II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 602

22 Derjunge Medandus
Adolf Schustermann: Zeitungsausschnitte
Größtes deutsches Zeitungo=Ausschnitt=Büro
Berlin SD 16, Rungestraße 22/24
Münchner Neueste Nachrichten
Ausschnitt aus der Rummer vom:
1
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2 S MAIUR
70 Wiener Theater
Zur Feier von Arthur Schnitzlers 60. Ge¬
burtstage hat das Burgkheater den Jungen
Medardus neu einstudiert. Hier wird der
Grundkonflikt aller Schnitzlerischen Stücke: der
Widerstreit zwischen Trieb und Gemütsaffekt,
zwischen Sexualität und Vaterlandsgefühl im
Kostüm der Historie dargestellt: Wiens Fran¬
zosenzeit von Anno 1809. Der Reiz des Schau¬
spiels besteht darin, daß die gesellschaftlichen,
staatlichen Wertungen: Vaterlandsliebe, große
Leidenschaft, Heldentum durch den Trieb hinab¬
gesetzt werden, indessen der Trieb heroisch an¬
steigt, denn alle Wesen erscheinen gewaltig in
ihrem Trieb. Der Mensch allein schmäht ihn,
selbst wenn er ihn überwindet, und sich, wenn er
ihm unterliegt. Das ergibt einen philosophischen
Unterton von Komik, den der Dichter aber nur
von weitem andeutet, während seine Haupt¬
figuren in ihrem Pathos schwelgen, auch wenn sie
seiner nicht wert sind und ihre Lüge erkannt
haben. Das ist ein Konflikt, dessen nur eine ganz
und gar unheroische Zeit und Gesellschaft, nur
Gesellschaftswesen, keine eigentlichen Helden fähig
sind. Also bleibt Wien dafür ein richtiges Milieu
und Symbol. Diese heimatliche Wesenhaftigkeit
erkannt und ohne Ironie, vielmehr mit theatra¬
lischer Entschlossenheit dargestellt, macht gerade
den „jungen Medardus“ zu einem bezeichnenden
Wiener Stücke. Die Ungeschichtlichkeit Wiens er¬
hält hier ein historisches Denkmal.
Das Publikum folgte den wie im Fieber vor¬
übereilenden Vorgängen mit einem begeisterten
Beifalle, der vergeblich nach dem Verfasser rief.
St.
box 27/3
„Staatssiunzen sein. Go toill das: Volkf für den Anteihe
1914 den rei
Schnitzler-Jubiläum.
„Historie“ so e
Antimilitarismu
Burgtheater.
Desillusion des
„Der junge Medardus“
um das Elend
Zu Artur Schnitzlers Ehrung hat das
vor den verantt
Burgtheater des Dichters größtes und selt¬
lichen! Und Mit
samstes Werk, das viele Jahre hindurch
dem namenlos
vom Repertoire verschwunden gewesen,
Volk erliegt! D
gestern abends aufgeführt. Das Burg¬
schreckend proph
theater hat sich mit dieser Tat selbst geehrt.
dramatischer H
Siebenundsiebzig Figuren, die Statisten
geschrieben für
nicht eingerechnet, stellt es auf die Bühne.
heute im Spie
Siebensiebzig Menschen zwang es zur ge¬
wirklich zu erken
meinsamen Disziplin. Das bringt heutigen
her“ aber, als
Tages nur ein Filmunternehmen zustande.
romantischen Ak
Ein Theater aber, daß solches leistet, es
Schicksalsprotzer
besitzt mehr als nur die materiellen unge¬
dies ist Wahrh
meinen Möglichkeiten zu monumentaler
„der großen
Arbeit. Es besitzt noch ein Partikelchen
noch. Selbstve
jenes unschätzbar gewordenen Radiums der
Schicksal der R.
seelischen Gefilde: Idealität.
und der Habs
Euf
Herrn Paulsen, dem Regisseur,
s und
Million
der ein Künstler zartester geistiger Präg¬
en einze
samkeit ist; ein Erhöher der ihm anver¬
henba
trauten schauspielerischen Energien, ein
chaotisch
und
Nachfühlender sensibelster Art, der Rhyth¬
eben b
Wirklichkeit, die
mus und Atmosphäre errät, gebührt vor
allem Dank. Den vielfach verschlungenen
Menschen verge
aufs neue entde
Fäden einer Welt und einer Herzens¬

historie unverwischt, unvermengt ihre ein¬
zigartige Kontur gewahrt zu haben, eine
So wurde
edle Geistigkeit klar und in ganzer Wahr¬
gestern zu einem
heit ausatmen zu lassen, diese Kunst des
Jubiläum galt.
Regisseurs Paulsen vermochte es, dem
eines Dramatike
„Jungen Medardus“ eine beinahe restlose
eingeholt hat.
Erfüllung zu geben.
Hintergrund, d
Ist dieses Werk wirklich 1910 — und Politik und Ein
nicht 1919 datierts Können Menschen von dcholische grotesl
S