II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 652

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22 Derundus
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Rundschau.
117
Rapp, im Namen seines Kaisers des Krieges selt¬
Jungfrau von Orleans“ Plötzlich muß ihm der
samsten Helden nennt.
Entschluß gekommen sein, den „Tyrannen“ zu
Unsicher, unklar, schwankend, so meinen Haupt¬
morden, er fährt nach Wien, seine Tat mißglückt.
mann und Schnitzler, ist unser Leben, nicht von
Er verlangt, vor Napoleon geführt zu werden und
uns gelenkt unser Wille.
nun folgt die Unterredung zwischen dem Kaiser
„Der junge Medardus“ ist nach des Dichters
und dem 17 Jahre alten Menschen, die von dem
ausdrücklicher Bezeichnung eine dramatische
dolmetschenden General Rapp und von Napoleon
Historie in ## m Vorspiel und fünf Aufzügen?).
selbst — etwas abweichend — überliefert wurde.
Die dramatische Historie, wie sie Shakespeare in
Soweit die Nachrichten Schlüsse zulassen, war
den Königsdramen geschaffen, wie sie in gleicher
Friedrich Staps von dem Gedanken ganz ausge¬
Ungebundenheit der unglückliche Grabbe allein unter
füllt, die Welt von dem Ungeheuren zu befreien,
den deutschen Dichtern versuchte, hat noch viel
er war vom Patriotismus und von ehrgeizigem
vom Epischen an sich und verzichtet andrerseits
Sehnen nach Heldentum dazu getrieben. Das
darauf, sich den Forderungen der Bühne anzu¬
schwärmerischeste Lebensalter machte ihn der
passen; daß Shakespeares Bühne dem Dichter
Idee untertan.
tausendmal größere Freiheiten ließ als dem allzu¬
Schnitzler hat den protestantischen Jüngling in
folgsamen Schüler Grabbe die deutsche, ist bekannt.
den katholischen Wiener Boden verpflanzt, läßt
Große Zeiträume werden in der Historie bewältigt,
ihn den Sohn eines durch Napoleon siech gewor¬
bilderbogenartig zieht eine fast erdrückende Masse
denen und gestorbenen Buchhändlers sein, der
von Menschen und Ereignissen dialogisch eingekleidet,
studiert, viel, aber alles durcheinander, und der
vorüber. In diesem Sinne ist der junge Medardus
nun wie die Kameraden von der Universität in die
keine Historie. Schnitzler wollte mit der Bezeich¬
Landwehr eintritt, um gegen Napoleon zu ziehen.
nung offenbar von vornherein sagen, daß er eine
Er wäre also auf dem Wege, ein Held zu werden,
geringere Geschlossenheit beabsichtigte, als sie heute
ein schlichter freilich, wie alle Soldaten. Beim
auch vom historischen Drama gefordert wird. Er
Abschiedsschmaus mit den Kameraden gehen auch
wollte damit auch Vorwürfen vorbeugen, die ihm
die Wogen des Tatendranges schon recht hoch und
nachher dennoch gemacht worden sind; daß näm¬
Medardus Klähr ruft den Tod über Bonaparte
lich dieses Stück aus dem Jahre 1809 eigentlich
herab. Da wird er aus der Bahn geworfen.
ein Roman sei.
Seine Schwester geht mit dem Geliebten — Prinz
Der Stoff ist historisch. Das Vorbild des Medardus
François von Valois — in den Tod. Der Vater
ist Friedrich Staps, Pastorssohn, geboren zu Naum¬
des Prinzen, der blinde Herzog von Valois, (hier
burg am 14. März 1792, der am 23. Oktober 1809
hat vielleicht der blinde König von Hannover be¬
Napoleon im Schönbrunner Schloßhofe bei einer
fruchtend auf den Dichter gewirkt, der auch, von
Parade ermorden wollte und durch General Rapp
seinem Thron vertrieben, beim Kaiser von Österreich
daran gehindert wurde.?) Der junge Mann sah
ein Asyl fand) verficht immer noch die Ansprüche
Napoleon zum erstenmal in Erfurt, noch ohne den Haß
seines Hauses auf die Krone Frankreichs und
des Fanatikers; dort war er Lehrling in einer
untersagt natürlich seinem Sohn aufs allerstrengste,
„Handlung“ Er war ein intelligenter Mensch, las
die Bürgerliche zur Frau zu nehmen, und du der
und lernte viel, auch Sprachen, dichtete auch ein
heißen Liebe der beiden jungen Leute schon Folgen
wenig, schrieb seinem treuesten Freunde, einem
drohen, bleibt nur die Flucht in die Donau. Dieses
Kaufmannssohn, französische Briefe und wollte als
traurige Ende seiner Schwester läßt in Medardus
Buchhalter, Korrespondent oder Reisender in ein
den Entschluß zur Rache an der herzoglichen Familie
großes Haus treten. Auch Klavier und Zeichnen
reifen, er bleibt in der Stadt. Nach dem Begräb¬
trieb er. Eine jugendliche Liebe keimte in ihm
nisse trifft Medardus mit der stolzen Helene Valois,
auf, bei seiner Verhaftung wurde das Bild der
der Schwester des Prinzen, zusammen und be¬
Geliebten bei ihm gefunden. Mit dem Ausbruche
leidigt sie, wofür er mit dem Marquis von Valois,
des Krieges zwischen Österreich und Napoleon be¬
Vettern der Helene und nunmehr Prätendenten,
gann offenbar sein glühender Patriotismus den
ein Duell zu bestehen hat, in dem er schwer ver¬
Haß gegen den Eroberer zu wecken, er soll eifrig
wundet wird.
Schillers Dramen gelesen haben, besonders „Die
Aber der Haß gegen die kalte Prinzessin mit den
hochmütig mörderischen Händen wandelt sich in lei¬
S. Fischer, Verlag, Berlin 1910.
4) Siehe u. a. „Historisch=politische Blätter für das katho¬
denschaftlichste Liebe; wohl hält Medardus noch dran
lische Deutschland“, herausg. von G. Phillips u. G. Görres.
fest, eines Morgens die nackte Prinzeß durch das
XIV. S. 148f.
Schlößchen zu schleifen und der Schwester Schande