Lessing=Theater die Ge¬
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legenheit, Schnitzlers bisher nur in der Wiener Hofburg gespielte
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dramatische Historie aus dem französisch=österreichischen Kriege von
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1809 „Der junge Medardus“ aufzuführen, die durch den
Lotharschen Theaterkrach Berlin bisher vorenthalten wurde. Die
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Dichtung, die den Umfang eines Romans hat (schon 1910 bei S.
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Fischer, Berlin, erschienen) und besser undramatische als dra¬
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matische Historie genannt würde, gewinnt durch die notwendigen
starken Striche auf der Bühne nicht gerade an Verständlichkeit und
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Wirkung und geht darum ziemlich kühl vorüber. Schnitzler schildert
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in einer ganzen Reihe von einzelnen Bildern das Wien von 1809,
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das sich zu einem heiligen deutschen Kriege gegen Napoleon rüstete,
leider erfolglos, und aus der Menge der Personen, aus dem bunten
Gewebe des geschichtlichen Bildes hebt er das romanhafte, Lächer¬
lichkeit, Tragik und Erhebung enthaltende Schicksal eines jungen
Wieners, des Medardus Klähr (Theodor Loos) hervor. Mög¬
lich, daß uns noch vor einem halben Jahre das Leben und Sterben
dieses „letzten und seltsamsten Helden“ des damaligen Wien tiefer
ergriffen hätte, heute fühlen wir uns von der Sentimentalität,
die von Anfang bis zu Ende das Werk durchweht, unangenehm
berührt. Das ist noch der alte entnervende Hauch des Capua der
Geister (frei mit Grillparzer zu sprechen), den, in Wien wie hier,
der frische Luftzug unserer Tage hoffentlich für lange beseitigt
hat. Zeit und Stunde sind nicht danach angetan, bei dem Inhalt
und Wert des Werkes länger zu verweilen; es ist schnell vom
Spielplan des Lessing=Theaters verschwunden.
Wie anders kommt uns Schiller entgegen, an dessen „Wallen¬
stein“ sich endlich Reinhardt herangemacht hat. Die „Picco¬
lomini“ mit denen das schon vorher gegebene „Lager“ zu einem
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Abend vereinigt worden ist, sind zu dem ersten großen Theatererfolg
in
dieses Kriegswinters geworden, und es ist zu hoffen, daß der
königliche Beherrscher des Deutschen Theaters, nämlich Shake¬
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speare, obgleich er uns mehr als der übrigen Welt, England nicht
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ausgenommen, angehört, eine Zeitlang sein Machtgebiet im Deut¬
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schen Theater mit Schiller teilen wird, wenn erst der zweite Abend
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„Wallensteins Tod“ so in Reinhardts Inszenierung erscheinen wird,
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wie das „Lager“ und „Die Piccolomini“. über Albert Basser¬
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mann als Wallenstein wird man dann erst sprechen können;
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ganz leicht macht es einem ja dieser moderne Schauspieler, dem
ein „Held“ in der Art des Medardus mehr läge, in klassischen
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Rollen ja nicht. Bewunderer wie Kritiker der Reinhardtschen
Regiekunst müssen sich aber angesichts der „Piccolomini“=Inszenie¬
istrung darüber einig sein, daß von Anfang bis zu Ende kein
Quentchen der kraftvollen Schillerschen Diktion vernachlässigt
wurde, daß die Bankettszene des vierten Aktes, trotz des in Rollen
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starker Männer immer zu schwachen, puppenhaften Herrn Diegel¬
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mann als Illo, ein wundervolles Bild war, und daß schließlich der
fünfte Akt des Vaters und des Sohnes Piccolomini (Herr v. Winter¬
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stein und Paul Hartmann), der nicht immer die Höhe des Abends
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ist, eine Meisterleistung durchgeistigter Inszenierung war. Dächte
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Reinhardt doch auch nur daran, jetzt wo die Zeitumstände so günstig
on 1 sind, Hebbels „Nibelungen auf seiner Bühne die Ehre, die ihnen
ib s als deutscher Nationaldichtung gebührt, zu Teil werden zu lassen!
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