Me
box 27/4
22 endardus
Ausschnitt aus:
REICHSPOST. WIEN
vom: 3001.1975
Shemer, Gunst, Muste.
Theater im Krieg.
Von Hans Brecka.
(Schluß.)
IV.
Das tiefe Siechtum unseres Theaters fand während
der Kriegszeit auf allen unseren Bühnen seinen Ausdruck.
Auch das Hofburgtheater machte keine Ausnahme. Auch
diese Hofbühne vermochte keinen würdigen lünstlerischen
Ausdruck für die Not und Größe der Zeit zu finden. Nach.
einigen wenigen Aufführungen der Kleistschen „Hermanns¬
schlacht“ und des „Prinzen von Homburg“ kam als erste
Neuheit Ernst Hardts „Schirin und Gertrande“. Eine voll¬
kommen zutreffende Kennzeichnung dieses Stückes nahm
der Stadtverordnete Dr. Brennewitz im Leipziger Stadt¬
parlament vor, der aufstand, um scharfe Angriffe gegen
das Leipziger Stadttheater zu richten, wo das Stück
gleichfalls aufgeführt worden war. Er meinte, dieses Stück
stehe auf dem Niveau des Zirkus und sei eine für die gegen¬
wärtige Zeit äußerst ungeeignete Offenbachiade mit
Haremsschilderungen. Eine zweite, noch schmerzlichere Ent¬
gleisung leistete sich das Burgtheater mit Schönherrs
„Weibsteufel“, dessen unsägliche Roheit wir genügend be¬
sprochen haben. Der Wiener Kritiker, der seiner reichs¬
deutschen Zeitung frohlockend schrieb, die ganze Wiener
Presse mit Ausnahme der „klerikalen" „Reichspost“ habe dem
Stück zugejubelt, tut uns eine unverdiente Ehre an. Denn
vie stolz wir auf eine solche Sonderstellung auch wären,
der Wahrheit die Ehre gebend, müssen wir feststellen, daß
ein durchaus nicht „klerikaler“, sondern bloß ehrlicher und
gescheiter Wiener Kritiker in einem durchaus nicht „kleri¬
S
schwer leiden. Es ist überflüssig und ganz unangebrachte,
kalen“ Wiener Blatte schrieb: „Das ist die reine Unter¬
ja, gar nicht zu verantwortende Zartheit, wenn viele Kri¬
(eibsnot“ Und der Berliner Referent derselben deutschen
Zeitung, die sich von ihrem Wiener Korrespondenten der¬
tiker immer wieder ihr wahres Urteil über unser Theater
maßen belügen ließ, stellt gelegentlich der Berliner Erst¬
unterdrücken, bloß um die „ohnedies so schwer um ihr Da¬
nufführung des „Weibsteufels“ fest, er könne sich der Emp¬
sein kämpfenden“ Bühnen nicht zu schädigen. Wir sind der
Findung nicht verschließen, daß durch Paradestücke dieser
festen Uebergeugung, daß das Volk, das sich in allen
Art die Bühne entmenschlicht werde und man müsse sich
Stücken so opferwillig und verständnisvoll gezeigt hat, auch
angesichts der Zeit, in der wir leben, doch fragen, wo denn
seine Verpflichtungen gegenüber dem Theater erkennen
würde, wenn es dort mehr Würde fände. Niemals noch
die Brücken solcher Bühnenliteratur zu unserem Sein zu
finden seien. Diese beiden Sätze sind klüger und aufrich¬
waren unsere großen Konzertsäle so überfüllt, als in den
Kriegsmonaten. Vollends, wenn Beethoven auf dem Pro¬
tiger als alle spaltenlangen Lobeshymnen des Wiener gramm stand, in dem das Volk den Ausdruck der Kraft
*Schmocktumes. Dieses Stück nun ist sozusagen das dies¬
jährige Paradestück des Burgtheaters gewesen und mit
und Größe empfand, die unsere Zeit beherrschen. Hätten
daran unsere Bühnenleiter nicht lernen können?
ihm hat das Theater auch in seiner letzten Vorstellung be¬
zeichnend und vielsagend das Spieljahr abgeschlossen Das
Die Wahrheit aber ist, daß die Schicksale unseres
Spierjayr in der Kriegszeit!
Oo denn venashurg¬
Theaters längst' nicht mehr vom Willen des Velkes be¬
theaterdirektor niemals die Frage aufstieg, die sich jener
stimmt werden, sondern von der Herrschaft der Clique, der
Berliner Kritiker vorlegte: Wo denn gerade jetzt die Brücken literarischen Börsenjobber, die es auf dem Gewissen haben,
solcher Bühnenliteratur zu unserem Sein zu finden seien? daß vielleicht mancher wahrhaft große Dichter unerkannt
Zwischendurch gab es am Burgtheater viel vorjährigen in seiner Dachkammer stirbt, die es auf dem Gewissen
und älteren Plunder, wenig Ernst, wenig Gediegenheit,
haben, daß der Theaterkarren heute so tief im Sumpf der
Plattheiten und Gemeinheiten verfahren steckt, die es auf
dem Gewissen haben, daß unser Theater diesen Kampf
Einer der meistgespielten Autoren war immer noch
nicht mitkämpfen darf, nicht Schritt halten darf mit der
Schnitzler, derselbe Schnitzler, dessen niedrige Ansichten
aller früheren Schwäche und Flauheit enteilenden, neuen
darüber, was österreichische Offizier= in der Nacht vorher
Zeit. Dies aber sind eben jene Leute, die kürzlich einmal
tun, ehe sie in den Kampf ziehen, man einmal in seinem
durch einen der Ihrigen in die Welt schreien ließen, sie,
Schauspiel „Der Ruf des Lebens“ nachlese. Als man jetzt
nur sie seien es, die den geistigen Besitzstand des deutschen
während der Kriegszeit in Beriin seinen „Jungen Me¬
Volkes verwalten. Nun, am Theater in dex Kriegszeit wird
dadurs“ aufführte, schrieb ein Kritiker: „Es lag nicht bloß
man ihnen wenigstens haarscharf beweisen können, wie
an der Verminderung unserer Fähigkeiten, sich für blasse
schlechte, unfähige und ungetreue Verwalter sie sind!
Seelchen zu erwärmen, daß der Zwitterheld dieses Schau¬
spieles die Leute kalt ließ . . .“ Und doch rinnt in den Adern
dieses historischen Schauspieles noch verhältnismäßig das
gesündeste Mut, das Schnitzler seinen Dichtungen zu geben
vermag. Wie kraukz-bis Auf die Khochen krank, ist doch
erst alles übrige, was von diesem Dichter kommt, den die
gewisse Presse so überlaut und eifrig als den stärksten lite¬
rarischen Ausdruck Oesterreichs ausrief. Geradezu auf
Schnitzler gemünzt scheinen die Sätze, die wir in einer
Kriegsbetrachtung der „Historisch=politischen Blätter“
lasen: „Dieser Weltkrieg ist ein Hochgericht auch über jene
Literatur, vor der seit Johren die sogenannte moderne
Welk unablässig die Weihrauchfässer schwang. Der ganze
—
Gegensatz zwischen dem. w## #iese Literatur wollte und
Pirrg
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22 endardus
Ausschnitt aus:
REICHSPOST. WIEN
vom: 3001.1975
Shemer, Gunst, Muste.
Theater im Krieg.
Von Hans Brecka.
(Schluß.)
IV.
Das tiefe Siechtum unseres Theaters fand während
der Kriegszeit auf allen unseren Bühnen seinen Ausdruck.
Auch das Hofburgtheater machte keine Ausnahme. Auch
diese Hofbühne vermochte keinen würdigen lünstlerischen
Ausdruck für die Not und Größe der Zeit zu finden. Nach.
einigen wenigen Aufführungen der Kleistschen „Hermanns¬
schlacht“ und des „Prinzen von Homburg“ kam als erste
Neuheit Ernst Hardts „Schirin und Gertrande“. Eine voll¬
kommen zutreffende Kennzeichnung dieses Stückes nahm
der Stadtverordnete Dr. Brennewitz im Leipziger Stadt¬
parlament vor, der aufstand, um scharfe Angriffe gegen
das Leipziger Stadttheater zu richten, wo das Stück
gleichfalls aufgeführt worden war. Er meinte, dieses Stück
stehe auf dem Niveau des Zirkus und sei eine für die gegen¬
wärtige Zeit äußerst ungeeignete Offenbachiade mit
Haremsschilderungen. Eine zweite, noch schmerzlichere Ent¬
gleisung leistete sich das Burgtheater mit Schönherrs
„Weibsteufel“, dessen unsägliche Roheit wir genügend be¬
sprochen haben. Der Wiener Kritiker, der seiner reichs¬
deutschen Zeitung frohlockend schrieb, die ganze Wiener
Presse mit Ausnahme der „klerikalen" „Reichspost“ habe dem
Stück zugejubelt, tut uns eine unverdiente Ehre an. Denn
vie stolz wir auf eine solche Sonderstellung auch wären,
der Wahrheit die Ehre gebend, müssen wir feststellen, daß
ein durchaus nicht „klerikaler“, sondern bloß ehrlicher und
gescheiter Wiener Kritiker in einem durchaus nicht „kleri¬
S
schwer leiden. Es ist überflüssig und ganz unangebrachte,
kalen“ Wiener Blatte schrieb: „Das ist die reine Unter¬
ja, gar nicht zu verantwortende Zartheit, wenn viele Kri¬
(eibsnot“ Und der Berliner Referent derselben deutschen
Zeitung, die sich von ihrem Wiener Korrespondenten der¬
tiker immer wieder ihr wahres Urteil über unser Theater
maßen belügen ließ, stellt gelegentlich der Berliner Erst¬
unterdrücken, bloß um die „ohnedies so schwer um ihr Da¬
nufführung des „Weibsteufels“ fest, er könne sich der Emp¬
sein kämpfenden“ Bühnen nicht zu schädigen. Wir sind der
Findung nicht verschließen, daß durch Paradestücke dieser
festen Uebergeugung, daß das Volk, das sich in allen
Art die Bühne entmenschlicht werde und man müsse sich
Stücken so opferwillig und verständnisvoll gezeigt hat, auch
angesichts der Zeit, in der wir leben, doch fragen, wo denn
seine Verpflichtungen gegenüber dem Theater erkennen
würde, wenn es dort mehr Würde fände. Niemals noch
die Brücken solcher Bühnenliteratur zu unserem Sein zu
finden seien. Diese beiden Sätze sind klüger und aufrich¬
waren unsere großen Konzertsäle so überfüllt, als in den
Kriegsmonaten. Vollends, wenn Beethoven auf dem Pro¬
tiger als alle spaltenlangen Lobeshymnen des Wiener gramm stand, in dem das Volk den Ausdruck der Kraft
*Schmocktumes. Dieses Stück nun ist sozusagen das dies¬
jährige Paradestück des Burgtheaters gewesen und mit
und Größe empfand, die unsere Zeit beherrschen. Hätten
daran unsere Bühnenleiter nicht lernen können?
ihm hat das Theater auch in seiner letzten Vorstellung be¬
zeichnend und vielsagend das Spieljahr abgeschlossen Das
Die Wahrheit aber ist, daß die Schicksale unseres
Spierjayr in der Kriegszeit!
Oo denn venashurg¬
Theaters längst' nicht mehr vom Willen des Velkes be¬
theaterdirektor niemals die Frage aufstieg, die sich jener
stimmt werden, sondern von der Herrschaft der Clique, der
Berliner Kritiker vorlegte: Wo denn gerade jetzt die Brücken literarischen Börsenjobber, die es auf dem Gewissen haben,
solcher Bühnenliteratur zu unserem Sein zu finden seien? daß vielleicht mancher wahrhaft große Dichter unerkannt
Zwischendurch gab es am Burgtheater viel vorjährigen in seiner Dachkammer stirbt, die es auf dem Gewissen
und älteren Plunder, wenig Ernst, wenig Gediegenheit,
haben, daß der Theaterkarren heute so tief im Sumpf der
Plattheiten und Gemeinheiten verfahren steckt, die es auf
dem Gewissen haben, daß unser Theater diesen Kampf
Einer der meistgespielten Autoren war immer noch
nicht mitkämpfen darf, nicht Schritt halten darf mit der
Schnitzler, derselbe Schnitzler, dessen niedrige Ansichten
aller früheren Schwäche und Flauheit enteilenden, neuen
darüber, was österreichische Offizier= in der Nacht vorher
Zeit. Dies aber sind eben jene Leute, die kürzlich einmal
tun, ehe sie in den Kampf ziehen, man einmal in seinem
durch einen der Ihrigen in die Welt schreien ließen, sie,
Schauspiel „Der Ruf des Lebens“ nachlese. Als man jetzt
nur sie seien es, die den geistigen Besitzstand des deutschen
während der Kriegszeit in Beriin seinen „Jungen Me¬
Volkes verwalten. Nun, am Theater in dex Kriegszeit wird
dadurs“ aufführte, schrieb ein Kritiker: „Es lag nicht bloß
man ihnen wenigstens haarscharf beweisen können, wie
an der Verminderung unserer Fähigkeiten, sich für blasse
schlechte, unfähige und ungetreue Verwalter sie sind!
Seelchen zu erwärmen, daß der Zwitterheld dieses Schau¬
spieles die Leute kalt ließ . . .“ Und doch rinnt in den Adern
dieses historischen Schauspieles noch verhältnismäßig das
gesündeste Mut, das Schnitzler seinen Dichtungen zu geben
vermag. Wie kraukz-bis Auf die Khochen krank, ist doch
erst alles übrige, was von diesem Dichter kommt, den die
gewisse Presse so überlaut und eifrig als den stärksten lite¬
rarischen Ausdruck Oesterreichs ausrief. Geradezu auf
Schnitzler gemünzt scheinen die Sätze, die wir in einer
Kriegsbetrachtung der „Historisch=politischen Blätter“
lasen: „Dieser Weltkrieg ist ein Hochgericht auch über jene
Literatur, vor der seit Johren die sogenannte moderne
Welk unablässig die Weihrauchfässer schwang. Der ganze
—
Gegensatz zwischen dem. w## #iese Literatur wollte und
Pirrg