Telephon 12801.
S M TETTE SMM
G l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs¬
Ausschnitte
*
Wien, I., Concordtaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg,
(guelienangabe oline Gewähr.)
in Ausschnitt ausPresläuer Zeltung
vom:
B 1509
Premieren.
Ein neues Stück von Arthur Schnitzler.
Aus Wien wird nach der Generalprobe der neüesten Schnitzlerschen
Komödie von unserem I., K.=Mitarbeiter berichtet: Das Deutsche
Volkstheater gedachte heute wieder einmal eines heimischen Dichters,
der stärksten Wiener Begabung, Arthur Schnitzlers. Man brachte dessen
neue einaktige Komödie „Komtesse Mizzi oder der Familientag“ zur ersten
Aufführung. Durch alle Stücke Schnitzlers zieht sich ein verwandter Zug,
die Geschichte vom „süßen Mädel“ spielt überall mit und seine bekannten
Figuren wechseln im Lebensalter. „Komtesse Mizzi“ ist ein älteres
„Abschiedssouper“. Anatol und die jugendliche Ballerine Annie sind ernst,
reif und gesetzt worden. Anatol ist diesmal Graf Arpad Pazmandy,
ein älterer Aristokrat und ausgedienter Kavallerieoffizier, Annie die
38jährige pensionierte Ballettdame Lolo Langhuber. Als Pallestri war
sie in der Fußspitzenkunst sehr geschätzt. Graf Pazmandy ist frühzeitig
Witwer geworden, hat dann bald mit Lolo Beziehungen angeknüpft, die
nun durch achtzehn Jahre ungetrübt gedauert haben. Er hat sich an
Lolo gewöhnt, doch sie gibt ihm, wie ihre jüngere Kollegin Annie im
„Abschiedssouper“, den Laufpaß. Sie will, da sie sich ins Privatleben
zurückgezogen hat, in „geordnete Verhältnisse“ kommen und heiratet den
braven Fiakereigentümer und Hausbesitzer Wasner. Der Graf nimmt es
nicht leicht, seine treue, langjährige Gefährtin zu verlieren, er bietet ihr
sogar seine Hand zum ehelichen Bund, doch sie schlägt sie klugerweise aus,
denn „es tätt doch kein gut“. Vor ihrer Verheiratung besucht Lolo ihren
alten Freund auf dessen Landsitz. Das geniert den Grafen, denn er
möchte doch Lolo seiner Tochter, Komtesse Mizzi, nicht vorstellen. Doch
diese, gleichfalls ein ältliches Mädchen, nimmt die Maitresse des Vaters
liebevoll und herzlich auf. So sind Vater, Tochter und die illegale „Stief¬
mama“ beisammen. Aber zum „Familientag“ fehlen noch zwei, die sind
auch alsbald zur Stelle: Fürst Ravenstein und dessen siebzehnjähriger
natürlicher Sohn Philipp. Der Fürst hat ihn eben adoptiert. Die Mutter
des Jünglings ist — Komtesse Mizzi. Als nach dem Tode ihrer Mutter
der Vater bei Lolo Trost gesucht hat, war sich die Komtesse meist allein
überlassen. Sie verliebte sich in den Fürsten Ravenstein und hatte mit
ihm einen Sohn, der ihr trotz alles Sträubens nach der Geburt wea¬
genommen und fremden Leuten zur Erziehung übergeben wurde. Nun
sieht sich Komtesse Mizzi plötzlich ihrem erwachsenen Sohne gegenüber
und seinetwillen entschließt sie sich jetzt, Fürst Ravenstein zu heiraten, der
schon früher, sowie er Witwer geworden war, vergebens um ihre Hand
geworben hatte. Freilich hat sich Komtesse Mizzi nicht gelangweilt,
Zeichenlehrer und andere Männer sorgten für ihren „Zeitvertreib“. So
findet sich die eigenartige „Familie“ mit einem Male zusammen. Wir
bewundern wiederum die Geistesschärfe, mit der Schnitzler dieses Sitten¬
bild prachtvoll zeichnet, er greift ins Leben und holt sich daraus Figuren,
die er mit seinem künstlerischen Genius umgibt. Der feine Beobachter,
der scharfe Psycholog, der genaue Kenner der Gesellschaft zeigt sich
wiederum in „Komtesse Mizzi“. Die ähnlichen Schicksale der Komtesse
und des Ballettmädchens, die Lebenslügen, die ein bevorzugter Stand für
sich in Anspruch nimmt, im Gegensatz zur ehrlichen, munteren, aufrichtigen
Auffassung eines Mädchens aus dem Volke, das bringt Schnitzler in un¬
geschminkter Wahrheit mit Humor und treffender Charakteristik auf die
Bühne. Er präsentiert uns auch zwei Typen österreichischer Aristokraten,
in Pazmandy einen gutmütigen, einfachen, braven Menschen, der sich um
den Lauf der Welt nicht viel kümmert, und in Ravenstein den auf seinen
Ruf und die Aeußerlichkeit streng bedachten, streberischen, egoistischen
Feudalen. Wie stets bei Schnitzler sprüht auch diesmal der Dialog Leben
und Temperament. Seine Gestalten sind aus einem Guß geschaffen.
6 l. österr. benora..
Ausschnitte
6
Wien, I., Concordiaplatz 4.
1
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
G hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New Vork,
19 Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
IN 1909 (Quelienangabe ohne Gewihr.)
*
Ausschnitt aus:
18 Zeitung, Wien
62
vom:
genr
Theater und Kunst.
Deutsches Volkstheater. Der gestrige Premieren¬
abend gehörte Artur Schnitzler, Novitätenabend war
er nur in beschränktem Sinne. Als eigentliche Neuheit
kann nur die einaltige Komödie „Komtesse Mizzi“
gelten, das Hauptstück „Liebelei“ hat seine Feuerprobe
auf mehreren hiesigen Bühnen schon bestanden. „Liebelei“
ist eines der ersten Schnitzlerschen Werke und bis heute
sein bestes geblieben: In keinem erklingt die wienerische
Note so volltönend echt; in keinem späteren hat er so
vollständig von allem Menschlichen jede Theatralik fern¬
zuhalten gewußt. Und dieses stark Menichliche, diese
Tragödie des vertrauenden Mädchenherzeus, dieses
Drama des „lieben süßen Mädels“, das in den
Schlußszenen jäh aufflammt, hat gestern die anfänglich laue
Stimmung beseitigt und die stärkste Wirkung geübt — eine
Wirkung, wie sie seit langem nicht von der Bühne aus¬
gegangen ist. Das ist auf Fräulein Haunemann
zurückzuführen, die als Christine in den letzten Szenen eine
künstlerische Leistung bot, an die die höchsten Maßstäbe ge¬
legt werden dürsen. Dieser elementare Ausbruch der Ver¬
zweislung, der wie mit heißer Lava die Zuschauer über¬
schüttete, rüttelte auch die Blasiertesten auf; das große
menschliche Leid sprach aus diesen fliegenden, von Träuen
erstickten Worten, schrie gellend aus dieser Angst und griff
jedem aus Herz. Wie gebannt stand man mit ange¬
haltenem Atem und umflorten Augen dieser Schöpfung
gegenüber. Dieser Christine ebenbürtig war Viltor
Kutschera als alter Geiger; wie er die Tochter tröstet,
sprach eine unendliche Güte und Milde aus seinen Worten.
Erschütternd wirkten seine Schlußworte, die unter ver¬
haltenem Schluchzen hervorbrechen. Ein donnernder
Beifall ging durch das Haus. Die Herren
sowie
Kramer, Edthofer und Klitsch
die Damen Thaller und Waldow (diese ein
wenig zu assektiert) hatten an dem Erfolg vollen Anteil.
Die einaktige Komödie: „Komtesse Mizzi“, die
eigentliche Novität von gestern, gehört in das Gebiet der
Salonplanderei. Eine hübsche Idee, die mit viel Geist
und vielen unterhaltenden Einfällen erzählt wird und
durch einen pikanten Einschlag die Schnitzlersche Marke
erhält. Die Titelrolle spielt Fräulein Galafrés
mit der ganzen Noblesse ihrer Erscheinung und
aristokratischer Distinktion in der Haltung. Sie
feinen ironischen Ton
schlägt einen entzückend
an, unter dem eine warme Innerlichkeit pulsiert, die
namentlich in der Szene, in der sie ihrem liebsten Freund,
dem Maler, den Abschied gibt, in innigen Akzenten zur
Geltung kommt. Eine prächtige Figur voll Humor war
Frau Glöckers Lolo; überaus köstlich Herr Thaller
als ungarischer Graf; von echt weltmännischer Eleganz,
leicht im Ton und dennoch voll Gemüt Herr Kramer
und eine Gestalt von drolligster künstlerischer Eigenart
Herr Edthofer. — Mit den Darstellern wurde der
L. F.
Dichter wiederholt stürmisch gerufen.
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hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg,
(guelienangabe oline Gewähr.)
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vom:
B 1509
Premieren.
Ein neues Stück von Arthur Schnitzler.
Aus Wien wird nach der Generalprobe der neüesten Schnitzlerschen
Komödie von unserem I., K.=Mitarbeiter berichtet: Das Deutsche
Volkstheater gedachte heute wieder einmal eines heimischen Dichters,
der stärksten Wiener Begabung, Arthur Schnitzlers. Man brachte dessen
neue einaktige Komödie „Komtesse Mizzi oder der Familientag“ zur ersten
Aufführung. Durch alle Stücke Schnitzlers zieht sich ein verwandter Zug,
die Geschichte vom „süßen Mädel“ spielt überall mit und seine bekannten
Figuren wechseln im Lebensalter. „Komtesse Mizzi“ ist ein älteres
„Abschiedssouper“. Anatol und die jugendliche Ballerine Annie sind ernst,
reif und gesetzt worden. Anatol ist diesmal Graf Arpad Pazmandy,
ein älterer Aristokrat und ausgedienter Kavallerieoffizier, Annie die
38jährige pensionierte Ballettdame Lolo Langhuber. Als Pallestri war
sie in der Fußspitzenkunst sehr geschätzt. Graf Pazmandy ist frühzeitig
Witwer geworden, hat dann bald mit Lolo Beziehungen angeknüpft, die
nun durch achtzehn Jahre ungetrübt gedauert haben. Er hat sich an
Lolo gewöhnt, doch sie gibt ihm, wie ihre jüngere Kollegin Annie im
„Abschiedssouper“, den Laufpaß. Sie will, da sie sich ins Privatleben
zurückgezogen hat, in „geordnete Verhältnisse“ kommen und heiratet den
braven Fiakereigentümer und Hausbesitzer Wasner. Der Graf nimmt es
nicht leicht, seine treue, langjährige Gefährtin zu verlieren, er bietet ihr
sogar seine Hand zum ehelichen Bund, doch sie schlägt sie klugerweise aus,
denn „es tätt doch kein gut“. Vor ihrer Verheiratung besucht Lolo ihren
alten Freund auf dessen Landsitz. Das geniert den Grafen, denn er
möchte doch Lolo seiner Tochter, Komtesse Mizzi, nicht vorstellen. Doch
diese, gleichfalls ein ältliches Mädchen, nimmt die Maitresse des Vaters
liebevoll und herzlich auf. So sind Vater, Tochter und die illegale „Stief¬
mama“ beisammen. Aber zum „Familientag“ fehlen noch zwei, die sind
auch alsbald zur Stelle: Fürst Ravenstein und dessen siebzehnjähriger
natürlicher Sohn Philipp. Der Fürst hat ihn eben adoptiert. Die Mutter
des Jünglings ist — Komtesse Mizzi. Als nach dem Tode ihrer Mutter
der Vater bei Lolo Trost gesucht hat, war sich die Komtesse meist allein
überlassen. Sie verliebte sich in den Fürsten Ravenstein und hatte mit
ihm einen Sohn, der ihr trotz alles Sträubens nach der Geburt wea¬
genommen und fremden Leuten zur Erziehung übergeben wurde. Nun
sieht sich Komtesse Mizzi plötzlich ihrem erwachsenen Sohne gegenüber
und seinetwillen entschließt sie sich jetzt, Fürst Ravenstein zu heiraten, der
schon früher, sowie er Witwer geworden war, vergebens um ihre Hand
geworben hatte. Freilich hat sich Komtesse Mizzi nicht gelangweilt,
Zeichenlehrer und andere Männer sorgten für ihren „Zeitvertreib“. So
findet sich die eigenartige „Familie“ mit einem Male zusammen. Wir
bewundern wiederum die Geistesschärfe, mit der Schnitzler dieses Sitten¬
bild prachtvoll zeichnet, er greift ins Leben und holt sich daraus Figuren,
die er mit seinem künstlerischen Genius umgibt. Der feine Beobachter,
der scharfe Psycholog, der genaue Kenner der Gesellschaft zeigt sich
wiederum in „Komtesse Mizzi“. Die ähnlichen Schicksale der Komtesse
und des Ballettmädchens, die Lebenslügen, die ein bevorzugter Stand für
sich in Anspruch nimmt, im Gegensatz zur ehrlichen, munteren, aufrichtigen
Auffassung eines Mädchens aus dem Volke, das bringt Schnitzler in un¬
geschminkter Wahrheit mit Humor und treffender Charakteristik auf die
Bühne. Er präsentiert uns auch zwei Typen österreichischer Aristokraten,
in Pazmandy einen gutmütigen, einfachen, braven Menschen, der sich um
den Lauf der Welt nicht viel kümmert, und in Ravenstein den auf seinen
Ruf und die Aeußerlichkeit streng bedachten, streberischen, egoistischen
Feudalen. Wie stets bei Schnitzler sprüht auch diesmal der Dialog Leben
und Temperament. Seine Gestalten sind aus einem Guß geschaffen.
6 l. österr. benora..
Ausschnitte
6
Wien, I., Concordiaplatz 4.
1
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
G hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New Vork,
19 Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
IN 1909 (Quelienangabe ohne Gewihr.)
*
Ausschnitt aus:
18 Zeitung, Wien
62
vom:
genr
Theater und Kunst.
Deutsches Volkstheater. Der gestrige Premieren¬
abend gehörte Artur Schnitzler, Novitätenabend war
er nur in beschränktem Sinne. Als eigentliche Neuheit
kann nur die einaltige Komödie „Komtesse Mizzi“
gelten, das Hauptstück „Liebelei“ hat seine Feuerprobe
auf mehreren hiesigen Bühnen schon bestanden. „Liebelei“
ist eines der ersten Schnitzlerschen Werke und bis heute
sein bestes geblieben: In keinem erklingt die wienerische
Note so volltönend echt; in keinem späteren hat er so
vollständig von allem Menschlichen jede Theatralik fern¬
zuhalten gewußt. Und dieses stark Menichliche, diese
Tragödie des vertrauenden Mädchenherzeus, dieses
Drama des „lieben süßen Mädels“, das in den
Schlußszenen jäh aufflammt, hat gestern die anfänglich laue
Stimmung beseitigt und die stärkste Wirkung geübt — eine
Wirkung, wie sie seit langem nicht von der Bühne aus¬
gegangen ist. Das ist auf Fräulein Haunemann
zurückzuführen, die als Christine in den letzten Szenen eine
künstlerische Leistung bot, an die die höchsten Maßstäbe ge¬
legt werden dürsen. Dieser elementare Ausbruch der Ver¬
zweislung, der wie mit heißer Lava die Zuschauer über¬
schüttete, rüttelte auch die Blasiertesten auf; das große
menschliche Leid sprach aus diesen fliegenden, von Träuen
erstickten Worten, schrie gellend aus dieser Angst und griff
jedem aus Herz. Wie gebannt stand man mit ange¬
haltenem Atem und umflorten Augen dieser Schöpfung
gegenüber. Dieser Christine ebenbürtig war Viltor
Kutschera als alter Geiger; wie er die Tochter tröstet,
sprach eine unendliche Güte und Milde aus seinen Worten.
Erschütternd wirkten seine Schlußworte, die unter ver¬
haltenem Schluchzen hervorbrechen. Ein donnernder
Beifall ging durch das Haus. Die Herren
sowie
Kramer, Edthofer und Klitsch
die Damen Thaller und Waldow (diese ein
wenig zu assektiert) hatten an dem Erfolg vollen Anteil.
Die einaktige Komödie: „Komtesse Mizzi“, die
eigentliche Novität von gestern, gehört in das Gebiet der
Salonplanderei. Eine hübsche Idee, die mit viel Geist
und vielen unterhaltenden Einfällen erzählt wird und
durch einen pikanten Einschlag die Schnitzlersche Marke
erhält. Die Titelrolle spielt Fräulein Galafrés
mit der ganzen Noblesse ihrer Erscheinung und
aristokratischer Distinktion in der Haltung. Sie
feinen ironischen Ton
schlägt einen entzückend
an, unter dem eine warme Innerlichkeit pulsiert, die
namentlich in der Szene, in der sie ihrem liebsten Freund,
dem Maler, den Abschied gibt, in innigen Akzenten zur
Geltung kommt. Eine prächtige Figur voll Humor war
Frau Glöckers Lolo; überaus köstlich Herr Thaller
als ungarischer Graf; von echt weltmännischer Eleganz,
leicht im Ton und dennoch voll Gemüt Herr Kramer
und eine Gestalt von drolligster künstlerischer Eigenart
Herr Edthofer. — Mit den Darstellern wurde der
L. F.
Dichter wiederholt stürmisch gerufen.