II, Theaterstücke 22, Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (Altwiener Stück, Doppelselbstmord), Seite 698

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bewegten: „Der junge Medardus“ von
Hohenfels für gewisse Rollen doch wirklich
Arthur Schnitzler, in Hugo Thimigs
nicht mehr jung genug war.
glanzvoller Inszenierung, zum zauberhaften
Theatererlebnis gesteigert. Da war also wieder
Aber, leider! Beim Theater kommt immer
die Freitreppe des Schönbrunner Schlosses,
alles anders: wenige Tage später
an der wir täglich, unsere Schulaufgaben me¬
stand ich in der Bergerschen Villa
morierend, achtlos vorbeiliefen — aber wie
im schwarzverhängten Salon
anders sah das auf einmal alles aus, seit sich
bei der Totenfeier. Immerhin — man
hier der General Rapp in hinreißender Vor¬
war mitten im Burgtheater; es waren zwar
nehmheit präsentiert hatte, seit wir hier im
infolge der Ferien nicht alle Künstler anwe¬
Schloßhof erschüttert der Erzählung der Frau
send (ein Teil hatte sich auch erst auf dem
Klähr gelauscht hatten. An diesem Abend
Friedhof eingefunden), aber, unbeschreibliches
wußten wir es: irgend etwas mußte ge¬
Entzücken, neben mir standen, leibhaftig, zum
schehen!
Greifen nahe, Egmont und Alba im Gespräch!
Und es geschah: Sonntag für Sonntag stu¬
Das heißt Georg Reimers und Max De¬
dierten wir hingebungsvoll den Inseratenteil
prient; ersterer hatte seinen Sommersitz in
der Tageszeitungen, Rubrik „Offene Stel¬
Wyk auf Föhr vorzeitig verlassen, um dem
len, Hauspersonal“: denn es war ja
Direktor die letzte Ehre zu erweisen. Die
immerhin möglich (so dachten wir uns), daß
Ueberfahrt war stürmisch: „Wir fuhren in
bei Reimers oder der Bleibtreu ein Stuben¬
einer kleinen Barkasse übers Meer, bei sehr
mädchen vakant sei; und damit wäre einem“ hohem Wellengang“. Frische Meeresbrise um¬
Die Balkone sind von wildem Wein über¬
wuchert, in grünen Holzkübeln stehen riesige
Oleanderbäume, allerorts gibt es Basen mit
blühenden Gladiolen und die Ampeln mit den
bunten Begonien erinnern beinahe an die hän¬
genden Gärten der Semiramis. Und Georg
Reimers liebt leidenschaftlich seinen Garten,
in dem es aber außer der Blimenpracht —
am schönsten sind ja die Rosenstöcke — auch
besonders schöne Ananaserdbeeren, saftige
Birnen, Pflaumen, alles mögliche Gemüse
und Kartoffeln gibt. Im Haus Reimers geht
es immer ziemlich lebendig zu — ein inter¬
essantes Gästebuch legt davon Zeugnis ab.
So verbrachte einmal die Familie Thimig
einen ganzen Sommer in Wyk auf
Föhr, Albert Heine, der den Sommer über
in Westerland restdiert, hat sich wiederholt
eingesunden; der Schriftsteller Otto Ernst;
auch der berühmte Flieger Christiansen,
der in Wyk geboren ist, ist einer der Stamm¬
gäste gewesen und einmal ist Hofrat Reimers
auch mit ihm über das Meer geflogen.
In der „Frielenstube“
Die Schiffer der Insel sind gut Freund mit
Georg Reimers, dessen Verbundenheit mit
dem Meer wohl am besten in der „Friesen¬
stube“ zum Ausdruck kommt. Der ganze
Raum ist blau gekachelt — in der Mittelwand 6#
befindet sich eine Riesenkachel — und auf
jeder einzlnen Kachel ist ein Schiff abgebildet;
auch ein uraltes Schiffsmodell ist zu sehen
und auf dem Sims steht Zinngerät aus Ur¬
vätertagen. In seltsamem Kontrast zu Beser
geheimnisvollen Wickingerstimmung klingt ein
Wiener Walzer — denn im Sommer ist die
Familie Reimers hier vollzählig versammelt:
Emmerich Reimers mit seiner Gattin
Gerda Reimers=Dreger (die in der
Schweiz Operettentriumphe feiert) und Doktor
Fritz Reimers, der begabte Komponist, der
auf besonderes Bitten Wiener Lieder und
Walzer spielt. Liebenswürdig macht Frau
Hofrat Reimers die Honneurs und wäh¬
rend draußen die Brandung ans Ufer schlägt,
erzählt Georg Reimers, der demnächst seine
goldene Hochzeit mit dem Burgtheater feiert,
einiges aus seinen Anfängen.
Der junge Reimers als Wander¬
schaulpieler
Und mit Erstaunen hört man, daß es Di¬
rektoren gegeben hat, die Georg Reimers
als zu häßlich für die Bühne erklärt
haben. Er führte an verschiedenen Schmieren
und ganz kleinen Theatern ein richtiges Wan¬
derleben, fühlte sich im Fach des komischen
Liebhabers recht behaglich und war zufrieden
mit dem, was er gerade zu spielen bekam. Da
sah ihn einmal irgendwo die berühmte Schau¬
spielerin Rossi, die, mit richtigem Instinkt be¬
gabt, den Theaterdirektor Maurice (genannt
„Der Lieferant des Burgtheaters“, denn von
ihm aus kamen u. a. die Wolter, Babette
Reinhold und das Ehepaar Hartmann nach
Wien) auf den jungen Schauspieler aufmerk¬
sam machte; aber sie hatte kein Glück mit ihrer
Entdeckung, denn Direktor Maurice sagte ihr
kurz und bündig: „Das ist ja ein ganz talent¬
loses Menschenkind; laß mich in Frieden —
von diesem häßlichen, langen talentlosen Kerl
will ich nichts wissen!“
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