II, Theaterstücke 21, Komtesse Mizzi oder: Der Familientag, Seite 37

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Kontesse Hizzi-oder der FaniLientag



allen seinen Krümmungen
schem Anstand. Der Dialog, der scheinbar so anspruchs¬
Technik, mit der es uns vorgeführt wird. Drei leichte
Der Held dieses Stückes w
los dahinfließt, ist reich an gedanklichen Schönheiten und
kleine Akte, und geschrien wird erst ganz am Schluß.
der Inneren Stadt und i
eindringlicher Charakteristik. Beiläufig ist es der beste
Keine jähen Ueberraschungen, keine effektvollen Abgänge,
Lockungen den Rücken un
Dialog, der seit Bauernfeld auf dem deutschen Theater
keine Explosionen zum Aktschluß. „Undramatisch“, hat
stadt. Da verrät sich bere
gesprochen wur e, und ein wirklicher Dialog, das heißt
man gesagt: „Keine Handlung.“ Keine Handlung
Schnitzlers Schaffen,
in Worten umgesetzte Charakteristik, kein bloßes Wort¬
das sagt man nämlich immer, wenn ein Stück eine ver¬
wohl auch gesellschaftsfein
geplänkel. Und noch immer nimmt uns die melancholische
nünftige, eine meuschliche Handlung hat. Muß man die
Jahren immer deutlicher he
Anmut dieses kleinen Geschehnisses gefangen, diese schlichte
liebe Dichtung derartigen Einwänden gegenüber wirklich
späteren Stücke machten ;
Fabel, die ganz ohne Apparat, körperlos wie eine Melodie
noch in Schutz nehmen? Muß man es ausdrücklich
wie Fritz Lobheimer,
ist, aber ebenso unzerstörbar. Noch immer ergreift uns das
sagen, daß Theatralik etwas anderes ist und Dramatik
weiter, bis an die Perin
Schicksal dieses armen Mädels, das so unschuldig zum
etwas anderes? Untheatralisch ist die Liebelei, aber
der Reichen und Vornehl
Handkuß kommt, dessen Liebster im Duell fällt, und sie
dramatisch ist sie. Wer für ein buntes, wechselvolles
Volk vorüber, durchs
weiß nicht einmal, für wen. Noch immer geht es uns
Geschehen auf dem Theater schwärmt, kommt allerdings
Aristokratie. Schon der
ans Herz, wenn das demütige, verliebte Geschöpf im
nicht auf seine Kosten bei diesem Stück, bei dieser Art
draußen am „Einsamen
dritten Akt in die große Klage ausbricht, in die ver¬
von Stücken. Solche Leute tun aber überhaupt besser, in
Landschaft versteckt, war
zweifelte Anklage: „Und ich? Was war denn ich?“ und
ein Variété zu gehen. Da finden sie ein buntes wechsel¬
des Grafen Pazmandy, i
auf die Straße hinausläuft, in den Tod. ... Wienerisch
volles Geschehen: Alle zehn Minuten eine neue Nummer,
ist nun vollends ein Sch
hat man diese zärtliche Ballade vom süßen Mädel
und jede überraschend. Schließlich ist es ja auch wirklich
gebaut, vor dreißig Jahr
genannt. Warum eigentlich wienerisch? Es gibt eine
möglich, daß diese feinere Art von Stücken niemals das
lich scheinen, daß dieser
kleine Novelle von Lascadio Hearn — Anata“ heißt sie —
große Publikum anzieht. Indessen, wie die Theater heute
fliehen scheint, in sein
die einen ganz ähnlichen Frauencharakter unvergeßlich
eingerichtet sind, wird ja niemand gezwungen hinein¬
Aristokratie mündet, al
rührend malt, nur daß die japanische Haru alle An¬
zugehen. Und keineswegs kann es die Aufgabe der Kritik
wenn auch in einem
klagen, ihren ganzen Schmerz in ein einziges Wort:
sein, auf die fehlenden Publikumsqualitäten einer Dich¬
Und es mag kurios an
„Anata!“ (du) preßt, und daß sie mit diesem ganz
tung hinzuweisen. Das besorgt schon das Publikum, und
cuität einer Schlager=Miz
leichten Gepäck in den Tod hinübergeht. Es gibt eine
zwar sehr nachdrücklich.
liche Vorurteilslosigkeit.
kleine Erzählung von Rudyard Kipling — „Lisbeth“ heißt
Uebrigens hat dieses schlanke, schmächtige, beim ersten
wickelt. Das sieht parade
sie —, darin wird ein ganz ähnliches Frauenschicksal
Anschauen wohl auch etwas dürftige Stück sich auf dem
Denn in Wahrheit ist di
nicht minder rührend entwickelt. Es gibt eine Oper von
Theater viel besser behauptet als manches korpulente
kratie weit geringer, als
Puccini — „Butterfly“ heißt sie —, da greift uns schuld¬
Theaterstück der alten Schule, das es dazumal, vor zehn,
kratie. Die Jungfer und
loses Leiden, das demütig getragen wird ganz ebenso
zwölf Jahren, an die Wand drückte. Die „Liebelei“ ist jetzt
denselben Dialekt; nur
unmittelbar an die Seele. Da habt ihr die Schwestern
über die Bühne des Vol stheaters gegangen, und niemand
bürgerlichen Gäste des H
Christinens: Haru, Lisbeth, Butterfly. Wienerisch ist nur
hat bemerkt, daß sie älter geworden wäre. Das ist ein
reinen Hochdeutsch. Und
das Kleid des Stückes; aber der Leib, den es birgt,
Vorzug der Schlankheit. Gerade, wenn man die „Liebelei“
im Dialekt zu sprechen,
der arme zuckende Menschenleib, ist völlig international, ist
mit ihren theatralisch viel sichereren, frühreifen Alters¬
gewissen gesellschaftlichen
genossinnen vergleicht, mit den „Müttern“ etwa oder mit
ewig, wenn man das pathetische Wort im Zusammen¬
lauben.
der „Jugend“, merkt man den Unterschied. Die „Mütter“
hang mit dem Theater überhaupt gebrauchen darf.
Noch in einem ande
sind trivial geworden, die allzu animalische „Jugend“ stößt
nichts als eine Weiterbi
uns heute ab. Kaltgewordene Sinnlichkeit ist Ekel.
Von der „Liebelei“ zur Komtesse Mizzi“ ist ein
Liebeleigedankens. Jene
Die „Liebelei“ allein hat ihren Reiz erhalten. Das macht:
weiter Weg, aber von der Terrasse des gräflichen Schlosses,
Christine nämlich, we
ihre Jugend ist mit Geist gemischt, und Geist, das ist
das irgendwo draußen, in der Gegend des Lainzer
ewige Jugend. Wohl sprechen die Personen wienerisch,
aber es in ein Wienerisch von feinster Zucht und literari¬ Tiergartens gelegen sein muß, überblickt man ihn in hältnis war — de