II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 625

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WIEN, I., WOLLZEILE 11
TELEPHON R-23-0-43
Ausschnitt aus:
Volkszetreng
vom:
1.VA
mmmu#mmmmmm ser mutete damit dem Burgtheater die um¬
Hugo Thimig teilte die Sorge des Polizeipräsiden
fangreichste, die kostspieligste Arbeit zu, die es Direktors und ließ deshalb die Szene möglichst kamen währen
zibienet Thbalerwoulaf seit seinem Bestand zu erfüllen hatte. Mank rasch spielen, damit es so schnell als tünlich Jahr im alten
##################t denke nur: Nach der ersten Lektüre stellte zur Erklärung kommt: Medardus verrate die Matschakerhof
Zurhevorstehenden Wiederaufführung von Artur
Berger fest, eine vollkommene Aufführung des
Schnitzlers pramatischee Historie:
Prinzessin als Rächer seiner Schwester.
„Der lunge
erzählen, was
Stückes würde sieben Stunden erfordern! Acht¬
Medurdus.“ — Aus den Tagen der jungen Burg¬
Und —
das Wagnis gelang. Das
„Das ist
theaterdirektion Alfred Baron Bergers. — Der
undsiebzig Schauspieler, Damen und Herren,
Publikum schwankte nur einige Augenblicke.
Direktor als Hausfrau. — Ein aumutiges Ungetüm.
vous!“ rief ich
müßten für die vielen Rollen aufgeboten
Nach dem Aktschluß aber gab es Beifalls¬
Kommenden Freitag bringt das Burg¬
drei Gesellen
stürme.
werden (die Statisterie nicht mitgezählt!) und
Wirtshaus!“
theater unter der szenischen Leitung Franz
etwa zwölf verschiedene Schauplätze müßten
Herterichs eine Neuaufführung von Artur
„Das ha
errichtet werden. Das bedeutete also noch nie
Etwas andres, was Baron Berger ein
benhistorisch wienerischer
gesagt!“ meinte
dagewesene Tageskosten (die vielen Spiel¬
bißchen ängstigte: es wird in Schnitzlers
Dichtung „Derjunge Medardus“. Man
fügte hinzu:
honorare eines solchen Abends, da ja bloß
Drama gar so viel gestorben. Hochzeiten hat
weiß ja, es ist eine Liebesgeschichte, eingebettet
liberale Lumpa
Baumeister aus der Reihe der Herren und
das Publikum viel lieber als Leichen¬
in das kriegerische Bild der zweiten von Napo¬
schreiben?“
vier kleine Fräulein aus der der Damen un¬
begängnisse. Berger hatte aus Hamburg das
leon über Wien verhängten Belagerung. Also beschäftigt blieben), weiter ein Maximum an
So habe i
Witzwort eines dortigen Kritikers nach Wien
lustige, aber
1809 spielend. Die schöne Buchhändlerstochter Kostüm= und Dekorationskosten und — Licht¬
mitgebracht: „Bei Schnitzler wohnt neben der
Agathe liebt einen jungen französischen
Schwer bedrück
rechnungen!
Liebelei gleich die Sterbelei.“ Wie entzückend
Adeligen, einen Prinzen sogar, dessen Vater
Sekretärin,
wußte Baron Berger derlei Bonmots zu er¬
Artur Schnitzler hatte das Stück schon
(ein vom Dichter erfundener Bourbone) als
tantin und Fra
zählen! Wie genußreich und belehrend über¬
ein Jahr vorher eingereicht, als noch Doktor
Herzog von Valois aus Frankreich verbannt,
ehrten Gattin
haupt eine Stunde Gespräches mit diesem
Paul Schlenther als Direktor waltete der sich
in einem Wiener Schlößchen Zuflucht ge¬
Theater= und L
grundgelehrten Mann, diesem berühmten
aber nicht zur Annahme entschließen konnte.
funden hat.
Elise“. Als es
Vielwisser der zugleich ein Künstler des
Der neue Direktor hatte es schon leichter.
Der Prinz will Agathen heiraten, die er
mußte „die Elis
leichten Wortes war, des flüchtig hinaus¬
Dramaturg Dr. Rosenbaum hatte das Werk in
verführt hat, doch seine hochmütige Schwester,
fahren, um mi
gesandten, das aber eher verdiente, für immer
gelungener Arbeit um anderthalb Stunden
Prinzessin Helene, verhindert höhnend das
und könne heu
festgehalten zu werden als manches Philo¬
gekürzt. Aber auch fünfeinhalb Stunden be¬
bürgerliche Glück des Bruders. Sie muß dafür
oft kam sie zu
sophen eines feierlichen. Wissenschaftsprotzen.
deuteten eine unerträgliche Dauer. Artur
schwer büßen. Denn Agathens Bruder, der
spielen heute ni
Das größte Wunder aber war Bergers
Schnitzler sah dies ein und strich mit
junge Medardus, weiß sie selbst zu verführen.
Wenn Zeit
Gedächtnis. Anläßlich einer „Don Carlos“=
bewunderungswürdiger
Er umarmt sie nur aus Rache, um sie bloßzu¬
Schonungslosigkeit
einem Besuch e
Aufführung wollte ich einiges aus einem
gegen sich selbst noch eine halbe Stunde
stellen. Mit ihrer Schande soll sie den Tod
Stunde hatten
Essay zitieren, den Berger vor einem Jahr¬
heraus. Baron Berger setzte sich nun mit
Agathens büßen, die mit ihrem François in
zehnt in einer Wiener Literaturzeitung ver= gedampft. Als
seinem damaligen Regisseur Hugo Thimig
die Donau gegangen ist. Doch es kommt
Last der Wirt
öffentlicht hatte. Ich rief ihn an, mir das
zusammen, um auch die Ausstattungskosten
anders: In Helenen und Medardus steigt eine
Berger ganz un
Datum mitzuteilen, damit ich nachschlagen
feurige Liebe auf, die den Haß besiegt.
herabzudrücken, so ungefähr auf die Hälfte
Frau verstand
könne. Er aber antwortete mir: „Nicht
Die Prinzessin ist herrlich, das Gerücht des Voranschlages. Auch dies gelang. Worauf
Direktor des 9
nötig! Welche Stelle wollen Sie wissen?“
geht um, sie sei in Schönbrunn die Geliebte
die Generalintendanz keine Einwendungen
theater in die
Ich nannte sie und Berger zitierte mir
Napoleons geworden. Medardus begegnet ihr
mehr gegen die Aufführung hatte. So kam
mit der Köchin
sofort (wie er hervorhob: wortwörtlich) aus
auf der berühmten Freitreppe im Vorhof von
c zur Uraufführung am 24. November 1910.
war er keinr#
dem Gedächtnis jene mindestens zehn Zeilen
Schönbrunn und erdolcht sie, von jenem Ge¬
schönen Direkto
umfassende Stelle — und so rasch, daß ich mit
rücht verblendet, ob ihrer Untreue! Aber sie
Ich habe Berger später nie mehr so auf¬
allmonatlich
meiner Stenographie kaum nachkam!
war unschuldig. Sie war in derselben Absicht
Defizit seiner
geregt gesehen als an jenem Abend. Er hatte
Und dieses Feuilleton hatte er nicht vor
gekommen, wie ihr Mörder: Napoleon zu
decken.
mir vor Wochen gesagt, er fürchte eigentlich
zehn, sondern vor zwölf Jahren verfaßt! „Was
töten. Medardus stirbt nach dem Muster des
Einst lud
nur eine einzige Szene: am Schluß des
ich einmal niedergeschrieben habe,“ sagte mir
aus der Geschichte bekannten Schwärmers
Hietzing zu fah
zweiten Aktes. Es ist frühmorgens. Der junge Berger damals, „vergesse
ich nicht! Oder
Friedrich Staps, der auch die Welt von Napo¬
liches Malheur.
Medardus hat sich gerade aus dem Zimmer der richtiger — kann ich nicht vergessen, wenn ich
leon befreien wollte, aber sich lieber erschießen
gesagt, der Bode
Prinzessin durch den Schloßgarten ins Freie auch wollte!“
ließ, als daß er geschworen hätte, keinen neuen
von Reis, Grie
geflüchtet und trifft seinen Freund Etzelt
Im übrigen schrieb er auch als Burg¬
Mordversuch auf den Korsen zu machen.
deckt. Und so t
Auf dessen Frage, woher er komme, antwortet
theaterdirektor fast so gern für Zeitungen
Um diese Liebesgeschichte herum entrollen
Körbchen von
Medardus laut: „Woher ich komme? Ein
Feuilletons wie er auf der Bühne inszenierte.
sich in einer großen Zahl von Bildern die kleines Abenteuer, aus den Armen der (stark
lichten Halbschu
Er geriet seinem Vater nach, der 1848 als
kriegerischen Ereignisse, deren Greuel damals diebetont) Prinzessin.“
bekam! Ich ersch
Journalist begonnen, dann Advokat und
innere Stadt Wien erfüllten.
der Tomaten —
Ein Mann, der auf solche Art die Ehre

schließlich Minister geworden
aber im
Denn seine Fra
einer Frau preisgibt, ist doch der verächtlichste Herzen immer Journalist geblieben war.
Im Jahre 1910, als Direktor Dr. Frei¬
dieses Gemüse
Schurke! Gewiß, gleich darauf begründet Dr. Johann Nepomuk Berger war auch einer
herr v. Berger das Stück aus der Handschrift Medardus diese seine Gemeinheit.
Tag einen mit
der Gründer der „Concordia“.
auf die Bühne brachte, gab Else Wohlgemuth
Paradeisern und
„Meine Schwester war der Prinzessin zu
Als ich vor etlichen zwanzig Jahren die
die Prinzessin Helene, Gerasch den Titel=schlecht und darum ging sie in den Tod!“
fünfzigjährige Geschichte dieser Körperschaft
helden, die Medelsky die Agathe, die
sagt er. Ein Racheakt also, auf daß Agathe
schrieb, widmete ich selbstverständlich diesem
Schon dau
heldische
Mutter
der beiden
Ge¬
Ruhe finde.
unsern verdienstvollen Gründer ein ausführ¬
Hohenfels gar se
schwister wurde von Hedwig Bleibtreu dar¬
Alfted Berger aber fragte sich besorgt:
liches Kapitel und wendete mich wegen hat sie, glaube
gestellt. Nunmehr ist Ebba Johannson die
Wird das Publikum diese Begründung ab¬
authentischen Materials auch an seinen Sohn. Wie glücklich w
Prinzessin. Alfred Lohner der Medardus
warten? Wird es nicht den Helden schon früher
Da verbrachten wir nun einen köstlichen wirklich großen
die junge Kallina die Agathe und die Medelsky
auszischen, der solcher Niedrigkeit fähig ist?
Abend, denn Baron Berger erzählte mir auch
Dramas.
ist an die Stelle der Bleibtreu gerückt.
Wird Medardus mit dieser einen Szene nicht allerhand Lustiges, was ich damals nicht ver¬
„Schlenther,
Angst und Zweifel erfüllten den da= unmöglich werden —
als verächtlicher Held,
werten konnte. So zum Beispiel von der
Stück witzig ein
maligen Direktor Baron Berger, als er sich der die weitere Teilnahme des Publikums Freundschaft seines Vaters mit dem späteren
nannt. Wir aber
entschloß, Schnitzlers Dichtung zu geben, denn nicht verdient?
Minister Dr. Giskra und dem späteren!