22. Derjunge Nedandus
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Bühne und Welt.
hält sich größtenteils an die Ereignisse, bringt auch historische Personen auf die Bühne, gestaltet
aber ihr Walten für seine dichterischen Zwecke mitunter anders, als der Chronist vermeldet
Wien ist wieder von der Franzosennot bedrängt, die Bevölkerung vom Napoleonhaß erfüllt. Der
große Corse fühlt sich seinem Plane, eine Weltherrschaft zu begründen, nähergerückt. Die Bürger¬
miliz bewacht die Stadt, die Landwehr kommt ins Gefecht und wirkt Wunder der Capferkeit.
Der junge Erzherzog Marimilian, der das Stadtkommando inne hat, schreitet zur Aufstellung von
Freiwilligenkorps und errichtet aller Orten Werbestationen. „Jeder der ein eigenes Gewehr,
Dulver und Blei besitzt, hat solches mitzubringen, und die übrigen nicht Bewaffneten müssen mit
Sensen, Hacken und dergleichen Dienste leisten.“ So sieht es im Wien des „jungen Medardus“
aus. Er ist der Sohn der Buchhändlerswitwe Klähr. Ihr Mann diente bei der Bürgergarde,
ihm war nicht ein ehrlicher Soldatentod bestimmt. Er wurde mit der ganzen Bürgergarde aufs
Glacis beordert, um den Kaiser Napoleon zu erwarten und vor ihm zu paradieren. Don sieben
Uhr abends bis Mitternacht standen sie wie Lakaien im Schneesturm da, vergeblich — der Kaiser
kam nicht. Fiebergeschüttelt trat Klähr in seine Stube, legte sich ins Bett und starb nach drei
Tagen. Das hat in Frau Klähr den Ingrimm gegen Napoleon noch mächtig geschürt. Auf
ihren prächtigen Sohn Medardus hat die Tochter eines befreundeten Drechslermeisters, Anna, ein
liebevolles Auge gerichtet. Medardus soll am nächsten Tage zur Studentenlegion einrücken.
Seine Schwester Agathe liebt den jungen Prinzen Francois, einen Sproß aus der capetingischen
Seitenlinie der Dalois, die einst auf Frankreichs Thron gesessen. Der verbannte, alte, blinde Herzog
Christophe, dem der Kaiser von Oesterreich in einem Dorstadtpalais Wiens Gastfreundschaft
gewährt, träumt von der Wiedereinsetzung der Dalois. Wenige Getreue, die seinen Hof bilden.
nähren den Lieblingsgedanken des aussichtslosen Prätendenten. François, ein feiner, liebens¬
würdiger Jüngling, kann den Starrsinn seiner Eltern nicht brechen, sieht die Unmöglichkeit,
Agathe zu seiner Frau zu machen, und stürzt sich mit ihr in die Donau.
In einem kleinen Wirtshaus der Donanauen versammeln sich die Studenten vor dem Auf¬
bruch aus der Stadt. Sie sind der Begeisterung voll, suchen ihren Heldenmut durch patriotische
Tieder zu befeuern, scherzen und lachen, in Wirklichkeit ist dies aber nur Maske, ihr innerstes
Gefühl, die Angst vor der Schlacht, nicht merken zu lassen. Der Student Bernburg ist recht
betrübt. Ihn hat das Los bestimmt, bei den Depots daheim zu bleiben, und da er mit den
Kameraden tatendurstig ins Feld ziehen will, sucht er für sich einen Ersatzmann, den er noch mit
Dukoten lohnen will. Dor dem Wirtshaus gibt es plötzlich eine Bewegung. Wie dies dort
öfter geschieht, sind zwei Leichen ans Land geschwemmt worden. Man bringt sie in die Schänke,
Medardus erkennt den Prinzen von Dalois und seine Schwester Agathe. Furchtbare Rachepläne
steigen in ihm auf. Sein Dater ist ein Opfer Napoleons, seine Schwester eines Franzosen aus
dem Hause Dalois geworden. Nun tauscht er mit Bernburg, der an seiner Stelle zum Bataillon
einrückt. Medardus will in der Stadt bleiben. „Es könnte sein, daß ich hier noch was zu tun
hätte,“ ruft er unheimlich drohend.
Das Dorspiel, ein Stück für sich, das in dieser Historie eine glänzende Exposition bildet,
ist zu Ende. Der erste Aufzug bietet ein düsteres Friedhofsbild, die Leichen des unglü#kch
Liebespaares werden im gemeinsamen Grabe bestattet. Schon haben sich die Trauergäste entfernt,
und noch liegt Medardus im Schmerz versunken vor dem frischen Grabe. Die Andacht seiner
Trauer wird gestört durch die Ankunft der Prinzessin Helene, der Schwester von François, die
des Bruders Grabstätte mit Blumen schmücken will. In wildem Aufschrei heischt Medardus,
daß die Prinzessin die Blumen fortnehme „oder ich zertrete sie“. — Helene: „Wahrhaftig, das
wäre ein zu gemeines Schicksal.“ (Sie nimmt die Blumen wieder zu sich.) — Medardus: „Nun
sind sie einem würdigeren aufbewahrt — zu verwelken in den hochmütig mörderischen Fingern
einer Dalois.“ Marquis Bertrand von Dalois, der um Helene wirbt und ihr auf den Friedhof
gefolgt ist, fordert Medardus vor seine Klinge. Die Prinzessin gelobt ihm, die Seine zu werden,
wenn er den Frechling tötet. Diesen Auftrag vermag aber der Uarquis nicht auszuführen, denn
Medardus pariert den tödlichen Gegenstich geschickt, verletzt den Herzog am Arm und erhält von
ihm eine gefährliche Munde unweit des Herzens. Helene wird die Sorge um den hübschen,
mutigen Medardus nicht los. Die von ihm schwer Beleidigte entsendet ihre Vertraute Nerina
in die Krankenstube, damit sie Redardus die Blumen bringe, die er vernichten wollte. Der fie¬
bernde Medardus läßt der Orinzessin sagen, daß er noch am Abend sich im Parke ihrer Villa
einfinden werde, ihr seinen Dank persönlich zu Füßen zu legen. Helenens Botschaft kommt ihm
gelegen. Seine Schwester will er rächen, wenn er die Prinzessin in den Armen hat, alle zusammen
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Bühne und Welt.
hält sich größtenteils an die Ereignisse, bringt auch historische Personen auf die Bühne, gestaltet
aber ihr Walten für seine dichterischen Zwecke mitunter anders, als der Chronist vermeldet
Wien ist wieder von der Franzosennot bedrängt, die Bevölkerung vom Napoleonhaß erfüllt. Der
große Corse fühlt sich seinem Plane, eine Weltherrschaft zu begründen, nähergerückt. Die Bürger¬
miliz bewacht die Stadt, die Landwehr kommt ins Gefecht und wirkt Wunder der Capferkeit.
Der junge Erzherzog Marimilian, der das Stadtkommando inne hat, schreitet zur Aufstellung von
Freiwilligenkorps und errichtet aller Orten Werbestationen. „Jeder der ein eigenes Gewehr,
Dulver und Blei besitzt, hat solches mitzubringen, und die übrigen nicht Bewaffneten müssen mit
Sensen, Hacken und dergleichen Dienste leisten.“ So sieht es im Wien des „jungen Medardus“
aus. Er ist der Sohn der Buchhändlerswitwe Klähr. Ihr Mann diente bei der Bürgergarde,
ihm war nicht ein ehrlicher Soldatentod bestimmt. Er wurde mit der ganzen Bürgergarde aufs
Glacis beordert, um den Kaiser Napoleon zu erwarten und vor ihm zu paradieren. Don sieben
Uhr abends bis Mitternacht standen sie wie Lakaien im Schneesturm da, vergeblich — der Kaiser
kam nicht. Fiebergeschüttelt trat Klähr in seine Stube, legte sich ins Bett und starb nach drei
Tagen. Das hat in Frau Klähr den Ingrimm gegen Napoleon noch mächtig geschürt. Auf
ihren prächtigen Sohn Medardus hat die Tochter eines befreundeten Drechslermeisters, Anna, ein
liebevolles Auge gerichtet. Medardus soll am nächsten Tage zur Studentenlegion einrücken.
Seine Schwester Agathe liebt den jungen Prinzen Francois, einen Sproß aus der capetingischen
Seitenlinie der Dalois, die einst auf Frankreichs Thron gesessen. Der verbannte, alte, blinde Herzog
Christophe, dem der Kaiser von Oesterreich in einem Dorstadtpalais Wiens Gastfreundschaft
gewährt, träumt von der Wiedereinsetzung der Dalois. Wenige Getreue, die seinen Hof bilden.
nähren den Lieblingsgedanken des aussichtslosen Prätendenten. François, ein feiner, liebens¬
würdiger Jüngling, kann den Starrsinn seiner Eltern nicht brechen, sieht die Unmöglichkeit,
Agathe zu seiner Frau zu machen, und stürzt sich mit ihr in die Donau.
In einem kleinen Wirtshaus der Donanauen versammeln sich die Studenten vor dem Auf¬
bruch aus der Stadt. Sie sind der Begeisterung voll, suchen ihren Heldenmut durch patriotische
Tieder zu befeuern, scherzen und lachen, in Wirklichkeit ist dies aber nur Maske, ihr innerstes
Gefühl, die Angst vor der Schlacht, nicht merken zu lassen. Der Student Bernburg ist recht
betrübt. Ihn hat das Los bestimmt, bei den Depots daheim zu bleiben, und da er mit den
Kameraden tatendurstig ins Feld ziehen will, sucht er für sich einen Ersatzmann, den er noch mit
Dukoten lohnen will. Dor dem Wirtshaus gibt es plötzlich eine Bewegung. Wie dies dort
öfter geschieht, sind zwei Leichen ans Land geschwemmt worden. Man bringt sie in die Schänke,
Medardus erkennt den Prinzen von Dalois und seine Schwester Agathe. Furchtbare Rachepläne
steigen in ihm auf. Sein Dater ist ein Opfer Napoleons, seine Schwester eines Franzosen aus
dem Hause Dalois geworden. Nun tauscht er mit Bernburg, der an seiner Stelle zum Bataillon
einrückt. Medardus will in der Stadt bleiben. „Es könnte sein, daß ich hier noch was zu tun
hätte,“ ruft er unheimlich drohend.
Das Dorspiel, ein Stück für sich, das in dieser Historie eine glänzende Exposition bildet,
ist zu Ende. Der erste Aufzug bietet ein düsteres Friedhofsbild, die Leichen des unglü#kch
Liebespaares werden im gemeinsamen Grabe bestattet. Schon haben sich die Trauergäste entfernt,
und noch liegt Medardus im Schmerz versunken vor dem frischen Grabe. Die Andacht seiner
Trauer wird gestört durch die Ankunft der Prinzessin Helene, der Schwester von François, die
des Bruders Grabstätte mit Blumen schmücken will. In wildem Aufschrei heischt Medardus,
daß die Prinzessin die Blumen fortnehme „oder ich zertrete sie“. — Helene: „Wahrhaftig, das
wäre ein zu gemeines Schicksal.“ (Sie nimmt die Blumen wieder zu sich.) — Medardus: „Nun
sind sie einem würdigeren aufbewahrt — zu verwelken in den hochmütig mörderischen Fingern
einer Dalois.“ Marquis Bertrand von Dalois, der um Helene wirbt und ihr auf den Friedhof
gefolgt ist, fordert Medardus vor seine Klinge. Die Prinzessin gelobt ihm, die Seine zu werden,
wenn er den Frechling tötet. Diesen Auftrag vermag aber der Uarquis nicht auszuführen, denn
Medardus pariert den tödlichen Gegenstich geschickt, verletzt den Herzog am Arm und erhält von
ihm eine gefährliche Munde unweit des Herzens. Helene wird die Sorge um den hübschen,
mutigen Medardus nicht los. Die von ihm schwer Beleidigte entsendet ihre Vertraute Nerina
in die Krankenstube, damit sie Redardus die Blumen bringe, die er vernichten wollte. Der fie¬
bernde Medardus läßt der Orinzessin sagen, daß er noch am Abend sich im Parke ihrer Villa
einfinden werde, ihr seinen Dank persönlich zu Füßen zu legen. Helenens Botschaft kommt ihm
gelegen. Seine Schwester will er rächen, wenn er die Prinzessin in den Armen hat, alle zusammen
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